Landkreis Dachau:"Besser geht's nicht"

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Ministerpräsident Seehofer besichtigt zwei Firmen im Landkreis, zeigt sich beeindruckt und verpasst den Sparkassen einen Seitenhieb.

Gregor Schiegl

Fast vier Stunden weilt der bayerische Ministerpräsident am Donnerstag mit seiner Entourage im Landkreis Dachau. Zwischen Nockherberg und Schloss Bellevue ist dieser Besuch für Horst Seehofer "ein Höhepunkt", wie er sagt. Richtigerweise müsste man sagen, eine ganze Kette von Höhepunkten, denn immer wieder sagt er : "Besser geht's nicht." Aber irgendwie geht's dann doch immer noch ein bisschen besser. Dachau übertrifft sich selbst. Oder Seehofer.

Softwareentwickler Franz Dengler zeigt Ministerpräsident Horst Seehofer, wie die Firma MicroNova die Software und elektronische Elemente in Autos testet. Hinten v.li.: Firmenchef Josef Karl, Bezirkstagspräsident Josef Mederer, Landtagsabgeordneter Bernhard Seidenath und Bürgermeister Heinz Eichinger. (Foto: DAH)

Zunächst steht ein Besuch im Bergkirchener Gewerbegebiet Gada auf dem Programm, und exemplarisch die Firma Noweda. "Wir packen Päckchen für Apotheken", erklärt Karl Josef Paulweber sein Kerngeschäft. Aber natürlich ist alles etwas komplizierter. 110 000 Wannen mit medizinischen Präparaten liefert die Firma zwischen Bodensee und Nürnberg an die Apotheken aus - und das in kürzester Zeit. Im Lager zeigt Paulweber dem Ministerpräsidenten zwei mehr als zehn Meter lange Kühlschränke. Hier sind Medikament gelagerte. Sollte die Temperatur einmal über sieben Grad steigen, ist der Inhalt, der gut eine Million Euro wert ist, auf einen Schlag nur noch Müll.

Müll - das ist auch der Rohstoff, den Noweda mittelbar für die Kühlung nutzt. Die kommunale Fernwärme Bergkirchen GmbH versorgt das gesamte Gewerbegebiet mit Fernwärme aus der nahe gelegenen kommunalen Müllverbrennungsanlage Geiselbullach. Das klingt paradox, aber mit Hitze kann man auch kühlen. Noweda ist nicht die einzige Firma, die die 130 Grad Prozesshitze technisch nutzt. Die Glockenbäckerei, die Rewe beliefert, bäckt damit Brot und Brezen, die Firma ProfiMiet wärmt das Spülwasser, mit dem die Tabletts von der Wiesn saubergemacht werden.

Bis 2014 will Bergkirchens Bürgermeister Simon Landmann (CSU) auch 500 Privathaushalte anschließen, denn immer noch gehen 70 Prozent der Wärme aus der Müllverbrennungsanlage ungenutzt in die Luft. Aber das sei nicht so leicht. Ohne staatliche Förderung sei der Ausbau des Fernwärmenetzes um nur einen weiteren Kilometer schon nicht mehr machbar: zu unwirtschaftlich. Das findet auch Landrat Hansjörg Christmann (CSU) schade; "Wir müssen das, was vorhanden ist, optimal nutzen."

Die Energiewende, das ist das überwölbende Thema dieses kleinen Gipfeltreffens: Eine dezentrale Energieversorgung, so formuliert Landrat Christmann seine Kernthese, müsse zu einem "Teil der Daseinsvorsorge" werden. Als Christmann 1977 Landrat wurde, hatten viele Weiler im Landkreis noch kein fließend Wasser. Dank des Zusammenspiels kommunaler und staatlicher Stellen ist die Wasserversorgung heute flächendeckend gewährleistet. Dieses Kunststück gilt es nun auf der Ebene der Energieversorgung zu wiederholen.

