ARD:Makatsch-"Tatort": Baby Baby Baller Baller

Lesezeit: 3 Min.

Ellen Berlinger (Heike Makatsch) hat den verrückten Kurani (André Benndorff) am Schlawittchen. (Foto: SWR/Ziegler Film)

Heike Makatsch hat es als "Tatort"-Kommissarin nicht leicht: Sie ist schwanger, muss immer schlechte Laune haben - und dazu einen Mord aufklären. Das kann nur schiefgehen.

Kolumne von Johanna Bruckner

Darum geht es:

Um richtig kaputte Familien, Psycho-Hölle zu Hause quasi. Der Himmel kommt im ersten und vorerst einzigen Tatort mit Heike Makatsch als Kommissarin Ellen Berlinger auch vor. "Fünf Minuten Himmel" heißt die Episode, das ist eine Anspielung auf sogenannte "Choking Games", also Strangulationsspiele, die manche Menschen so ähnlich high machen sollen wie andere Menschen bestimmte Drogen. Kids ultrakaputter Freiburger Bohème-Familien spielen sie, um dem elterlichen Elend zu entkommen. Einen Mord gibt es natürlich auch, und der wird stringenterweise durch Erdrosseln mit einem Kabelbinder begangen. Das Opfer: Holger Kunath, Kundenbetreuer im örtlichen Jobcenter.

Offensichtliche Verdächtige gibt es genug: seine Frau (wurde von Kunath betrogen), sein Sohn Titus (weiß davon), seine Geliebte Cornelia Mai (eine Jobcenter-Kundin, die wegen Kunath aus ihrer Wohnung zu fliegen droht), den verrückten Kurani (flog wegen Kunath aus seiner Wohnung), Immobilienhai Rüdiger Fest (bestach Kunath). Da muss man erst mal durchsteigen. Zumal, wenn man parallel die eigene familiäre Vergangenheit aufzuarbeiten hat wie Kommissarin Berlinger. Die kommt vom BKA, allerdings mit Dienstsitz London und sieht in Freiburg zum ersten Mal nach 15 Jahren ihre Mutter und ihre Teenager-Tochter wieder. Schwanger ist Berlinger dazu. Alles ein bisschen viel - vielleicht ist die Kommissarin ja auch deshalb so dauerbiestig.

Lesen Sie hier die Rezension von SZ-Kritikerin Katharina Riehl:

Tatort aus Freiburg
:"Tatort": Erstickt an Handlungssträngen

Kommissarin Ellen Berlinger ist neu, schwanger und Teil eines sogenannten "Event-Tatorts". Gespielt wird sie von Heike Makatsch. Hat das Zukunft?

TV-Kritik von Katharina Riehl

Bezeichnender Dialog:

Die Ermittler sprechen im Kommissariat über den Fall. Falls Sie sich wundern: Nein, das soll wohl keine Satire auf schlechte Krimi-Dialoge sein.

Kriminaltechniker Hensel: Wir haben Spuren am Körper.

Kommissar Koch: Wie, welcher Art?

Kriminaltechniker Hensel: Körperflüssigkeit. DNA, das reinste Feuchtbiotop.

Kommissarin Berlinger: Wo?

Kriminaltechniker Hensel: An seinem Glied.

Kommissar Koch: Kuhnert hatte Geschlechtsverkehr vor seinem Tod?

Kriminaltechniker Hensel: Exakt. Der Aal wurde gebadet - ein Vollbad. Hier schauen Sie mal.

Hensel zeigt Berlinger ein Foto auf seinem Handy, die wendet sich angewidert ab.

Die besten Zuschauerkommentare:

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Abstruseste Szene:

Das Haus, in dem Cornelia Mai mit ihrer Tochter Melinda wohnt, soll endgültig geräumt werden. Doch Cornelia Mai weigert sich, ihre Wohnung zu verlassen und schlägt Polizeichef Gaus die Tür vor der Nase zu. Parallel dazu kommen unten vor dem Haus Ellen Berlinger und Melinda Mai an. Die Kommissarin geht auf das Mädchen zu, als im ersten Stock das Fenster zerbirstet. Cornelia Mai fliegt durch die Luft - und landet genau auf Ellen Berlinger. Beide gehen zu Boden, das Gesicht von Cornelia Mai ist blutüberströmt, Ellen Berlinger hält sich den Babybauch. Dann blicken sich die Frauen bedeutungsschwanger in die Augen. Die Umstehenden gaffen.

Man mag ja gegen Til Schweiger und seine Tschiller-Tatorte viel sagen können. Aber Action kann er besser - und Theatralik irgendwie auch.

Flop:

Die Makatsch-Episode in einem Wort: konstruiert. Das fängt bei den Figuren an, die so viel Schicksal auf ihren Schultern tragen, dass sie in einer Daily Soap besser aufgehoben wären. Der Ballast wirkt umso störender, weil die Vergangenheit der Figuren in einer Episode natürlich nicht erklärt werden kann: Von wem ist Hauptkommissarin Berlinger schwanger? Warum sitzt ihr Kollege Koch im Rollstuhl? Und warum sprechen eigentlich alle so einen furchtbar schlechten badischen Akzent? Dazu kommt ein Plot, in dem die Haupthandlungsstränge nicht schlüssig ineinander laufen. Die Macher bringen "Choking Games" und Beamtenmord nur mit Mühe zusammen - am Ende steht eine geradezu Agatha-Christie-hafte Lösung: Die Mörderin ist immer die unwahrscheinlichste Kandidatin.

Irgendwie top:

Manche Dialoge sind so gewollt, dass sie fast schon wieder amüsant sind. Armin Winterer, der mit seinen beiden Töchtern auf einem Gnadenhof lebt, erklärt Kommissarin Berlinger die Abwesenheit der Mutter wie folgt:

Winterer: Hat sich 'ne Auszeit genommen.

Kommissarin Berlinger: Eine Auszeit wovon?

Winterer: Von der Scheiße namens Leben.

Kommissarin Berlinger: Is sie ...

Winterer: An der Algarve, Espresso trinken.

Bester Auftritt:

Die mit Abstand besten Sätze darf aber Edelgard Berlinger (Angela Winkler) sagen, Mutter der Hauptkommissarin. Die ist gar nicht begeistert über die Rückkehr ihrer verlorenen Tochter und spricht lieber mit dem Hund: "Bestimmt will sie ihr Baby wieder bei uns abgeben. Aber davor werden wir uns gegenseitig einschläfern."

Die Erkenntnis:

Eltern können mit ihrem Verhalten bei ihren Kindern furchtbar viel Schaden anrichten. Dagegen scheinen zumindest hier die Gefahren von Strangulationsspielchen geradezu lächerlich.

Die Schlusspointe:

Ellen Berlinger sitzt mit Tochter Nina im Auto. Nina wurde mit Marihuana erwischt - das war natürlich für die vergessliche Oma, Nina ist schließlich das einzige anständige Mädchen in diesem Tatort. "Hast du dir eigentlich Sorgen gemacht?", fragt Nina ihre Mutter. Eine Antwort bekommt sie nicht, aber einen traurigen Blick. Und dann lächeln die beiden. Damit der Zuschauer nach so viel Familientristesse mit einem versöhnlichen Gefühl ausschalten kann.

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