Corona-Hilfen:Regelverstöße bei Milliardenprogramm "Neustart Kultur"

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Der Zuschauerraum des Berliner Ensembles während der Corona-Zwangspause. (Foto: Jens Kalaene/picture alliance/dpa)

Während der Pandemie hat der Bund die Kulturbranche mit fast 1,7 Milliarden Euro gefördert. Eine Recherche des Deutschlandfunks zeigt, dass das nicht immer sauber ablief. Es geht um hohe Gewinne und eine problematische Doppelrolle.

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Ihr Programm lief erst ein Jahr, da hatte die damalige Kulturstaatsministerin des Bundes schon den Superlativ parat: "Neustart Kultur" sei "das bisher größte Konjunkturprogramm für die Kultur in der Geschichte der Bundesrepublik", sagte Monika Grütters (CDU) im Juni 2021. Damals legte sie auf die bereits ausgegebene eine Milliarde Euro des Bundes, die der Kulturbranche nach dem Corona-Einbruch wieder auf die Beine helfen sollte, eine weitere Milliarde drauf. Keine andere Branche habe in der Pandemie "vergleichbar maßgeschneiderte Hilfen" bekommen, lobte die Ministerin sich und die Bundesregierung selbst. "Die Hilfen haben sich als passgenau und erfolgreich erwiesen."

Dass die Zuwendungen viel Gutes bewirkt haben, loben auch Kulturschaffende. Dass sie immer passgenau erfolgten, daran aber gibt es Zweifel. Das zeigt eine großangelegte Recherche des Deutschlandfunks, die einen Überblick liefert, wofür das Geld ausgegeben wurde. Demnach gab es bei der Vergabe der Kulturzuschüsse diverse Regelverstöße und Auffälligkeiten. Und gebraucht wurde das Geld nur zum Teil: Von den zwei Milliarden Euro seien 1,66 Milliarden abgerufen worden.

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Bei der Analyse der bewilligten Anträge falle auf, dass manche Künstler und Institutionen mehrmals gefördert worden seien, obwohl das eigentlich ausgeschlossen gewesen sei, berichtet der Deutschlandfunk. Auch hätten Unternehmen Anträge bei mehreren Organisationen stellen können. Manche hätten mehrere Hunderttausend Euro, andere sogar mehrere Millionen bekommen - und am Ende hätten sie dank des Programms während der Pandemie höhere Gewinne gemacht als zuvor. Der Deutschlandfunk nennt mehrere Häuser, die Veranstaltungen in verschiedenen Kultursparten anbieten und so Zuschüsse in unterschiedlichen Programmen beantragen konnten. Sie hätten teils mehr als eine halbe Million Euro bekommen.

Die Doppelrolle der Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Als weiteres Beispiel führt der Deutschlandfunk die Firma CTS Eventim an, die Tickets verkauft, Konzerte veranstaltet und Bühnen betreibt. Sie habe etwa zehn Millionen Euro aus dem Fördertopf bekommen und zugleich auch reguläre Corona-Wirtschaftshilfen erhalten - in den Jahren 2020 bis 2022 mehr als 270 Millionen Euro aus Deutschland, der EU und der Schweiz, heißt es in dem Bericht. Im Jahr 2022 habe sie dann einen Rekordgewinn von 384 Millionen Euro erzielt. Der allerdings sei vor allem im Ausland, nicht in Deutschland erwirtschaftet worden, erläutert Eventim.

Bemerkenswert ist der Fall der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), die nach Informationen des Deutschlandfunks vom "Neustart Kultur" mit insgesamt 26 Millionen Euro bedacht wurde. Sie war dem Bericht zufolge auch eine der etwa 40 Stellen, die im Auftrag des Bundes über die Vergabe der Zuschüsse entschied. Eine in diesem Fall problematische Doppelrolle: Laut Deutschlandfunk wurden von 16 Anträgen der Stiftung 13 von Stellen bewilligt, die mit ihr in Verbindung stehen: "Neunmal war es die Stiftung selbst; viermal die Deutsche Digitale Bibliothek (DDB), die mit der Stiftung organisatorisch und personell eng verflochten ist", berichtet der Sender.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz weist das zurück: Bei den neun Anträgen seien Antragsteller und Entscheider an unterschiedlichen Stellen der Stiftung angesiedelt gewesen, "sodass hier eine inhaltliche, organisatorische und personelle Trennung vorlag". Und bei den vier DDB-Projekten habe es eine Jury gegeben, der auch Mitglieder der Stiftung angehörten, aber: "Die Anträge der SPK-Einrichtungen wurden unter Ausschluss von Beschäftigten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz geprüft und bewertet."

Weil nirgendwo eine Zusammenfassung aller Einzelförderungen zu bekommen sei, habe man aufwendig recherchiert und die Daten 18 Monate lang selbst zusammengetragen, berichten die Autoren des Deutschlandfunks. Am Ende habe man knapp 54 000 Fördervorgänge analysieren können.

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