Prozess in München:"Man gefährdet andere wegen fünf Minuten high sein"

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Symbolfoto. (Foto: Rolf Poss/imago)

Ein Krankenpflege-Schüler bedroht vor einer Bar Menschen mit einem Teppichmesser. Vor Gericht zeigt er Reue. Über eine Nacht im Drogen-Rausch.

Von Korbinian Eisenberger, München/Ebersberg

Es war ein Dienstagabend im September 2020, als ein Mann in der Stadt Ebersberg sein Messer zog. Der Mann, damals 20 Jahre alt, verließ gegen 23.15 Uhr eine dortige Bar, um drei Menschen zu verfolgen. Gerade noch hatte er mit zwei Männern und einer Frau in der Bar an einem Tisch gesessen. Nun verlangte er vom ersten der drei Geld und Handy. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, zog er ein Cuttermesser aus der Hosentasche und schob die Klinge nach oben.

In München steht ein inzwischen 22-jähriger Mann vor dem Landgericht, der drei Menschen mit einem Messer angegriffen hat. Er trägt Jeans und Hemd, Undercut. Würde man ihn zufällig auf der Straße treffen, käme man nicht auf die Idee, Angst haben zu müssen. Er sagt dann aber auch, dass er ein Fable für "schöne Waffen" habe. Messer, Pumpguns und so. Einen Waffenschein habe er beantragt.

Die Szenen vor zwei Jahren in Ebersberg dürften sich ziemlich genau so abgespielt haben, wie der Staatsanwalt im Gerichtssaal sie am Mittwoch vorträgt. Davon ist auszugehen, weil der Beschuldigte die Abläufe am ersten Verhandlungstag vollumfänglich einräumt. "Ich habe das Messer rausgezogen und habe denen gedroht."

Die Beamten bringen den Mann mit Handschellen zum Bluttest in jene Klinik, in der er arbeitet

Statt dem Mann mit dem Teppichmesser Geld und Handy auszuhändigen, entschied sich der Bedrohte zur Flucht, wobei er den Begleitern zurief, sich in seinem Auto zu verschanzen. Doch noch bevor die Frau die Tür schließen und absperren konnte, erreichte der Angreifer das Auto. Nun hatte er die dritte Person der Gruppe im Visier, den Mann auf dem Fahrersitz. Ihn forderte er nun mit ausgefahrenem Messer auf, ihm seine Armbanduhr und das Auto zu überlassen.

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Hintergrund der Tat ist ganz offenbar der zumindest seinerzeit schwierige Geisteszustand des Beschuldigten. Inzwischen ist diagnostiziert, dass er unter einer paranoiden Schizophrenie leidet. Nicht auszuschließen ist, dass sein regelmäßiger und nicht selten übermäßiger Konsum von illegalen Drogen und der legalen Droge Alkohol bei all dem eine Rolle spielten. Kokain war lange großes Thema, Cannabis auch. In den Wochen vor der Tat habe er häufiger Joints geraucht als sonst, sagt er vor Gericht. An besagtem Abend könne er sich an Longdrinks in der Ebersberger Bar erinnern, nicht ob er gekifft habe. Seine Blutwerte waren diesbezüglich positiv.

Um diese Werte zu erhalten, dauerte es in der Septembernacht von Ebersberg noch mehrere Stunden. Zunächst gelang es dem Mann auf dem Fahrersitz trotz Forderung und Messer, den Autoschlüssel abzuziehen, zurück in die Bar zu flüchten und dort die Polizei zu verständigen. Kurz vor Mitternacht kamen Beamte und nahmen den Beschuldigten vorläufig fest. Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft sollte er schließlich gegen 4.30 Uhr zur Blutentnahme in die Ebersberger Kreisklinik gebracht werden. Also um festzustellen, unter welchen Einflüssen er mindestens zwei Menschen bedrohte. Daran hatte der Festgenommene wenig Interesse. Er arbeitete seinerzeit in genau dieser Klinik.

"Eine Psychose ist weitaus schlimmer als eine Abstinenz."

Der damals 20-Jährige war im Herbst 2020 seit einem Jahr in der Krankenpflegeschule. Er betreute also Patienten in der Ebersberger Kreisklinik und sollte nun in Begleitung von Polizisten dort hin, um eine Blutprobe zu machen. Ob er diese für ihn problematische Vermengung den Beamten mitgeteilt habe, fragte die Vorsitzende Richterin. Daran könne er sich nicht erinnern. Nur daran, dass er sich stark wehrte. So stark, dass die Beamten ihn mit Handschellen an Händen und Füßen fixiert vor den Augen seiner Klinikkollegen ins Krankenhaus trugen.

Der 22-Jährige befindet sich seit eineinhalb Jahren ununterbrochen in einstweiliger Unterbringung in der Psychiatrie. Vor Gericht erweckte er den Eindruck, die Tat ehrlich zu bereuen. "Man gefährdet andere wegen fünf Minuten high sein", sagte er. Bei den Opfern habe er sich schriftlich entschuldigt, seit mehr als einem halben Jahr habe er weder getrunken noch Drogen genommen. "Eine Psychose ist weitaus schlimmer als eine Abstinenz", sagte er. Es gehe ihm deutlich besser so, ohne Drogen und Alkohol. Regelmäßige Tests würden dies seit November überprüfen. Sein Antrag auf einen Waffenschein wurde ebenfalls geprüft - und abgelehnt. Grund sei gewesen, so der Beschuldigte, dass bei ihm einst ein Springmesser gefunden worden war. Womöglich gäbe es weitere Gründe.

Das Gericht muss nun abwägen, ob ihm und seiner Verteidigerin zu glauben ist, dass die Schizophrenie unter Kontrolle ist und bleibt. Oder ob die Ansicht der Staatsanwaltschaft zutrifft, dass der Mann zum Tatzeitpunkt zwar schuldunfähig war - jedoch aufgrund seines generellen Zustandes "für die Allgemeinheit gefährlich ist". Das Urteil könnte diese Woche fallen.

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