Geheimtreffen:"Wir stufen selbst ein, wer rechtsextrem ist"

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Der Dachauer AfD-Stadtrat Jürgen Henritzi will sich zu dem Treffen seiner Parteikollegen mit Rechtsextremisten nicht äußern - wie so oft. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Hochrangige AfD-Politiker haben einem Bericht zufolge mit Neonazis und Unternehmern darüber gesprochen, wie Millionen von Menschen aus Deutschland vertrieben werden können. Was die Dachauer Parteimitglieder zu dem brisanten Treffen sagen.

Von Anna Schwarz, Dachau

Hochrangige AfD-Mitglieder haben Ende November mit Neonazis und spendenwilligen Unternehmern über die so genannte "Remigration" von Millionen Menschen aus Deutschland gesprochen. Laut einem Bericht des Recherchenetzwerks Correctiv wurde bei dem Treffen in einem Landhotel bei Potsdam mit gut zwei Dutzend Teilnehmern ein Plan vorgestellt, wie man die "Remigration" von Zuwanderern aus Deutschland vorantreiben könne, also eine Vertreibung von Millionen Migranten. Dieses Vorhaben wurde von den Teilnehmern unterstützt: Nach dem Willen der Rechtsradikalen sollen nicht nur Menschen ohne deutschen Pass das Land verlassen müssen, sondern auch deutsche Staatsbürger mit internationalen Wurzeln, die ihnen nicht passen.

Fragt man AfD-Politiker aus dem Landkreis Dachau nach ihrer Meinung zu dem Geheimtreffen, wollen sich diese entweder nicht dazu äußern oder sich nicht von dem Inhalt davon distanzieren. Das Telefonat mit Jürgen Henritzi, der zuletzt als AfD-Direktkandidat bei der Landtagswahl antrat, dauert etwa eine halbe Minute. Der Dachauer Stadtrat ist stellvertretender Vorsitzender des AfD-Kreisverbandes Dachau und sagt lediglich, dass er zu dem Geheimtreffen von seinen Parteikollegen mit Rechtsextremisten grundsätzlich nichts sagen möchte. Als Grund nennt er: "Da hätte ich ja viel zu tun, wenn ich zu allem, was in der Welt passiert, Stellung beziehen würde", dann wünscht er einen schönen Tag und legt auf. Bereits im Landtagswahlkampf blieb Henritzi eher unsichtbar, ließ Presseanfragen unbeantwortet und kam nicht zu Podiumsdiskussionen mit anderen Landtagskandidaten.

Die Verschwörungserzählung vom Bevölkerungsaustausch

An dem Geheimtreffen in Brandenburg teilgenommen haben etwa der frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Roland Hartwig, die Inninger Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy sowie der AfD-Fraktionsvorsitzende in Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund. Eingeladen war auch der Österreicher Martin Sellner, der ein "Gesamtkonzept im Sinne eines Masterplans" vorstellen sollte. Der langjährige Kopf der "Identitären Bewegung" gilt in der rechtsextremen Szene als Vordenker, er hat unter anderem das Buch "Bevölkerungsaustausch und Great Reset" veröffentlicht. Darin verbreitet Sellner die in rechtsextremen Kreisen populäre Verschwörungserzählung, dass die angestammte Bevölkerung Europas durch Zuwanderer ersetzt werden würde, befördert durch "globalistische" und linke Eliten. Bei dem Treffen in Brandenburg wurde laut Correctiv debattiert, wie diese angebliche Entwicklung umgekehrt werden könne.

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Auf SZ-Anfrage will sich auch Dietmar Renner, der Vorsitzende des AfD-Kreisverbandes Dachau und Odelzhausener Gemeinderat, nicht zu dem Treffen äußern, bei dem seine Parteikollegen unter anderem aus der Bundes-AfD mitdiskutierten. Renner schreibt per Mail: "Der Kreisverband Dachau ist bezüglich dieser Thematik sicherlich nicht der richtige Ansprechpartner." Renner verweist auf den Pressesprecher der Partei in Berlin. Unterzutauchen, wenn nach der eigenen politischen Meinung gefragt wird, scheint wohl zum Umgangston der AfD zu gehören.

