München gegen Rechtsextremismus:Lehren aus der Geschichte - und aus der Demo

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Plakat am Sonntag, 21. Januar, vorm Münchner Siegestor bei der Großdemonstration gegen Rechtsextremismus. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Über das große gemeinsame Zeichen freuen sich viele Menschen. Aber es gibt auch Kritik an manchen Worten von der Bühne.

"München setzt ein Zeichen" vom 22. Januar, "Sternstunde mit Misstönen" und "Bündnis im Beziehungsstress" vom 23. Januar:

Dank den jungen Organisatoren

Zur Kritik an den Veranstaltern der Demo am 21. Januar in München vorweg die Fragen: Wie viele Menschen wären gekommen, wenn die Parteien eingeladen hätten? - Wenn die Parteien eingeladen hätten, wäre ich nicht von Chiemgau nach München zum Demonstrieren gefahren, weil meiner Ansicht nach die Parteien durch ihren dauernden, populistischen Streit den Zulauf zu rechten Gruppen fördern.

Die jungen Organisatoren der Demonstration in München haben bei mir den Nerv getroffen, weil sie, ohne den Parteien die Möglichkeit für Sonntagsreden zu geben, zur Verteidigung der Demokratie aufgerufen und in sehr kurzer Zeit die Demo organisiert haben. Sie mögen nicht immer "ausgewogen" gewesen sein. Aber hat das kritisierte Ampel-Bashing nicht der stellvertretende bayerische Ministerpräsident ungleich drastischer betrieben mit seiner Äußerung, die in Berlin hätten "alle den Arsch offen"? Mein Wunsch wäre, dass aus den grandiosen Demonstrationen die Parteien die Lehre ziehen würden, dass sie künftig in lösungsorientierten, von gegenseitigem Respekt und von Toleranz geprägten Debatten zeitnah Lösungen für die vielen Probleme suchen und zügig umsetzten. Damit würde das Vertrauen in die demokratischen Parteien wieder wachsen und der Zulauf zur AfD gestoppt werden.

Erich Kamm, Grassau

Fragwürdige Kritik

Der Sonntag wahrlich eine Sternstunde für jeden Demokraten. Und das nicht nur in München, in ganz Deutschland wurde massenhaft gegen die AfD demonstriert. Ich bin 81 Jahre alt und meine, wir können alle stolz auf unsere Jugend sein, die in München diese Demo initiiert und mit organisiert hat. Umso befremdlicher Äußerungen Aiwangers, der die Jugend der SPD und der Grünen linksextrem nennt. Offensichtlich nimmt er sich selbst zum Maßstab, und was er als 17-Jähriger geschrieben hat. Zeugen haben berichtet, er habe Hitler-Reden studiert. Sein jetziges Verhalten lässt vermuten: Einiges davon verwendet er noch heute.

Besonders verblüffend ist Fabian Mehring von den Freien Wählern. Die Demos gegen rechts nannte er "eine gewaltige Bühne für die AfD", so machten wir Demokraten (ungewollt) seit Jahren die AfD groß. Ganz schön blöd, die Demokraten ...

Von Donald Trump kennen wir sogenannte alternative Fakten. Die Freien Wähler haben darüber hinaus nun auch noch alternative Vernunft und alternative Logik.

Nun, alle Freunde der Freien Wähler, demonstriert mal mächtig gegen eure Partei und macht sie dadurch größer. Man glaubt es kaum, ein Mann, der so argumentiert, ist Minister in der bayerischen Regierung.

Fritz Schulte-Spechtel, Anzing

Störende Hassparolen

Neben der spürbaren starken Gegenbewegung zur rechten Strömung, die durchaus Zuversicht gibt, habe ich leider auch den für mich verstörenden Ruf "ganz München hasst die AfD" gehört, oder den Aufruf zum Stinkefinger gegen die Ampel. Es ist mir ein dringendes Bedürfnis, hier zum Ausdruck zu bringen, dass Hass gegen Hass oder die Nutzung einer Bühne für die einseitige Manipulation der Menge nicht die Lösung sein kann. Ich möchte lieber rufen: "Bleiben wir miteinander im Frieden und standhaft gegen Gewalt und Hass jeglicher Art."

