Proteste in Spanien:Ein Enkel von Andreas Baader

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Pablo Hasél bei seiner Festnahme in der Universität von Lérida am 16. Februar. (Foto: Lorena Sopena/Reuters)

Der inhaftierte spanische Rapper Pablo Hasél singt über Terroristen und bewundert die Mitglieder der RAF. Damit ist er nicht allein.

Von Karin Janker, Madrid

Verherrlichung von Terrorismus ist - neben der Beleidigung staatlicher Institutionen und des Königshauses - das gravierendste Verbrechen, das dem spanischen Rapper Pablo Hasél zur Last gelegt wird. Wegen dieser Delikte wurde der 32-Jährige vor einer Woche verhaftet und muss nun eine Gefängnisstrafe von knapp zweieinhalb Jahren absitzen. Die Härte dieser Strafe provoziert nicht nur den Zorn vieler junger Spanier, die seitdem Abend für Abend für Meinungs- und Kunstfreiheit demonstrieren, sondern auch Kritik von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International.

Haséls Rap steht in der Tradition des linken Protestsongs, in Spanien erfüllt Rap heute eine Rolle, die früher der Punk innehatte: laut, aggressiv, gegen das System. Haséls Texte zitieren Ikonen der linken Subkultur, die längst zum Pop-Mainstream gehören, etwa den argentinischen Guerillakämpfer Che Guevara. "Es ist leicht, ein T-Shirt mit Che drauf zu tragen, schwieriger ist es, seinem Beispiel zu folgen", rappt Pablo Hasél in dem Song "Laut und klar". Strafrechtlich relevant ist in Spanien vor allem Haséls Bewunderung für die Mitglieder der spanischen Terrorgruppen Eta und Grapo. Außerdem verehrt er offenbar die Mitglieder der Rote Armee Fraktion (RAF), die in der Zeit von 1971 bis 1993 in der Bundesrepublik mehr als 30 Morde begangen haben.

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"Ein Kaffee mit Gudrun Ensslin" heißt ein Album, das Hasél 2011 aufgenommen hat und das auf der spanischen Hip-Hop-Plattform HHGroups kostenlos zum Download zur Verfügung steht. Das Cover zeigt den Ausschnitt eines Fotos aus dem Jahr 1969, Gudrun Ensslin zusammen mit Andreas Baader in einem Pariser Café. Ensslin, damals 29 Jahre alt, lächelt in die Kamera, eine Zigarette in der Hand. Der erste Song auf dem Album trägt den Titel "Der Enkel von Andreas Baader", Pablo Hasél meint damit sich selbst: "Es gibt nun keinen Weg zurück mehr, ich werde niemals ein Untertan sein, lieber kratz' ich beinah' ab, so wie Andreas Baader schießend in der Garage."

Auch Jan Delay reimte Benzin auf Ensslin

Werden hier mehrfache Mörder verharmlost und glorifiziert? Oder zitiert der Song, wie viele andere linke Protestsongs, die RAF als jene Ikone der Popkultur, zu der sie längst geworden ist? Die Auslegung der Texte ist eine Gratwanderung, die im Fall Pablo Hasél der spanischen Justiz oblag. Gänzlich unerhört sind Anspielungen auf die RAF indes auch in Deutschland nicht. Ein Beispiel aus dem Jahr 2009: "Nun kämpfen die Menschen nur noch für Hunde und Benzin, folgen Jürgen und Zlatko und nicht mehr Baader und Ensslin. Die, die Unheil und Armut und Krankheit verbreiten, für sie herrschen sorglose Zeiten. Da kein bisschen Sprengstoff sie daran hindert, ihre Geschäfte zu betreiben." Die Zeilen stammen aus dem Reggae-Song "Söhne Stammheims" von Jan Delay. Die Aufregung darüber, dass Jan Delay Benzin auf Ensslin reimt, hielt sich hierzulande in Grenzen. Das Lied endet mit dem Satz "I wanna see every Nazi go bang".

Obwohl auch in Deutschland die Kunstfreiheit Grenzen kennt, etwa dort, wo die Würde des Menschen angetastet wird, sind Haftstrafen selbst für Songtexte, die Terror verharmlosen, nicht üblich. Rio Reisers Ton, Steine, Scherben sangen ebenso über die RAF wie Die Goldenen Zitronen - allerdings spricht aus ihren Texten mehr Melancholie als Bewunderung. Indiziert wurden Texte der Punkband WIZO, ehemals Vorband der Ärzte, die 1998 in Anspielung auf die Attentate der RAF reimte: "Da hat uns die Nacht gehört und ihr habt euch ins Hemd gemacht, weil keiner von euch wusste, wann die nächste Bombe kracht."

Die Grenze zwischen Anspielung und Verherrlichung ist fließend und - wie immer, wenn es um Texte mit lyrischem Ich geht - Sache der Rezeption und Interpretation. Umso wichtiger wäre es, dass das Gesetz diese Grenze möglichst scharf zieht. Im Artikel 578 des spanischen Strafgesetzbuchs allerdings ist die Verherrlichung von Terrorismus so vage formuliert, dass das Land dafür bereits vom Europarat ermahnt wurde. Nachdem in Spanien seit dem Ende der Eta 2011 keine reale Terrorgefahr mehr bestehe, liegt dort laut Amnesty International inzwischen die größere Gefahr in einer Beschränkung der Meinungsfreiheit durch eine übermäßige Anwendung des Antiterrorgesetzes.

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