Die Bundes-AfD teilte mit, das Treffen bei Potsdam sei kein AfD-Termin gewesen. Die Einwanderungspolitik sei im Parteiprogramm nachzulesen. Darin fordert die Partei zwar einen Stopp der Asylzuwanderung und eine Abschiebung von Ausreisepflichtigen, nicht jedoch eine Ausreise von Menschen, die deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund sind.

Michael Stauch ist AfD-Kreisrat und stellt die Kompetenz des Verfassungsschutzes in Frage. (Foto: Niels P. Joergensen)
Markus Kellerer sitzt für die AfD im Dachauer Stadtrat. Er sieht in dem Treffen seiner Parteikollegen mit Rechtsextremisten kein Problem. (Foto: privat)

Michael Stauch sitzt für die AfD im Dachauer Kreistag. Für ihn sei zwar "klar, dass man keine Deutschen abschieben kann", trotzdem stehe er hinter seinen Parteikollegen, die bei dem Treffen dabei gewesen sind: "Sie sind frei gewählte Abgeordnete und können selbst entscheiden, mit wem sie sich treffen." Auf die Frage, wie er es finde, dass seine Parteikollegen sich mit Rechtsextremen wie Martin Sellner treffen, stellt er die Kompetenz des Verfassungsschutzes infrage: "Wer rechtsextrem ist, stufen wir selbst ein und nicht der Verfassungsschutz", sagt Stauch.

Auch Markus Kellerer, AfD-Stadtrat in Dachau, erklärt am Telefon, dass er kein Problem damit habe, dass sich seine Parteikollegen mit Rechtsextremen getroffen haben, er sagt: "Rechtsextrem ist ein sehr weit gefasster Begriff", schließlich hätten die Berichterstatter die Teilnehmer so eingestuft. Für ihn sei das Treffen lediglich eine Buchvorstellung gewesen, "ein ganz normales Netzwerktreffen zum Gedankenaustausch", sagt Kellerer und fügt hinzu: "Man wird wohl noch gewisse Theorien besprechen dürfen."

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Auf Nachfrage lehnt er die Idee jedoch ab, Menschen mit Migrationshintergrund und deutschem Pass abzuschieben. Auch die Bücher des rechtsextremen Aktivisten Martin Sellner habe er zum Teil gelesen, sagt Kellerer. Er gehe aber nicht davon aus, dass es Plan der Linken und Eliten sei, die einheimische Bevölkerung Europas durch Zuwanderer zu ersetzen. Kellerer behauptet aber, dass ein Großteil der Jugendlichen in Städten Migrationshintergrund habe: "Das finden wir nicht so toll."

Ausländeranteil unter Jugendlichen im Landkreis bei 13,6 Prozent

Für den Landkreis Dachau stimmt diese Aussage nicht. Auf Anfrage beim Landratsamt Dachau schreibt Pressesprecherin Sina Török, dass von den insgesamt 27 412 Kindern und Jugendlichen, die 2022 im Landkreis lebten, 3733 Personen einen nicht-deutschem Pass hatten, der Ausländeranteil lag also bei 13,6 Prozent.

Kellerer befürchtet, dass die Kriminalität ansteige, wenn mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund hier leben. Die polizeiliche Kriminalstatistik in Bayern zeigt jedoch, dass die meisten Tatverdächtigen im Jahr 2022 Deutsche waren: Von den insgesamt 256 035 Tatverdächtigen (ohne ausländerrechtliche Verstöße) waren 162 660 Deutsche und 93 375 Nichtdeutsche - ein Anteil von 36,5 Prozent. Unter den nicht-deutschen Tatverdächtigen befanden sich 26 588 Zuwanderer. Dazu zählen etwa Asylbewerber, Geduldete und Flüchtlinge, sie haben einen Anteil an allen Tatverdächtigen von 10,4 Prozent.

Nachdem das Geheimtreffen bei Potsdam bekannt wurde, hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Schutz aller Menschen durch das Grundgesetz betont. "Wir lassen nicht zu, dass jemand das 'Wir' in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht", erklärte er auf der Internetplattform X, vormals Twitter: "Wir schützen alle - unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder wie unbequem jemand für Fanatiker mit Assimilationsfantasien ist."

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