Film:Ein Mann für alle Rollen

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Hier in zeitgenössischer Kluft: Denzel Washington im Einsatz als Action-Star am Set von "Equalizer 3". (Foto: Tiziana Fabi/AFP)

Denzel Washington wird in diesem Jahr 70, nun soll er in einem Netflix-Epos den Feldherrn Hannibal spielen, den legendären Widersacher Roms aus dem heutigen Tunesien. Und die Tunesier? Sind nicht erfreut.

Von Fritz Göttler

Er geht immer weiter zurück in die Geschichte: Wenn in diesem Jahr die Werbemaschine für Ridley Scotts "Gladiator Teil 2" anläuft, werden viele besonders gespannt auf Denzel Washington blicken. Washington spielt einen Waffenhändler, der selbst eine Gladiatoren-Vergangenheit und eine eigene Gladiatoren-Truppe hat, eine faszinierend undurchschaubare Figur. Und nun soll ein weiteres Antike-Epos folgen, Netflix hat einen Film über Hannibal angekündigt, den legendären Feldherrn aus Karthago und Widersacher Roms - mit Washington in der Hauptrolle.

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Für einen Schauspieler, der international so geliebt und geachtet wird wie Washington, waren die Reaktionen darauf erst mal harsch: "Sie versuchen, uns unsere Identität zu stehlen", hieß es in Tunesien - das antike Karthago befand sich nahe dem heutigen Tunis, und Hannibal ist für die Tunesier eine wichtige nationale Figur. Bildliche Darstellungen von Hannibal sind nicht überliefert, sicher ist, dass er phönizischer Abstammung war, er dürfte also ausgesehen haben wie die Bevölkerung im heutigen Libanon und Syrien. Die Wahl von Denzel Washington gilt Teilen der tunesischen Öffentlichkeit als Symbol für westliche Geschichtsverfälschung - er sieht ihnen zu afrikanisch aus.

Inzwischen ist die Aufregung abgeklungen, zu wenig ist über das Projekt bekannt. Hannibal war die schillernde Figur im zweiten Punischen Krieg, zwischen 218 und 201 vor Christus, der das römische Imperium an den Rand der Niederlage brachte, wovon Polybios und Livius erzählen. Sein Marsch aus Spanien über die Alpen nach Italien mit Dutzenden Kampfelefanten ist ein historischer Kraftakt par excellence ... und filmisch schon oft erzählt, mit allerdings stets weißen Hannibals.

Es ist nicht die erste Debatte über die korrekte Hautfarbe eins Darstellers

Fragen der ethnischen Abstammung und der Diversität bei Rollenbesetzungen haben in den vergangenen Jahren immer wieder zu großen und teilweise hässlichen Debatten geführt, siehe "Star Wars" oder "Ghostbusters". Tunesien ist da nur insofern eine Ausnahme, da das Thema das Parlament erreichte, wo Kulturministerin Hayet Ketat Guermazi aufgefordert wurde, gegen die Rollenbesetzung einzuschreiten. Guermazi scheint allerdings die Kunstfreiheit zu respektieren und will sich lieber dafür einsetzen, dass wenigstens in Tunesien gedreht wird. Das Land hat schon für einige "Star Wars"-Filme, aber auch für "Der englische Patient" Drehorte geliefert.

Abgesehen von Diskussionen über den historisch korrekten Hautton hat Netflix in Person des 69-jährigen Denzel Washington einen Mann gewählt, der gewaltiges Starpotenzial hat und ungefähr doppelt so alt ist wie Hannibal zur Zeit seines Marsches über die Alpen. In diesem Alter, also etwa mit dreißig, spielte er sechs Jahre in der Krankenhaus-Serie "St. Elsewhere". Sein Aufstieg in Hollywood begann, als Spike Lee ihn 1992 als Bürgerrechtskämpfer Malcolm X besetzte. Unzählige Male wurde er seitdem für den Oscar gehandelt, zweimal ausgezeichnet: 1998 als bester Nebendarsteller in "Glory", er spielte einen eigensinnigen Bürgerkriegssoldaten; 2002 als bester Hauptdarsteller in "Training Day", da war er ein korrupter Cop in Los Angeles. Das war seine erste Zusammenarbeit mit Antoine Fuqua, der bei "Hannibal" Regie führen soll. Fuqua hat auch die drei "Equalizer"-Filme gedreht, in denen sich Washington als athletischer, aber sensibler Action-Star etablierte.

Denzel Washington, der selbst auch mehrmals Regie geführt hat, hat sich bislang nicht über seine Vision eines schwarzen Hannibal geäußert, aber das muss er wohl auch nicht. 2021 spielte er - wessen Identität wurde da gestohlen? - in einer umjubelten Verfilmung den Macbeth. Und seitdem Daniel Craig keine Lust mehr zeigt, weiter James Bond zu geben, wird diskutiert, ob der nächste Bond womöglich schwarz sein könnte. Natürlich fiel da auch schon der Name Denzel Washington.

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