Brenner-Nordzulauf:Problematische Wunschtrasse

Lesezeit: 3 min

Seit der Vorstellung der Pläne für den Neubau der Strecke südlich von Grafing-Bahnhof gibt es dagegen Protest. Oft verbunden mit der Forderung, die bestehende Strecke auszubauen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Erneut wollen Anwohner dafür demonstrieren, die Bahnstrecke nach Grafing entlang der Bestandsgleise auszubauen. Laut Deutscher Bahn ist dies aber die schlechteste Lösung.

Von Wieland Bögel, Grafing

Laut Oscar Wilde gibt es zwei große Tragödien im Leben: Nicht zu bekommen, was man sich wünscht - und das Gegenteil. Beim geplanten Ausbau der Bahnstrecke im Landkreissüden scheint es sich ganz ähnlich zu verhalten: Die von vielen Bewohnern der Gegend rund um Aßling geforderte Erweiterung der Bestandsstrecke - in zwei Wochen gibt es dafür erneut eine Demo - ist nach Auffassung der Bahn nicht realisierbar. Grund: Der Eingriff in die sogenannten Schutzgüter wäre durch diese Strecke gravierender, als durch die anderen Umgehungsvarianten.

Von denen gibt es derzeit insgesamt vier Stück, die sich aktuell im Stadium der Grobplanung befinden. Alle vier würden nördlich von Grafing-Bahnhof von der Bestandsstrecke abzweigen, aber noch ein Stück, etwa bis zum Gewerbegebiet Schammach, parallel dazu verlaufen. Bis auf Höhe Oberelkofen sind alle vier Trassen identisch, danach fächert sich der Entwurf in vier mögliche Streckenverläufe auf. Variante Pink macht einen weiten Bogen nach Westen bis kurz vor Hohenthann im Landkreis Rosenheim, die Varianten Rot und Orange schwenken dagegen nach Osten, Richtung Bestandsstrecke, der sie unterschiedlich nahekommen und Variante Limone ist gewissermaßen der Mittelweg. Etwa auf Höhe der Landkreisgrenze treffen die vier Varianten wieder auf den Bestand.

Bis Jahresmitte soll eine Trasse ausgewählt sein

Angesichts des doch durchaus großen Eingriffs in die Landschaft gab es seit Vorstellung der Trassenvarianten im vergangenen Dezember Forderungen, wenn schon neue Gleise nötig seien, diese entlang des Bestands zu verlegen. Warum dies aus Sicht der Bahn nicht möglich sei, erläuterten Vertreter des Schienenkonzerns nun bei einem Pressegespräch. Man habe sich mit der Frage auch beschäftigt, sagte Dieter Müller, zuständig für den Abschnitt Grafing-Ostermünchen. "Es scheint auch sehr charmant." Die Hoffnung, dass man dadurch aber weniger Eingriffe in die Landschaft bräuchte, habe sich nicht bestätigt, ganz im Gegenteil: "Das würde sogar noch mehr Belastungen bringen."

Denn einfach ein paar neue neben die alten Gleise zu legen, sei nicht möglich, so Müller, dafür reiche an vielen Stellen der Platz nicht aus. Laut Müller müsste ansonsten ein gutes Dutzend Gebäude, darunter Wohnhäuser, abgerissen werden, auch der Soldatenfriedhof in Elkofen sei von einer solchen Trasse wohl betroffen. Ebenso das Flora-Fauna-Habitat (FFH) Attel mit seinen Kalktuff-Quellen, "ein streng geschütztes Biotop". Laut Christian Tradler, Projektleiter für den Brenner-Nordzulauf, darf ein solches Gebiet überhaupt nur angetastet werden, wenn es nachweislich keine anderen Optionen gibt - was hier aber ausdrücklich nicht zutreffe.

In Aßling, hier auf Höhe des Bahnhofes, verlaufen die Gleise dicht an den Wohnhäusern. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Doch selbst wenn die Bestandserweiterung gebaut würde, wäre diese laut der Bahn-Fachleute für die Anwohner kein Gewinn. Nicht nur weil sie wegen der Rettungswege mehr als doppelt so breit wäre, wie bisher. Sie würde auch deutlich mehr Bahnlärm für die Anlieger bedeuten. Schließlich ist auf der Strecke ein Güterverkehrsanteil von 80 Prozent geplant. Allerdings, da sind sich die Bahn-Fachleute auch einig, sei auch der Streckenverlauf mit den vielen engen Kurven ungünstig, schließlich soll auch der Hochgeschwindigkeits-Personenverkehr dort unterwegs sein können.

Dass das unter Umständen auch in einem Tunnel der Fall sein könnte, wollte Tradler nicht komplett ausschließen - allerdings sei dies auch sehr unwahrscheinlich. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis sei dazu einfach zu schlecht, zudem seien Tunnel in der Wartung und im Betrieb aufwendiger. Letztlich sei dies aber eine Entscheidung des Bundestags, dieser stimmt am Ende der Planung zu, und wenn aus dem Gremium der Auftrag kommt, auch den Tunnel zu prüfen, werde man dies tun. Dies sei bisher aber nicht erfolgt, sodass weiterhin nur die vier Grobtrassen genauer untersucht würden. Ziel sei es, noch im ersten Halbjahr 2022 einen Favoriten vorzustellen. Läuft alles nach Plan, könnte 2030 Baubeginn und zehn Jahre später der erste Zug auf der neuen Strecke unterwegs sein.

Der Frauenneuhartinger CSU-Bundestagsabgeordnete Andreas Lenz: "Wir sind alle fassungslos." (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die lokale Politik macht unterdessen erneut gegen die neuen Trassen mobil. Grafings Bürgermeister Christian Bauer (CSU) und Florian Salfrank vom Grafinger AK Bahnlärm haben für den übernächsten Samstag, 5. Februar, zu einer "Protestveranstaltung der Stadt Grafing, der Gemeinde Alxing/Bruck, der Gemeinde Aßling, der Gemeinde Kirchseeon, der Gemeinde Zorneding, der Gemeinden Vaterstetten und Haar sowie Trudering und Ostermünchen" eingeladen. Die Veranstalter argwöhnen, dass bei der Bedarfsermittlung falsche Zahlen verwendet wurden und man so auf mehr Zugverkehr gekommen sei. Statt "Durchschneidung der Landschaft durch den Neubau einer Trasse", solle die Bahn "technische Möglichkeiten" nutzen, um "die Bestandsstrecke aufzurüsten/auszubauen". Die Einladung richtet sich auch an die Anlieger der Strecke Grafing-Trudering, die durch mehr Zugverkehr mehr Lärm ausgesetzt sind: "Auch hier muss die DB nachbessern." Die Demo, zu der sich auch die bayerische Verkehrsministerin Kerstin Schreyer angekündigt hat, beginnt um 12 Uhr an der Ortsverbindungsstraße von Oberelkofen nach Obereichhofen neben den Golfplatz, auf dem Radweg nach Eisendorf, es gelten die aktuellen Infektionsschutz-Regeln.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

MeinungBrenner-Zulauf nach Grafing
:Der Bürgermeister geht zu weit

Grafings Rathauschef Christian Bauer ruft zum wiederholten Mal zu Protesten gegen Bahngleise auf. Er sollte es zurückhaltender angehen - so wie seine Vorgänger.

Kommentar von Thorsten Rienth

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: