Brenner-Nordzulauf:Ein Projekt am Rande der kompletten Eskalation

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Die zweigleisige Bestandsstrecke im Bereich Atteltal zwischen Henneleiten und Fischerleiten (Symbolfoto). (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Die Deutsche Bahn hat sich auf einen Gleisverlauf für den Brenner-Nordzulauf festgelegt, wohlwissend dass viele Betroffene eine andere Variante wollten. Das birgt Risiken.

Kommentar von Andreas Junkmann

Nun also ist die Entscheidung gefallen: Die Güterzüge auf einer der wichtigsten Handelsrouten Europas werden vom Jahr 2040 an über Gleisführung "Limone" durch den Landkreis Ebersberg rollen. Was erfrischend sommerlich klingt, war für viele Beteiligte am Mittwoch ein Biss in den sauren Apfel - oder besser: in die saure Limone. Bei Lokalpolitikern und Anwohnern war die Variante "Türkis", also ein Streckenverlauf in unmittelbarer Nähe der bereits bestehenden Schienen, ganz weit oben im Kurs. Die Verantwortlichen der Bahn jedoch haben sich für eine Trasse deutlich weiter westlich in bisher unberührter Natur entschieden - und sich das Leben damit nicht unbedingt leichter gemacht.

Klar, die Argumente, die bei der Pressekonferenz im Alten Kino zu hören waren, klangen auf den ersten Blick recht plausibel: Man könne mit dieser Streckenführung die größeren Orte weiträumig umfahren und auch die kleineren Dörfer seien nicht direkt betroffen. Vor allem müssten bei der nun angedachten Variante keine Häuser abgerissen werden - ein durchaus nicht zu verachtender Hinweis. Durch die "Tieferlegung" der Gleise, also dem Streckenverlauf unterhalb der Grasnarbe, dürfte sich tatsächlich auch die optische Verschandelung der Region in Grenzen halten.

Das Projekt steht einmal mehr am Rande der kompletten Eskalation

Trotzdem muss man sich natürlich die Frage stellen, warum die Deutsche Bahn trotz der enormen Widerstände ihre Trasse mit aller Macht durchdrücken will. Auch die Variante "Türkis" wäre genehmigungsfähig und realisierbar gewesen, wie die Vorprüfungen bereits ergeben hatten. Hätte sich der Schienenkonzern für diese Option entschieden, der Aufschrei wäre am Mittwoch deutlich leiser ausgefallen. So aber steht das Projekt Brenner-Nordzulauf einmal mehr an einem Punkt, den es zuletzt schon häufiger erreicht hatte: am Rande der kompletten Eskalation.

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Die Bahn legt sich auf eine Trasse für den Brenner-Nordzulauf fest. Anders als von den Anwohnern gefordert, verläuft diese weit entfernt von der Bestandsstrecke durch die Landschaft. Die Politiker aus der Region sind entsetzt.

Von Andreas Junkmann

Wie jedoch dieses Mal die Rückkehr zu einer konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Projektplanern und den Verantwortlichen in der Region gelingen kann, ist ungewiss. Bisher konnte der Schienenkonzern stets auf die angeblich recht fruchtbaren Dialogforen verweisen. Gerade diese haben nun aber Grafings Bürgermeister Christian Bauer als "Witz" und Landtagsabgeordneter Thomas Huber als "Zeitdiebstahl" bezeichnet - man fühlt sich schlicht nicht ernst genommen.

Den Verantwortlichen der Bahn müssen die Konsequenzen ihrer Entscheidung bewusst gewesen sein. Deshalb sind sie nun umso mehr in der Pflicht, die Wahl der Trasse bei den Betroffenen vor Ort zu erklären und in der Detailplanung das verloren gegangene Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Denn nur so kann "Limone" noch zu einer schmackhaften Frucht für alle heranreifen.

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