Doch welches Konzept entwickeln wir für die Zukunft?" Christmanns Frage zeigt, dass es bei allem Gerede über Energiewende aus Sicht der Kommunen noch gar keinen klaren Fahrplan gibt. Mehr noch: In manchen Bereichen herrscht reines Tohuwabohu. Beispiel Solarförderung: Auf einmal soll die Einspeisevergütung kräftig reduziert werden, so plant es die Bundesregierung. Für ein Unternehmen wie das Sulzemooser Photovoltaikhaus Phoenix Solar ein Fiasko.

Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln - das ist für mich nicht ganz nachvollziehbar", kritisiert auch Christmann. Seehofer findet eine Kürzung zwar richtig, aber nicht über Nacht. "Der Vertrauensschutz muss gewährleistet sein." Und verspricht, dass er versuchen wolle, "zu retten, was zu retten ist". Das sei freilich "nicht nur mit Wohlverhalten" zu erreichen. Im Klartext: Die CSU riskiert einen neuerlichen Krach in der Berliner Koalition.

Thomas König, Vorsitzender der GfA, die die Müllverbrennungsanlage betreibt, wirbt für einen Umbau der kommunalen Müllverbrennungsanlagen in Energieversorgungsbetriebe. Das sei einfacher durchzusetzen als auf der grünen Wiese Windkraftanlagen zu errichten. "Wir werden nicht geliebt", sagt König, "aber wir werden akzeptiert."

Windkraft soll und muss es trotzdem im Landkreis geben - "aber mit Augenmaß", wie der Landrat sagt. Die im gemeinsamen Flächennutzungsplan festgeschriebenen 900 Meter Abstand von Windrädern zur Wohnbebauung, seien "sicherlich kein wissenschaftlicher Wert". Aber einer, den die allermeisten Anlieger auch akzeptieren könnten. Seehofer zeigt sich angemessen beeindruckt: Was er in Bergkirchen gesehen habe, sei "schon fast visionär".

Dann geht es mit 120 Sachen und Blaulicht über Land weiter nach Vierkirchen zur mittelständischen Firma MicroNova, die dieses Jahr ihr 25-jähriges Bestehen feiert. MicroNova testet für Automobilhersteller das Zusammenspiel elektronischer Systeme, unter anderem. Was für Seehofer, der auch lange Jahre Bundesgesundheitsminister war, aber viel interessanter ist: MicroNova hat nach eigenen Angaben erstmals "ein universale Lösung gefunden, in dem medizinische Daten schnell und sicher zusammengeführt werden. In einem System, das bis heute aus "2000 IT-Insellösungen" bestehe, sei das "eine kleine bayerische Revolution".

Der Clou an dem Modell: Jeder Patient hat allein Zugriff auf seine Daten, kann sie aber bei Bedarf - etwa bei der Überweisung zu einem anderen Arzt - für diesen freigeben. Unnötige Mehrfachuntersuchungen oder -medikationen wären dann vermeidbar. Das würde auch Kosten senken. Laut MicroNova gut zehn Prozent, was deutschlandweit 16 Milliarden Euro entspräche. Das neue Ärztenetz wäre damit locker zu finanzieren. So zumindest ist die Theorie.

Firmenchef Karl macht dann den Fehler, die gute Zusammenarbeit mit der Sparkasse zu loben. Seehofer nutzt das Stichwort, um daran zu erinnern, dass der Freistaat beim Landesbank-Debakel fünf Milliarden auf seine Kappe genommen hat, die eigentlich die Sparkassen hätten tragen müssen: ein erstaunlich unverfrorener Seitenhieb gegen Gastgeber Hansjörg Christmann, der auch Präsident des Bayerischen Sparkassenverbandes ist. Christmann schaut etwas verstört, Seehofer grinst.

Dann fliegt er weiter nach Berlin. Großer Zapfenstreich. Die große Politik.

© SZ vom 09.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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