Die Bühne für eine politische Inszenierung könnte kaum besser sein: Der Herbst hat das wuchtige Kanzleramt gefangen genommen, rotbraun rankt sich das Efeu an den Betonwänden empor. Direkt vor dem Tor steht ein kleines Wachhaus, daneben einer dieser Container, die man von der Altkleidersammlung kennt. "Bitte Waffen einzeln einwerfen", heißt es auf der Klappe, drumherum eine Kulisse in Tarnfarben. Der erste Impuls beim Betrachten ist: Freude, darüber, dass so etwas in diesem Land geht. Dass eine solche Installation, eine Armlänge von der Regierungszentrale entfernt, überhaupt stehen darf.
Für ihre jüngste Aktion sind die Künstlerinnen und Künstler vom ZPS, Zentrum für Politische Schönheit, in die Rolle des Geheimdienstes der Bundeswehr geschlüpft. "Der Militärische Abschirmdienst (MAD) hat bei der Aufklärung versagt. Deshalb haben wir den Laden übernommen!", schreiben sie dazu auf Twitter. Immer mehr Waffen, Munition und Sprengstoff würden bei der Bundeswehr von Rechtsradikalen gestohlen. Darunter Sturmgewehre und Maschinenpistolen. Nun sollen sie im Auftrag der Verteidigungsministerin wieder eingesammelt werden. "Dafür hat das ZPS eine Rückgabestation vor dem Kanzleramt eingerichtet, in die Waffen anonym eingeworfen werden können." Begleitet wird die Installation online unter unsere-waffen.de und von Auftritten in den sozialen Medien.
"Wo sind unsere Waffen?" ist die fünfzehnte Aktion der Polit-Künstler vom ZPS-Kollektiv. Mit "Die Toten kommen" machten sie 2015 auf das Schicksal der Menschen aufmerksam, die auf dem Weg nach Europa im Mittelmeer ertrunken sind. Dafür wurden Leichen der Toten mit dem Einverständnis der Angehörigen exhumiert, nach Berlin gebracht und erneut bestattet. Geflüchtete waren auch das Thema von "Flüchtlinge fressen", doch sucht man nach dem zentralen Motiv der Gruppe, dann ist es der Nationalsozialismus und der Rechtsradikalismus heute.
Vor drei Jahren installierte das ZPS zum Beispiel am Wohnhaus des AfD-Politikers Björn Höcke eine Miniatur des Holocaust-Mahnmals. Ein Jahr später riefen sie nach den Hetzjagden von Rechten auf mutmaßlich ausländisch aussehende Menschen in Chemnitz dazu auf, die Beteiligten bei ihren Arbeitgebern zu melden. Dagegen wirkt die jüngste Unternehmung "Wo sind unsere Waffen?" fast schüchtern und geradezu didaktisch. Das mag auch damit zusammenhängen, dass die vorangegangene Aktion vor allem als anmaßend und geschmacklos erachtet wurde.
Mit "Sucht nach uns" forderte das ZPS 2019 mithilfe angeblicher Asche von Opfern aus Auschwitz das Gedenken an den Holocaust ein. Es hagelte Kritik, unter anderem von fast allen jüdischen Organisationen. Das ZPS musste sich erklären und flüchtete sich in die Kunstfreiheit. Kommt man als politischer Aktionskünstler an diesen Punkt, ist meist etwas schiefgelaufen.
"Wo sind unsere Waffen?" ist da nicht gefährdet. Botschaft klar, Adressat auch - das ist die Stärke dieser Aktion. Auf ein Problem aufmerksam zu machen, das immer noch unterschätzt wird. Nicht nur bei der Bundeswehr, auch bei der Polizei werden ständig Waffen gestohlen. Inzwischen sind es so viele, dass der Bundestag den Schwund untersuchen lässt. Wozu Schnellfeuergewehre in den Händen von Rechtsextremisten führen können, lässt sich an den Milizen in den USA beobachten. Sie sind längst zu einer eigenen Macht geworden.