Amtsgericht Ebersberg:Versorgt der Vater seinen Sohn mit Drogen?

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"Da Geruchsbelästigungen eine schlimme Sache sind, schauen wir uns das mal an", twitterte die Polizei Mittelfranken am Wochenende wegen eines Kiffers und kündigte das SEK an - zum Spaß. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Das Schöffengericht in Ebersberg versucht, diese Frage zu klären.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

"Stay High" steht auf der Jacke des Zeugen, in diesem Fall ist das zwar eine Aufforderung zum Bergwandern, es passt aber ganz gut zum Thema der Verhandlung am Ebersberger Amtsgericht. Dort angeklagt ist der Vater des Jackenträgers, er soll diesem beim high werden geholfen haben, indem er den Sohn mit Marihuana versorgt hat. Da der junge Mann zum betreffenden Zeitpunkt noch minderjährig war, kein ganz leichter Vorwurf - den zu belegen sich das Schöffengericht in den kommenden knapp zwei Stunden indes nicht leicht tun wird.

Die Zeugen widersprechen sich durchgehend

Beschuldigt wird der 39-Jährige von der Ex-Freundin des Sohnes - wobei da schon die ersten Unklarheiten auftauchten. Sie sagte aus, man sei nur befreundet gewesen, er berichtete von einer intensiveren Beziehung. Zumindest bei einer Sache sind sich die 21-Jährige und ihr 19-jähriger Vielleicht-Ex-Freund einig: Vor gut zwei Jahren haben die beiden viel unternommen, um dem Spruch auf der Jacke nachzukommen - Bergwandern war es nicht. Regelmäßig habe man sich zu zweit oder auch mit weiteren Freunden zum Kiffen getroffen, oft in dem Ort, wo der junge Mann zusammen mit dem Vater wohnt.

Darüber, wo die Rauchwarenverkostung genau stattgefunden hatte, gingen die Aussagen der Zeugen dann schon wieder auseinander. Sie sagte, man habe sich meistens in der Wohnung des Angeklagten getroffen, er behauptete, nur ganz selten zusammen mit seiner damaligen Vielleicht-Freundin dort gewesen zu sein. Und zum Kiffen habe man sich immer draußen aufgehalten, in einer Grünanlage oder irgendwo rund um den Sportplatz.

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Die Frage, wo die beiden jungen Leute damals Marihuana geraucht haben, ist deswegen wichtig, weil die Zeugin in der Wohnung von Vater und Sohn die Weitergabe der Drogen von Ersterem zu Letzterem beobachtet haben will. Der Angeklagte habe demnach, wenn er von der Arbeit kam, erst einmal eine Wasserpfeife mit Marihuana geraucht. Dann habe er Joints gedreht und einige davon an seinen Sohn weitergegeben. Auch Marihuana habe den Besitzer gewechselt, der Vater habe kleinere Mengen davon verschenkt, größere zu einem sehr günstigen Preis verkauft. Auf Nachfrage von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung blieb die Zeugin indes entscheidende Details schuldig, etwa wann und wie oft es zu solchen Transaktionen gekommen war und wie viele Drogen dabei den Besitzer wechselten.

Echte Beweise konnte die Polizei nicht finden

Sowohl der Vater als auch der Sohn bestritten im Prozess, dass dies überhaupt stattgefunden hatte. Der Sohn gab an, er habe damals das Marihuana immer über Bekannte in München bezogen, manchmal habe auch die Zeugin welches mitgebracht. Deren Behauptung sei laut Aussage des Vaters auch rein zeitlich kaum möglich: Er arbeite nämlich schon seit Jahren Nachtschicht und komme erst weit nach Mitternacht heim. Dass er danach noch stundenlang mit dem Sohn und der Zeugin - die selbst angab, immer spätestens mit der letzten S-Bahn heimgefahren zu sein - gekifft haben soll, könne also nicht sein.

Außer der Aussage der jungen Frau gab es nichts Belastendes gegen den Angeklagten. Zwar hatte die Polizei die Wohnung von Vater und Sohn durchsucht, dort aber nichts gefunden, was die Beschuldigungen der Zeugin bestätigte. Diese sagte aus, die beiden hätten, nachdem der Sohn einmal wegen der Kifferei Ärger mit der Polizei bekommen hätte, kein Marihuana mehr in der Wohnung gelagert. Dieses sei irgendwo anders untergebracht gewesen, bei Bedarf habe der Vater jemanden angerufen, sei dann nach unten gegangen und mit den Drogen zurückgekehrt.

Hat die Zeugin von ihrer Aussage profitiert?

Eine Möglichkeit, warum die junge Frau diese Geschichte erzählte, lieferte der Polizeibeamte, der sie damals vernommen hatte. Grund war, dass sie im Internet von einem ihr zuordenbaren Account ein Bild von sich mit Marihuana verbreitet hatte. Bei der Vernehmung sei die junge Frau auch auf Paragraph 31 des Betäubungsmittelgesetzes belehrt worden, so der Beamte auf Nachfrage des Gerichts. Dabei handelt es sich um eine unter Juristen nicht unumstrittene Rechtsnorm, die besagt, dass bei kleineren Drogenvergehen straffrei ausgeht, wer andere wegen Drogenvergehen belastet. Tatsächlich wurden die Vorwürfe gegen die Zeugin nicht weiterverfolgt - wohl aufgrund ihrer Aussage. Nicht zuletzt schilderten Vater, Sohn und Zeugin, dass die beiden jungen Leute im Streit auseinandergegangen waren - welche Beziehung sie zuvor auch gehabt haben wollen.

Am Ende beantragte sogar die Staatsanwaltschaft, den Angeklagten freizusprechen, das Schöffengericht folgte dem. "Wir können uns kein Bild malen, auf dem der Angeklagte eine der Taten begangen hat", so der Vorsitzende Frank Gellhaus. Allerdings sei das Urteil "kein Freispruch erster Klasse", es gebe in der Aussage der Zeugin durchaus glaubwürdige Teile, "aber da, wo es ans Eingemachte geht, bleibt sie sehr vage". Darum gelte "im Zweifel für den Angeklagten", das Urteil ist rechtskräftig.

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