Landgericht München:Von der Liege gefallen: Mann verklagt Ebersberger Kreisklinik

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Ein Mann macht die Ebersberger Kreisklinik für seinen Sturz in der Notaufnahme verantwortlich. Davor soll er allerdings das Pflegepersonal beschimpft haben.

Von Johanna Feckl, München

Mehrere Male zog sich das Gericht zur Beratung zurück, am Ende machte der Vorsitzende Richter Johannes Brose deutlich: "Wenn der Kläger uns heute hier persönlich das geschildert hätte, was er uns am Telefon erzählt hat, dann hätten wir die Klage abgewiesen." Es ging um ein Ereignis, das sich im Sommer 2020 in der Notaufnahme der Kreisklinik Ebersberg zugetragen hatte: Ein Mann aus dem Landkreis Ebersberg beschuldigt die Klinik, genauer gesagt die ihn damals versorgende Krankenpflegerin, ihm die mehrmals erbetene Hilfe bei einer Umlagerung von einer Liege in einen Rollstuhl verweigert zu haben - daraufhin sei er gestürzt und habe sich am Knie verletzt. Der Mann geht nun zivilrechtlich gegen die Kreisklinik vor, am Dienstag fand die Verhandlung dazu vor dem Landgericht München II statt. Abgewiesen wurde die Klage letztlich nicht, stattdessen wird der Prozess in einigen Wochen mit dem Gutachten eines Sachverständigen fortgeführt.

"Uns beschäftigt, wie es zu so unterschiedlichen Schilderungen kommen kann", sagte Richter Brose, nachdem er und die zwei beisitzenden Richterinnen von der letzten Beratungsunterbrechungen zurückgekehrt waren. Denn die Krankenpflegerin, deren Verhalten der Kläger beanstandet, schilderte den Vorfall im Vorfeld der Verhandlung deutlich anders.

Demnach habe sie dem Kläger, der nach einem Fahrradsturz von einem Angehörigen in die Klinik gebracht wurde, angewiesen, wie er zunächst von dem Rollstuhl auf die Liege zu weiteren Untersuchung gelangen konnte - der Mann, 1997 geboren, wiegt 130 Kilo. Das habe funktioniert. Als der Kläger nach der Untersuchung, bei der sich keine Verletzungen oder Auffälligkeiten am Knie ergeben hatten, zur Sicherheit noch geröntgt werden sollte und dafür von der Liege wieder zurück in den Rollstuhl musste, habe er sich jedoch geweigert. Die Aufforderung der Krankenpflegerin käme einer Misshandlung gleich, er bräuchte Hilfe. Als die Pflegerin auf den enormen Gewichtsunterschied hinwies, sei er immer aggressiver geworden - der Gewichtsunterschied wäre ihm egal, es wäre schließlich ihr Job, ihm zu helfen. Daraufhin habe er sich dann absichtlich fallen lassen.

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Der Kläger widersprach dieser Version. Da das Gericht versäumt hatte, den Mann zu laden und er deshalb nicht persönlich erschienen war, wurde er kurzerhand über das Handy seiner Anwältin zur Verhandlung hinzugeschaltet. Bei dem Fahrradsturz hatte er sich eine Schürfwunde am Knie sowie Schmerzen an Hand und Knie zugezogen. Auftreten habe er aber ohne weiteres können, das betonte der Kläger mehrmals. "Warum sind Sie dann überhaupt ins Krankenhaus, wenn Sie augenscheinlich nur eine Schürfwunde hatten?", wollte eine beisitzende Richterin später wissen. Nun ja, komisch hätte sich das Knie schon angefühlt, so der Kläger.

Im Behandlungsraum dann sollte er sich von dem Rollstuhl auf die Liege umsetzen. Obwohl es dem Mann zufolge nicht die von der Beklagten behauptete Einweisung gab, habe er das problemlos geschafft, weil der Rollstuhl nahe genug an der Liege gestanden hätte. Danach aber, zur erneuten Umlagerung, hätte er gut zwei Meter auf dem gesunden Bein hüpfen, sich umdrehen und auf den Rollstuhl fallen lassen müssen. "Ich schaffe das nicht alleine", hätte er gesagt. "Das sagte ich bestimmt vier Mal."

Die Krankenpflegerin hätte ihm die erbetene Hilfe jedoch verweigert. "Das ist ja aber eine überschaubare Bitte", so die Anwältin über das Verhalten ihres Mandanten. "Aber aus einer Bitte wird noch keine Pflicht", entgegnete eine der beisitzenden Richterinnen. Als der Kläger mehrere Minuten vergeblich auf Hilfe wartete, habe er es schließlich doch versucht, so schilderte er es. Gleich bei dem ersten Hüpfversuch sei er dann gestürzt, ein lauter Knacks in seinem Knie sei deutlich zu hören gewesen. "Ich habe dann nur noch geweint."

Ganz plausibel erschien das dem Gericht offensichtlich nicht. "Jemand, der schmerzfrei auftreten kann, braucht keine Hilfe beim Auftreten", so Richter Brose. Da der Kläger nicht persönlich erscheinen konnte, einigte man sich darauf, einen Sachverständigen hinzuzuziehen. Dieser soll klären, ob in diesem Fall eine Sturzprophylaxe erforderlich war und ob sich die Beklagte entlasten kann.

© SZ vom 18.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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