Auch bei den Neueinstellungen gibt es nirgends so viele befristete Verträge wie in der öffentlichen Verwaltung, in Wissenschaft, Bildung und Erziehung. Eine besondere Spielart ist die Entlassung von Lehrern vor den Sommerferien, um sie danach wieder einzustellen. Spitzenreiter im öffentlichen Dienst sind in Sachen Befristung übrigens die Länder, von denen bekanntermaßen das ein oder andere sozialdemokratisch regiert ist.
Im Einflussbereich der öffentlichen Hand sind befristete Verträge deshalb so einfach durchzusetzen, weil der Gesetzgeber sich selbst eine Klausel gönnt, die der Privatwirtschaft verwehrt ist. Das Zauberwort heißt "Haushaltsbefristung". Weil der Staat nie weiß, wie viel Geld er demnächst zur Verfügung haben wird, darf er seine Mitarbeiter nach Kassenlage befristet einstellen. In der Wissenschaft funktioniert es ähnlich, heißt aber Wissenschaftszeitvertragsgesetz.
Dass Unternehmen gleichfalls oft nicht wissen, wie die Auftragslage im übernächsten Jahr sein wird, ist zwar eine naheliegende Analogie, nutzt ihnen aber nichts. Für sie gibt es keine Haushaltsbefristung, um auf wirtschaftliche Unwägbarkeiten reagieren zu können, nur die sachgrundlose. Und die möchte die SPD verbieten. Der Treppenwitz ist: Ausgerechnet im öffentlichen Dienst, wo ja schon ein Befristungshintertürchen existiert, steigt zusätzlich der Anteil sachgrundlos befristeter Verträge. Sie gelten als rechtssicherer.
Die nächste Regierung muss vor der eigenen Tür kehren
Man kann über vieles streiten. Etwa darüber, welchem Chef allen Ernstes sechs Monate Probezeit nicht reichen, um sich von der Fähigkeit oder Unfähigkeit eines Mitarbeiters zu überzeugen. Oder darüber, ob es nicht ziemlich dumm ist, in Zeiten des Fachkräftemangels überhaupt irgendjemanden mit solider Ausbildung nicht dauerhaft binden zu wollen. Streiten aber sollte man, bitte schön, mit offenem Visier und nicht bloß mit ausgestrecktem Zeigefinger. Sonst wird's peinlich.
Es ist ja schön, dass die SPD die Jugend noch nicht völlig vergessen hat. Aber der Feldzug gegen die befristeten Arbeitsverträge alleine macht sie noch lange nicht zum Anwalt der Jungen. Er bleibt ein armseliges Projekt, wenn die nächste Regierung nicht auch vor der eigenen Tür kehrt - und wenn sie gleichzeitig Rentenpakete schnürt, die ausgerechnet die Jungen noch teuer zu stehen kommen könnten.