Politik in Bayern:Söder lässt Führungsstärke vermissen

Lesezeit: 2 min

Hubert Aiwanger (links) und Markus Söder im Münchner Hofgarten: Der eine redet schräg daher, der andere knurrt nur leise. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Warum feuert Ministerpräsident Markus Söder seinen irrlichternden Vize Hubert Aiwanger nicht?

Kommentar von Andreas Glas

Wem Markus Söder bislang zu subtil war, der weiß nun endlich, wie der CSU-Chef die Rollenverteilung im gemeinsamen Wahlkampf mit der CDU sieht. "Ich bin der Antreiber", sagte Söder im ZDF-Sommerinterview. Fast schon ermüdend, wie er in ständiger Wiederkehr versucht, CDU-Chef Armin Laschet wachzurütteln, der ihm als Kanzlerkandidat zu passiv ist. Söder, der Antreiber, keine ganz falsche Selbstbeschreibung, bundespolitisch betrachtet. Daheim in Bayern? Ist das anders. Dort treibt Söder nicht an. Er lässt sich treiben.

Popstar der Impfskeptiker

Natürlich ist es nicht freundlich, was Bayerns Ministerpräsident gerade so sagt über seinen Vize, den Wirtschaftsminister und Freie-Wähler-Parteichef Hubert Aiwanger. Dass Aiwanger plötzlich Popstar der Impfskeptiker ist, dass er Apartheid-Vergleiche anstellt, eine "Jagd" auf Ungeimpfte beschwört und mindestens schräg über die Wirksamkeit der Impfstoffe spricht? "Nicht gut", sagt Söder. Er habe "a bissl" Sorge, dass sich Aiwanger "in eine Ecke manövriert", in der AfD und Querdenker sitzen. Ja, Söder grenzt sich ab von seinem Stellvertreter, keine Frage. Aber er greift nicht durch. Er lässt vermissen, was ihm sonst durch jede Pore fährt: Führungsstärke.

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Für Söder sind es ja in aller Regel die anderen, die rumeiern, Stichwort: Laschet. Eine Einschätzung, die in der Pandemie oft genug stimmte, das sollte man aus Fairnessgründen dazusagen. Aber jetzt, in der Causa Aiwanger? Kommt von Söder, nun ja, a bissl wenig. Allein im ZDF-Sommerinterview duckte er sich zweimal weg vor der Frage, ob er den Minister Aiwanger nicht feuern müsse. Eine Frage, die man stellen muss, wenn der Vize den Corona-Kurs der Regierungskoalition derart torpediert. Statt eines echten Ultimatums bekam das Publikum von Söder zu hören, dass er im Kabinett "sehr gut" mit Aiwanger zusammenarbeite.

Dass Söder seinen Vize so sicher nicht einbremsen wird, zeigt dessen Reaktion auf das Sommerinterview. Eine "Unverschämtheit", ihn als Querdenker abzustempeln, polterte Aiwanger, der allerdings in Kauf nimmt, dass sich Querdenker bei ihm verstanden fühlen. Sieht nicht so aus, als lasse sich Aiwanger so einfach bremsen. Er reizt den Konflikt aus, weil er weiß, dass Söder seinen Rauswurf scheut.

Die Furcht vor dem großen Knall

Wieso? Zu den zweifellos ehrenwerten Gründen gehört der Umstand, dass die Pandemie noch nicht vorbei ist. Mitten in einer Gesundheitskrise will Söder keinen Bruch der Koalition riskieren. Mit den Grünen stünde wohl Ersatz bereit - aber wie sähe das aus, mitten im Wahlkampf, in dem die CSU eben noch vehement vor den Grünen gewarnt hat? Dazu kommt, dass die CSU-Landtagsfraktion diesen weit weniger offenherzig gegenübersteht als ihr Parteichef.

Neuwahlen? Zu riskant, derzeit ist die CSU in Umfragen weit entfernt von ihren Ansprüchen, bei unter 40 Prozent. Dazu fürchtet Söder, dass ein Aiwanger-Rauswurf einen Knall produzieren könnte, der noch mehr Aufmerksamkeit auf die Freien Wähler lenkt. Schon jetzt liegt die Partei in Umfragen zur Bundestagswahl bei drei Prozent. Alles Stimmen, die eine stolze Partei wie die CSU eigentlich für sich beansprucht. Dass die in Bayern populären Freien Wähler der CSU noch mehr Stimmen klauen, will Söder unbedingt verhindern. Bevor er die Lage eskalieren lässt, dürfte der Ministerpräsident also noch eine Weile tun, was er am meisten hasst: sich treiben lassen.

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