Tamara Barias, München

Übers Ziel hinausgeschossen

Auf die Ankündigung der Demo gegen rechts habe ich regelrecht gewartet und war folgerichtig auch dabei. Sehr eindrucksvoll und bewegend: Die Angehörigen der Opfer der rechtsextremen Anschläge beim OEZ und beim Oktoberfest, die in Bayern jahrelang nicht "rechtsextrem" genannt werden durften. Irritiert haben mich allerdings die Einführung und einige Beiträge, die die Koalition in Berlin in einem Atemzug mit der AfD und deren Entourage attackierten. An diesen Stellen fühlte ich mich - wie erkennbar die meisten in meiner Umgebung - fehl am Platz.

Auch wenn nicht immer alles optimal ist, es ist völlig inakzeptabel, wenn Sozialdemokraten und Grüne mit dem braunen Pack in einen Topf geworfen werden. Auch die Liberalen und weite Teile der CDU/CSU haben das nicht verdient, eine Entschuldigung wäre angebracht.

Bei weiteren, im Prinzip begrüßenswerten Veranstaltungen der Zivilgesellschaft muss man jetzt noch genauer hinschauen, wer das Sagen hat, und im Zweifelsfall eher fernbleiben. Schade!

Werner Hintze, Zorneding

Unnötige Spaltung

Es war äußerst beeindruckend, dass so viele Menschen ein Statement gegen Rechtsradikalität gesetzt haben. Es geht um die Verteidigung unseres demokratischen Gemeinwesens. Wir haben die beste Verfassung, die Deutschland jemals hatte. Die repräsentative Demokratie ist der Grundpfeiler unserer insgesamt gesehen friedlichen und toleranten Gesellschaft. Die von den Moderatorinnen skandierte Parole: "Ganz München hasst die AfD" führt aus meiner Sicht schon sprachlich in die Irre. Ich bin besorgt und mir macht Angst, dass Populisten und Extremisten unser Gemeinwesen zerstören. Ich weigere mich zu hassen. Ich wünsche mir eine große parlamentarische und außerparlamentarische Koalition pro Grundgesetz und gegen Extremismus.

Ich hoffe sehr, dass die nächste große Demo gegen Rechtsradikalismus von den etablierten politischen Kräften in unserem Land organisiert wird und mir die Spalterei zwischen Zivilgesellschaft und Politik, zwischen Links und Rechts oder Ampelpolitik und Opposition erspart bleibt. Es geht um mehr!

Ich habe am Siegestor sehr viel bürgerliche Mitte gesehen, und die braucht es vor allem, um unsere Demokratie zu verteidigen.

Michael Gigler, Erdweg

Demo überfällig, Kritik unnötig

Ich bin 72 Jahre alt, ich war am Sonntag dabei und ich war froh darüber. Den jungen Leuten, unter anderem von "Fridays for Future", bin ich ausgesprochen dankbar, dass sie die Initiative ergriffen haben, eine "Demo gegen Rechts" zu organisieren, sie war überfällig. Diese Demonstration, mit so vielen beteiligten Gruppen zu organisieren, verdient Bewunderung.

Die Kritik an den Organisatorinnen und Organisatoren finde ich kleinlich, ja schäbig. Ist hier der Neid von Politikerinnen und Politikern herauszuhören, dass sie ein solch beeindruckendes Zeichen nicht organisiert hatten? Vielleicht auch das schlechte Gewissen, dass sie es über Jahre versäumt haben, der AfD etwas entgegenzusetzen, sich inhaltlich auch mit deren Wählerinnen und Wählern auseinanderzusetzen? Im Gegenteil, Politikerinnen und Politiker haben deren Sprache und Inhalte teilweise aufgenommen (siehe Asylpolitik) und damit auch Einstellungen gegen Geflüchtete salonfähig gemacht. Aussagen von Hubert Aiwanger, zum Beispiel darüber, sich "die Demokratie zurückzuholen", sind nur ein extremer Höhepunkt.

In den Redebeiträgen auf der Demo habe ich dagegen nichts vernommen, was völlig unpassend gewesen wäre. Angehörige von Opfern des Attentats am Olympia-Einkaufszentrum sprechen zu lassen, finde ich sogar sehr passend. Und uns, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Demo, darf man auch zutrauen, dass wir differenzieren können.

Maria Reuther, München

Alle bei rechts aussteigen

Unsere S-Bahn musste vor der Großdemo so gegen 14.00 Uhr ein bisschen auf die Einfahrt in die Station Marienplatz warten und der Fahrer merkte an: "Ich weiß, viele von Euch gehen jetzt zur Demo. Aber bitte: steigt's trotzdem rechts aus!" - Toll! Und unser Kommentar: Alle bei rechts aussteigen!

Iniga und Jörg Herrnleben, München

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