"Tatort"-Serie in der ARD:Sie geben dem "Tatort" die Ehre

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Einmal im Jahr im Einsatz: Til Schweiger als Nick Tschiller. (Foto: NDR/Marion von der Mehden)

Heike Makatsch, Til Schweiger, Ulrich Tukur: Für prominente Namen im "Tatort" gehen die ARD-Sender erstaunliche Kompromisse ein.

Von Katharina Riehl

Es war an einem Montag Ende des Jahres 2013, als Bild wieder einmal am Tatort ermittelt hatte. Unter gewohnt doppelbödiger Überschrift ("Geheim-Waffe Makatsch") berichtete das Blatt von einem wahren Coup des Senders SWR für seinen Sonntagskrimi: "Bild erfuhr: Heike Makatsch (42, Tatsächlich Liebe) soll darin ermitteln!" Nach Til Schweiger hatte die ARD also den zweiten deutschen Kinostar (und so schrecklich viele gibt es davon ja nicht) in den Polizeidienst geholt.

Vergangenen Sonntag lief der "Event- Tatort" mit Makatsch in der ARD, und dass "Fünf Minuten Himmel" ein ziemlich schlechter Film war, sei hier nur der Vollständigkeit halber noch mal erwähnt. Vor allem aber ist der baden-württembergische Gentrifizierungskrimi mit der schwangeren Kommissarin ein hübsches kleines Lehrstück über den ganz großen öffentlich-rechtlichen Programmwahnsinn.

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Til Schweiger ist seit März 2013 Kommissar beim Tatort des NDR, und schon bei seiner Verpflichtung wurde betont, dass der Schauspieler und Hit-Produzent keinesfalls mehr als einen ARD-Krimi pro Jahr drehen wolle. Und an jenem Montag im Jahr 2013 beeilte sich der SWR mitzuteilen: Mit Heike Makatsch sei überhaupt nur ein einziger Tatort geplant. Fragt man heute dazu noch einmal nach beim SWR, heißt es, "sowohl Heike Makatsch als auch wir fanden es gut, die Möglichkeit zu nutzen, mit der Degeto zusätzlich zu unseren Regel- Tatorten zunächst eine Folge zu machen und dann weiterzusehen".

Die ARD wirft ihre Grundidee über den Haufen

Man könnte das als Missvertrauensvotum gegen Heike Makatsch verstehen. Sehr wahrscheinlich war es aber eher ein Misstrauensvotum gegen den Tatort. Warum sollte man sich als feste Kommissarin verpflichten lassen, wenn man auch als Special Guest auftreten und quasi außer Konkurrenz testlaufen kann.

Als der Tatort im Jahr 1970 erfunden wurde, war die Grundidee so charmant wie neu: Die neun Landesrundfunkanstalten erfanden jeweils einen eigenen Kommissar, der dann im jeweiligen Sendegebiet Mordfälle löste. Neun immer wiederkehrende Ermittler in verschiedenen Regionen des Landes. Derzeit sind es, inklusive Event- und sonstiger Sonderermittler: 22.

Natürlich werden heute deutlich mehr Abende mit Episoden der Krimireihe bespielt als 1970. Doch ein großer Charme der Reihe Tatort war ja auch immer die Wiedererkennbarkeit, das Wissen: Die Albernen ermitteln in Münster, die Misanthropen in Wien. Mit all den Einzeleinsätzen könnte das über kurz oder lang verloren gehen. Es ist schon etwas irre, dass die ARD aus lauter Vernarrtheit in das angebliche Quotenversprechen eines Kinostars die eigentliche Idee ihrer Reihe so bereitwillig über den Haufen wirft.

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Nicht nur Schweiger und Makatsch, auch andere der bekannteren Schauspieler im Tatort-Dienst ermitteln weniger häufig als die Kollegen, Maria Furtwängler und Ulrich Tukur etwa ebenfalls nur einmal pro Jahr; um die Zahl der für den Sonntagabend im Ersten geforderten Filme dann trotzdem liefern zu können, verpflichten die einzelnen Landesrundfunkanstalten deshalb ständig neue Kommissare; allein in Hamburg ermitteln zwei.

Makatsch in einer Szene der Folge "Fünf Minuten Himmel". (Foto: Ziegler Film; SWR/dpa)

Bei Stars wie Til Schweiger und Heike Makatsch ist die Seltenheit ihrer Auftritte Teil ihrer Marke im Tatort, man könnte auch sagen: Sie spielen nicht mehr einfach einen Kommissar; eher geben sie dem Tatort die Ehre. Wenn die Quote klingelt, ist man in der zu Verspannungen neigenden ARD dann doch erstaunlich flexibel.

Wie kompromissbereit man im Senderverbund ist, wenn es darum geht, sich und die Reihe Tatort mit prominenten Namen zu schmücken, das ließ sich Anfang des Jahres schon wirklich ausnehmend plastisch am Beispiel Til Schweigers bestaunen. Neben seines Ein-Film-Deals bekommt Schweiger ohnehin schon das höchste Tatort-Budget im Land für seine qualitativ fragwürdigen Panzerfaust-Rallyes - im Januar ließ die ARD ihn dann noch bereitwillig die Tagesschau von Terroristen stürmen, eine für den Sender ja nun auch nicht ganz unwichtige Marke. Nicht nur in der Redaktion der Nachrichtensendung war man mäßig begeistert über die Aktion.

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Til Schweiger, der mit seinem Doppel- Tatort Anfang 2016 dann ja auch noch ganz wunderbar seinen im Februar gestarteten Kino- Tatort bewerben konnte, lästerte nach dem Film mit der gekaperten Tagesschau dann noch bei Facebook sehr explizit über seine Ermittlerkollegen aus den anderen Städten. Der ein oder andere ARD-Verantwortliche mag an diesem Punkt dann doch darüber nachgedacht haben, ob Schweigers Glamourfaktor wirklich jeden Unsinn rechtfertigt.

Fragt man beim SWR nach der Motivation der Makatsch-Verpflichtung, betont Spielfilmchefin Martina Zöllner die Qualität der Schauspielerin - Prominenz sei für den Sender nicht ausschlaggebend gewesen. Auch mit der Quote ist man beim SWR offiziell zufrieden, weshalb einem weiteren Event- Tatort mit Makatsch also nicht viel im Wege stünde. Nur in Freiburg darf Ellen Berlinger dann nicht mehr ermitteln. Für den Schwarzwald hat die ARD inzwischen einen anderen Star gefunden. Und Harald Schmidt ermittelt immerhin zweimal im Jahr.

© SZ vom 01.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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