Bundestagswahl:C wie Chaos

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Das Hauptquartier der CDU vor einer Pressekonferenz - in welche Richtung wird die Partei gehen. (Foto: AP)

Die CDU hat jetzt zwar geklärt, mit wem an der Spitze sie in den Wahlkampf zieht. Aber damit steht sie gleich vor der nächsten Frage: Für was soll sie kämpfen?

Kommentar von Robert Roßmann

Jetzt steht es endlich fest: Armin Laschet ist Kanzlerkandidat der Union. Der CDU-Chef hat sich durchgesetzt, Markus Söder seine Niederlage eingestanden. Doch wer glaubt, die Probleme der Union seien damit ausgestanden, liegt falsch. Das zeigen Söders neue Sticheleien. Der CSU-Chef hat am Dienstag mit der ihm manchmal eigenen Hinterfotzigkeit klargemacht, dass eigentlich er Kandidat hätte werden müssen. Gerade die Jungen und die Modernen seien für ihn gewesen, sagte Söder - und machte Laschet damit zum Kandidaten der Alten und Rückwärtsgewandten.

Die Union hat jetzt zwar geklärt, mit wem an der Spitze sie in die Wahl zieht. Aber damit steht sie gleich vor dem nächsten Problem: Für was soll sie kämpfen? Der Kandidatenstreit hat verdeckt, dass die Union darauf noch keine Antwort hat. SPD und Grüne, die anderen beiden Kanzlerkandidaten-Parteien, haben bereits Entwürfe für ihre Wahlprogramme vorgelegt. Doch bei der CDU herrscht inhaltliche Leere. Laschet hat lediglich einen "Beteiligungsprozess" für ein Wahlprogramm gestartet, Ergebnis offen.

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Armin Laschet hätte im Duell mit Markus Söder alles verlieren können, doch nach heftigem Ringen und groben eigenen Fehlern schafft er es am Ende doch noch - wieder einmal.

Von Boris Herrmann, Berlin, und Christian Wernicke, Düsseldorf

Nach 16 Jahren an der Regierung ist die Partei auch personell erschöpft

"Ab jetzt zählt: Welche Partei hat die besten Konzepte für die Zukunft des Landes", sagt Laschet. Das stimmt. Aber genau das ist das Problem der CDU. Denn es gibt keine Partei, die dringender klarmachen müsste, für was sie steht. In den vergangenen Jahren ist die CDU nur mit drei Botschaften durchgedrungen: Keine Steuererhöhungen, schwarze Null und Angela Merkel als Kanzlerin. Schon das war armselig wenig. Aber jetzt gibt es nicht einmal mehr das. Die schwarze Null im Haushalt gilt nicht mehr. Angela Merkel tritt nicht mehr an. Und wegen der enormen Kosten der Pandemiebekämpfung wird die Union auch ihr Versprechen, prinzipiell gegen Steuererhöhungen zu sein, nicht halten können.

Nach 16 Jahren an der Regierung ist die Partei aber nicht nur inhaltlich ausgelaugt, sondern auch personell erschöpft. Mit Bundesministern wie Peter Altmaier oder Anja Karliczek gewinnt man keine Wahl. Das gilt auch für stellvertretende CDU-Vorsitzende wie Thomas Strobl oder Silvia Breher. Auch Armin Laschet ist - wie seine Umfragewerte zeigen - kein geborener Menschenfänger.

Der CDU-Chef wird jetzt ein breites Team präsentieren müssen, um diese Defizite auszugleichen. Er wird einen Generationswechsel einleiten müssen. Und die Partei muss sich fragen, ob ihre Strukturen durchlässig genug sind - ob die Spitze wirklich noch weiß, was die Basis will.

Eine "Lehmschicht" zwischen Basis und Spitze

Ein führender CSU-Politiker sagt, in der CDU verhindere eine "Lehmschicht", dass oben entschieden werde, was unten gewollt werde. Das habe die Debatte über den Kanzlerkandidaten gezeigt. Wenn große Teile der CDU-Basis für Söder seien, der CDU-Vorstand aber für Laschet votiere, stimme etwas nicht.

Das Vorgehen Söders war zwar ungehörig. Natürlich ist der CDU-Vorstand legitimiert, einen Kanzlerkandidaten auszurufen. Der Vorstand ist nicht von irgendeiner obskuren Macht eingesetzt, sondern gerade erst von 1001 Delegierten gewählt worden. Dass Söder mit seinem Verweis auf die "Basis" trotzdem Druck erzeugen konnte, liegt daran, dass es die "Lehmschicht" in der CDU tatsächlich gibt.

Ralph Brinkhaus ist gegen den erklärten Willen der damaligen Parteichefs zum Vorsitzenden der Unionsfraktion gewählt worden, Angela Merkel und Horst Seehofer hatten die Stimmung falsch eingeschätzt. Dass Friedrich Merz nach einem Jahrzehnt außerhalb der Politik gleich zweimal hintereinander fast CDU-Chef geworden wäre, hätte der Führung ebenfalls zu denken geben müssen.

Parteichefs, Vorstände und Parteitage müssen nicht automatisch den Kandidaten küren, der in Umfragen vorne liegt. Wenn man das nicht tut, muss man seinen Mitgliedern aber zumindest erklären können, warum man es anders hält. Das ist der CDU-Spitze in der vergangenen Woche nicht gelungen. Nicht nur die Umfragen sprechen für Söder. Auch die Rückmeldungen aus den Landesvorständen, von den Kreisvorsitzenden und aus den Vereinigungen der CDU waren mehrheitlich pro Söder.

Laschets Aufgabe, Kanzler zu werden, ist nun noch schwerer geworden

Trotzdem ist jetzt Laschet Kanzlerkandidat. Die Union zwischen CDU und CSU ist deshalb zwar nicht zerbrochen. Aber zwischen den Schwesterparteien und innerhalb der CDU hat die Art, wie Laschet nominiert wurde, gewaltige Risse aufgetan. Dass die CSU Söder zum Kanzlerkandidaten der Herzen stilisiert, den die CDU-Basis eigentlich gewollt habe, macht es nicht leichter, diese Risse wieder zu kitten.

Eine zerstrittene Partei ohne überzeugendes Programm und Personal aber wird es schwer haben, im Wahlkampf zu reüssieren. Laschet mag jetzt Kanzlerkandidat sein. Angesichts seiner Ausgangslage ist das für ihn persönlich ein gewaltiger Erfolg. Doch seine eigentliche Aufgabe, das Kanzleramt in Händen der Union zu halten, ist durch die vergangene Woche deutlich schwerer geworden. Sieben Tage lang stand das C in CDU für Chaos. Derlei verzeihen gerade Wähler der Union nur schwer.

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