SZ-Kulturpreis Tassilo:In geheimnisvollen Märchenwelten

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Bei einem Lichtspaziergang in Utting zeigt Vanessa Hafenbrädl im Dezember 2022 den Besuchern das beleuchtete Künstlerhaus Gasteiger. (Foto: Georgine Treybal)

Vanessa Hafenbrädl hat in der Kulturszene vieles ausprobiert - auch wilde Dinge. Heute bezieht die Lichtkünstlerin aus Dießen die Besucher in ihre suggestiv-poetischen Bilderzählungen ein und entführt sie so in neue Räume.

Von Katja Sebald, Dießen

Vanessa Hafenbrädl war Pferdemädchen und Schulabbrecherin. Sie lebte als "Dieselqueen" in einem umgebauten Truck und war Aktivistin in der sogenannten Wagenszene. Sie jobbte als Roadie für Bands wie AC/DC, sie arbeitete als Pyrotechnikerin und als Videotechnikerin am Theater, sie war Fotografin und Visual Jockey. Sie war Vagabundin und wurde dann Hamburgerin, sie war Studentin mit Kind und später ein paar Jahre lang einfach nur Mama. Seit 2015 lebt sie in Dießen am Ammersee, hat sich praktisch vom ersten Tag an in der Kulturszene der Region engagiert und ist gleichzeitig mit ihren Licht- und Videoinstallationen international durchgestartet. Wer versucht, dieser Künstlerin ein Etikett aufzukleben, der wird zwangsläufig scheitern.

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1979 in Gräfelfing geboren und im Münchner Westen aufgewachsen, hat Vanessa Hafenbrädl erst nach der Geburt ihrer Tochter, die heute 13 Jahre alt ist, ihr wildes Leben aufgegeben. Sie mietete eine Wohnung, absolvierte in Hamburg den Studiengang Digitaler Film und Animation, schrieb eine vielbeachtete Abschlussarbeit über Videoprojektionen am Theater und kehrte nach Bayern zurück, als die Tochter eingeschult werden sollte. "Irgendwann kam in Hamburg so eine Art Heimweh", sagt sie rückblickend. Sie habe sich daran erinnert, dass der Ammersee, den sie von Reiterferien kannte, ihre "erste große Liebe" gewesen sei. Und tatsächlich konnte sie ein Häuschen in Dießen mieten. "Ich bin hier sehr sanft gelandet", befindet sie.

Hafenbrädl war am Ammersee an legendären Events wie "Kunst geht baden", einer Zwischennutzung des Freibads Greifenberg, beteiligt. Sie war Mitbegründerin der "Freien Kunstanstalt" in Dießen, einem integrativen Kulturzentrum für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, in dem sie auch Workshops leitet. Aktuell plant sie außerdem ein Projekt, das Jugendlichen aus einem bildungsfernen Umfeld den Zugang zu eigener künstlerischer Betätigung ermöglichen soll. Für den Verein "Lichtkunst Weilheim" und den Verein "Brücke Oberland", der straffällig gewordene Jugendliche betreut, hat sie den "Light Walk" konzipiert: Die Jugendlichen sollen geeignete Projektionsflächen in Weilheim erkunden, Hafenbrädl wird später mit ihnen einen mit Technik bestückten Handwagen durch die Stadt ziehen und verschiedene Orte bespielen. "Ich will den Jugendlichen zeigen, was alles mit dem Handy möglich ist außer konsumieren", sagt die Künstlerin.

Videokünstlerin Vanessa Hafenbrädl (Landkreis Starnberg). (Foto: Nila Thiel)

Mit ihren riesigen Videomappings war Hafenbrädl unter anderem auf dem "Off the Radar Festival" in Auckland, auf einem Lichtkunst-Festival in Island, auf dem "Illuminus Festival" in Boston und auf dem "Lux Light Festival" in Wellington vertreten. Eine entscheidende Station war für sie das "Internationale Festival für audiovisuelle Projektionen Genius Loci Weimar": 2016 gewann Hafenbrädl dort mit ihrer Projektion "Erlinde" den Wettbewerb - und spürt seither dem Geist von Orten nach.

Sie spürt in Frauenau ihrer eigenen Familiengeschichte nach

2019 stieß sie bei einem Besuch im Glasmuseum Frauenau auf ihre eigene Familiengeschichte, denn die Hafenbrädls waren einst eine Glasbläserdynastie. Auch Vanessa Hafenbrädl beschäftigte sich daraufhin mit der Glasmacherkunst und entwickelte für ihre Projektionen einen speziellen Glaskörper, mit dem sie historische Porträts animieren kann. So konnte sie die Geschichte der unglücklichen Schlossbesitzerin Elisabeth von Hafenbrädl lebendig werden lassen, die aus Scham über ihren schäbigen zweiten Ehemann Gift schluckte. Die Videoinstallation "Angel in the House" hinterfragt weibliche Rollenklischees des 19. Jahrhunderts aus der Sicht der Gegenwart. Die Bilderzählung direkt am Ort des Geschehens, im Schloss Ludwigsthal und in der benachbarten Herz-Jesu-Kirche, die Hafenbrädl mit einer Soundcollage von Anna McCarthy und mit Marc Chouarain an der Glasorgel realisierte, machte kurz vor Weihnachten Furore.

Anfang März wird die Lichtkünstlerin nun auch den Geist von Schloss Blutenburg erwecken: Mit einer Installation, die den gesamten Innenhof mit bewegten Bildern überzieht, will sie den Blick in die Vergangenheit gleichsam "synästhetisch" erlebbar machen. Es ist jedoch nicht nur die Verbindung von Video, Text und Sound, die Hafenbrädls Arbeiten so einzigartig macht, es sind vor allem ihre suggestiv-poetischen Bilderzählungen, die den Besucher mit einbeziehen und ihn in geheimnisvolle Märchenwelten entführen.

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