Bildungspolitik:Was für ein undankbarer Job

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Neu in Söders Kabinett: Bayerns Kultusministerin Anna Stolz. (Foto: Frank Hörmann/Sven Simon/Imago)

Kultusministerin zu werden, ist eine Ehre - aber auch ein Job, bei dem man von Besserwissern umzingelt ist. In Bayern tritt Anna Stolz von den Freien Wählern das undankbare Amt an.

Kommentar von Kathrin Müller-Lancé

Das war es also. Michael Piazolo von den Freien Wählern ist seit der Vereidigung des neuen Kabinetts an diesem Mittwoch nicht mehr bayerischer Kultusminister, auf ihn folgt seine bisherige Staatssekretärin Anna Stolz. Damit hatten viele nicht gerechnet; Piazolo galt als ehemaliger Hochschulprofessor als gut geeignet für den Job. Während sein Parteichef Hubert Aiwanger in Bierzelten polterte, gab er den städtischen Intellektuellen. Trotzdem waren auf dem Höhepunkt der Pandemie einer Umfrage zufolge fast drei Viertel der Bayern unzufrieden mit seiner Politik. Ganz überraschend ist Piazolos Abberufung also nicht. Das Amt des Kultusministers ist eines, mit dem man wenig gewinnen, aber viel verlieren kann.

In Baden-Württemberg scheiterte die damalige Kultusministerin Susanne Eisenmann vor zwei Jahren ziemlich krachend bei ihrem Versuch, Ministerpräsidentin zu werden - und fuhr das schlechteste Ergebnis ein, das die CDU in dem Bundesland je hatte.

Jeder saß irgendwann selbst im Klassenzimmer. Und weiß heute alles besser

Schon in den Siebzigerjahren bekam der damalige bayerische Kultusminister Hans Maier vor seinem Amtsantritt ein Telegramm von seinem Freund Bernhard Vogel, der Kultusminister von Rheinland-Pfalz war: "Willkommen im Kreis der Prügelknaben der Nation". Läuft es gut, bekommt man in diesem Amt wenig Applaus, läuft es schlecht, dröhnt die Kritik umso lauter. Wer in der Politik Karriere machen will, lässt besser die Finger davon, lautet ein inoffizieller Merksatz. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe.

Zunächst haben Kultusminister mit einem Phänomen zu kämpfen, das man von Fußballtrainern kennt: Die Erwartungen sind riesig, viele Menschen interessieren sich für das Thema, und viele haben das Gefühl, sie wüssten, was man besser machen kann. Bei der Bildungspolitik liegt das auf der Hand, jeder hat Schulkinder in der Familie oder im Freundeskreis, jeder saß irgendwann selbst im Klassenzimmer.

Hinzu kommt der Föderalismus. Zur Kultusministerkonferenz gehören Ministerinnen und Minister aus 16 Ländern, die nicht nur unterschiedliche Parteien, sondern auch föderale Interessen vertreten. Das große, reiche Bayern hat andere Vorstellungen als das kleine, arme Bremen. Und es gibt ja noch den Bund, der sich - auch wenn Schule eigentlich Ländersache ist - hin und wieder in der Bildungspolitik profilieren will. Dann streitet man schon mal monatelang darüber, wer wie viel Geld zahlt und wie es verteilt werden soll. So wie aktuell beim Startchancenprogramm, mit dem arme Schüler gefördert werden sollen.

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Schließlich ist da noch der Faktor Zeit: Bis die Veränderungen, die eine Kultusministerin angestoßen hat, an den Schulen ankommen, vergeht in der Regel mehr als eine Legislatur. Eine Lehrerausbildung dauert sieben bis acht Jahre. Dann ist die Ministerin, die neue Stellen geschaffen hat, womöglich nicht mehr im Amt. Umgekehrt müssen die aktuellen Amtsinhaber Fehler ausbaden, die ihre Vorgänger gemacht haben.

Es gibt Ausnahmen von der Regel, der Hamburger Schulsenator Ties Rabe (SPD) hat es sich schon seit mehr als zehn Jahren auf dem vermeintlichen Schleudersitz gemütlich gemacht. Vielleicht hat es auch mit dieser Ausdauer zu tun, dass sein Land in Bildungsvergleichen sehr gut abschneidet. Schleswig-Holsteins Kultusministerin Karin Prien ist als Bildungspolitikerin immerhin eine von fünf stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU. Wie weit Bayerns neue Kultusministerin Anna Stolz mit ihrem Amt kommt? Abwarten. Man kann den Schulen nur wünschen, dass sie etwas daraus macht.

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