Bahn:Abschiedsbrief an eine Unzuverlässige

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Am Bahnhof lässt sich oft nur erahnen, wann der nächste Zug eintrifft. (Foto: Simon Groß)

Unsere Autorin ist dem Isarcard-Abo trotz aller Unzulänglichkeiten viele Jahre treu geblieben. Nun kam der Punkt, an dem sich die Trennung nicht mehr vermeiden ließ.

Kolumne von Barbara Mooser

Ach, lange habe ich es mit dir ausgehalten. In guten wie in schlechten Zeiten, heißt es ja - aber ganz ehrlich: So richtig gute Zeiten hatten wir zwei schon lang nicht mehr. Du warst eine launische Diva, du bist immer nur angerauscht, wie es dir gepasst hat. Du hast mich warten lassen, wenn ich es furchtbar eilig hatte. Nie hast du zuverlässig Bescheid gesagt, wenn du dich verspätest. Manchmal schien es, du machst dir einen Spaß daraus, mir sinnlose Informationen zukommen zu lassen und mich immer weiter zu verwirren. Du warst notorisch unzuverlässig, an eiskalten Winterabenden hast du mich einfach stehen lassen, an einem heißen Sommertag habe ich einmal lieber einen einstündigen Fußmarsch auf mich genommen als weiter auf dich zu warten.

Doch damit ist jetzt Schluss: Bye-bye S-Bahn, pfiatdi Filzenexpress, au revoir BRB Chiemgau-Inntal. Das Isarcard-Abo ist nach vielen, vielen Jahren Treue gekündigt, von Oktober an werden wir uns nur noch sporadisch sehen. Ein bisschen Wehmut ist schon dabei, man erinnert sich ja noch an den Anfang der Beziehung, als man der Meinung war, man würde recht gut zusammenpassen und könnte zusammen die Welt ein kleines bisschen besser machen.

Doch ein letztes Date am Montagmorgen lässt jegliche Zweifel im Nu verfliegen: störrisch wie immer zeigst du dich, kein bisschen Bemühen ist zu erkennen, die Kluft zwischen uns zu überbrücken. 35 Minuten auf freier Strecke kurz vor Grafing-Bahnhof, 30 Minuten dann dort am Bahnhof. Gäbe es kein Taxi, wer weiß, vielleicht stünde ich noch immer dort. Weichenstörung - eine deiner üblichen Ausreden. Die Auszeit ist beschlossene Sache, vielleicht versuchen wir es irgendwann wieder miteinander - aber dafür müsstest du dich wirklich ändern.

© SZ vom 01.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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