Es wird gerne von "Aufwertung" gesprochen, wenn sich wieder mal ein Viertel dahingehend entwickelt, dass es sich normal und selbst ziemlich gut verdienende Menschen nicht mehr leisten können, dort zu wohnen. Oftmals übernehmen sogar Kritiker dieser Entwicklungen den Investorenbegriff. Warum eigentlich?
Am Ende passiert doch eigentlich das Gegenteil: Das, was den Charakter eines Viertels ausgemacht hat, verschwindet. Das, was stattdessen dort hingebaut wird, sieht oft sehr gleich aus. Was immer wieder neu aussieht, das sind die Preise, die es kostet, ein Stück vom Gleichmacherkuchen zu erwerben. Sie steigen immer weiter, ein Ende ist nicht absehbar.
Denkmalschutz:Wenn der Charakter Obergiesings auf dem Spiel steht
In der Feldmüllersiedlung fanden im 19. Jahrhundert viele Arbeiter ein Zuhause. Der illegale Abriss eines Hauses zeigt: Gentrifizierung macht vor dem Stadtteil nicht Halt.
Anderthalb Zimmer, 40 Quadratmeter, für eine halbe Million Euro. Zwei Zimmer, 60 Quadratmeter, für 750 000 Euro. Vier Zimmer, 104 Quadratmeter, für 1 088 000 Euro. Die drei Beispiele sind ein Auszug aus der Preisliste der Bayerischen Hausbau für das Objekt "Am Alten Eiswerk" auf dem ehemaligen Paulaner-Areal in der Au. Bis 2023 sollen dort in mehreren Bauabschnitten insgesamt 1500 Wohnungen entstehen, es handelt sich um einen der größten Umstrukturierungsprozesse im inneren Bereich der Stadt.
Am Mittwoch verschickte das Unternehmen der Schörghuber-Gruppe die Liste an Interessenten, 213 Wohnungen stehen darauf, davon 27 mit dem Vermerk "reserviert". Die Sorge vor einem Luxusquartier sei unbegründet, schreibt die Bayerische Hausbau auf ihrer Internetseite. "Allein schon die Vorgaben der Stadt sorgen dafür, dass die übliche Münchner Mischung entstehen wird." Es werde Produkte in unterschiedlichen Preisklassen geben.
Das ist nicht zu bestreiten, die Quadratmeterpreise der Wohnungen sind in der Tat unterschiedlich. Sie reichen von 9300 Euro pro Quadratmeter bis zu knapp 16 000. Der Großteil liegt bei 11 000 bis 13 000 Euro. In die Luxus-Kategorie fällt dann wohl erst die Spitze: siebter Stock, 164 Quadratmeter, 3 280 000 Euro. Oder 189 Quadratmeter für 3 800 000 Euro. Wer sich noch traut, hier einen Quadratmeterpreis zu berechnen, kommt auf 20 105 Euro. Da fällt der Tiefgaragenstellplatz für 42 000 bis 47 000 Euro eigentlich auch kaum noch ins Gewicht.
Tja, sagt Stephan Kippes, wenn man ihn fragt, ob das noch normal sei, tja. Kippes leitet das Marktforschungsinstitut des Immobilienverbands Deutschland (IVD) Süd, alle paar Monate untersuchen seine Mitarbeiter und er die Entwicklungen auf dem Miet- und Kaufmarkt; regelmäßig fällt bei den Pressekonferenzen der Satz: "Der Wahnsinn geht weiter." Man könne ja mal vergleichen, sagt Kippes also. Bei Wohnungen in sehr guter Lage und mit sehr guter Ausstattung lag der durchschnittliche Kaufpreis in seinem Marktbericht im vergangenen Herbst bei 9500 Euro, im Frühjahr dann bei 9900 Euro pro Quadratmeter.
"Die Frage ist, ob es jetzt fünfstellig wird." Fünfstellig, die Wohnungen am alten Eiswerk - Baubeginn ist im kommenden Frühjahr - sind es schon. Und die Lage? "Es ist nicht der Herzogpark", sagt Kippes, "aber schon eine tolle Gegend". In der Au zögen die Preise generell an, "allerdings bei Bestandsobjekten nicht ganz so deutlich". Die hohen Kaufpreise würden sich freilich später auf die Mieten übertragen.
"Die Preise sind schlichtweg unanständig"
Gemäß der Münchner Mischung entstehen auf 30 Prozent der Fläche auch einkommensorientiert geförderte Mietwohnungen und Wohnungen im München-Modell. Die Bayerische Hausbau verweist zudem auf 290 Miet- und 30 Werkswohnungen, die an der Welfenstraße gebaut werden. Manchen beruhigt dies indes nicht unbedingt.
Die Preisliste hat schon vor einer Veröffentlichung in der SZ viele Leserreaktionen ausgelöst. "Die Preise sind schlichtweg unanständig und selbst für Menschen mit einem guten Einkommen nicht zu bezahlen", schreibt einer. Ein anderer wiederum befürchtet, "dass ein weiteres Ferienquartier für reiche Personen entsteht, welche die Wohnungen vier Wochen im Jahr nutzen und den Rest des Jahres leer stehen lassen".
Auf Anfrage teilt die Bayerische Hausbau mit: "Natürlich wird die Preisentwicklung in München von einigen unserer Interessenten auch kritisch betrachtet. Gleichwohl ist dies eine Entwicklung, die den gesamten Immobilienmarkt betrifft." Das Angebot am alten Eiswerk in der Au stoße auf großes Interesse, man habe schon viele Reservierungen vermerken können. Die Resonanz belege, "dass wir uns absolut auf Marktniveau bewegen".