Stil der Ampel-Regierung:So geht's auch

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Guter Verlierer: der unterlegene Kanzlerkandidat Armin Laschet (rechts) mit Olaf Scholz und Robert Habeck im Bundestag. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

SPD, Grüne und FDP werden nicht derart einträchtig bleiben, wie sie sich geben. Aber eine Utopie von Politik lieferten sie. Da staunt die CDU.

Kommentar von Tanja Rest

Armin Laschet hat die kommende Regierung gelobt. "Glückwunsch an Ampel-Koalition vor allem zu Stil und Form der Verhandlungen", schrieb er auf Twitter. "Vertraulichkeit ist eine wichtige Voraussetzung für Vertrauen. Das muss auch die Union wieder lernen." Man kann Gift darauf nehmen, dass das aus tiefstem Herzen kam. Zur Erinnerung: Armin Laschet war jener Kanzlerkandidat der Union, der mitten im Wahlkampf von den eigenen Leuten attackiert wurde, weil sie ihn entweder nicht aggressiv oder nicht kanzlerhaft genug fanden und den Kanzlerkandidaten der Herzen sowieso in München wähnten (vor allem der so Bezeichnete tat das). Es ist nicht auszuschließen, dass das miese Ergebnis der Union dann auch mit folgender Überlegung des Wahlvolks zu tun hatte: Hmmm, so verächtlich, wie die Herrschaften einander behandeln - so werden sie später vielleicht auch mich und meine Stimme behandeln. Interessanterweise ist dies eine Überlegung, der sonst immer die SPD zum Opfer fiel.

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Was die Umgangsformen in der Politik angeht, so gibt es in diesem Land zwei extreme Haltungen, und dazwischen wenig. Die einen, nennen wir sie die Kätzchenvideogucker, suchen schon dann verstört das Weite, wenn zwischen dem allgemeinen Schnurren und putzigen Gekuschel einmal kurz die Krallen ausgefahren werden. Die anderen, nennen wir sie die Splatter-Genießer, langweilen sich unverzüglich zu Tode, wenn nicht ordentlich Köpfe rollen und Eingeweide spritzen. Mit Stil hat weder das eine noch das andere zu tun. Hinter zu großem Einvernehmen verbirgt sich zwangsläufig Heuchelei, permanentes aufeinander Eindreschen dient weniger der Sache als der Befriedigung eines kleinen Egos vor großem Publikum. Beides, die Heuchelei wie die Eitelkeit, sind eher unangenehme Eigenschaften, ohne die die Politik sehr gut auskommen könnte, aber niemals wird.

Es gibt für diesen Stil ein schönes deutsches Wort

Guter Stil im Kabinett, im Bundestag wie in allen anderen Arenen des gesellschaftlichen Mit- und Gegeneinanders: Das bedeutet, sich zu fetzen, auch mal hart, und zwar in der Sache, damit man sich hinterher wieder in die Augen sehen kann. Es gibt dafür ein schönes deutsches, leider völlig aus der Mode gekommenes Wort: Sportsgeist. Den hat die Ampel-Koalition, obwohl noch gar nicht im Amt, tatsächlich im Stil und in der Form bewiesen. Zum einen in ihrer Bereitschaft zum Kompromiss angesichts drängender Sachthemen. Zum anderen in ihrem Verzicht auf jeglichen Ego-Trip, indem von den gewiss heftigen Scharmützeln am Verhandlungstisch kein Sterbenswort nach draußen drang.

Auf diese "vertrauensvolle Zusammenarbeit" (Scholz), das "gedeihliche Miteinander" (Lindner) und dass "man auch schon mal rhetorisch ein bisschen zugelangt, sich dann aber auch immer wieder eingefangen" hat (Habeck), sind sie jetzt so stolz, dass sie sich am Mittwoch gar nicht mehr einkriegten und es den lieben Wählerinnen und Wählern sowie der zukünftigen Opposition durchaus selbstgefällig unter die Nase rieben (Eitelkeit in der Politik siehe oben). Für die zerstrittene Union wird es auch in dieser Hinsicht ein tiefschwarzer Tag gewesen sein. Nun ist nicht zu erwarten, dass die Eintracht anhält. Als Utopie aber hatte dieser Mittwoch was: Politiker, die nicht einzeln an ihrer Karriere, sondern gemeinsam an Inhalten arbeiten, das wäre nicht nur stilvoll, das wäre auch ungeheuer smart.

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