Lehren und Forschen:Gute Noten machen noch keinen Professor

Universität Bamberg

Grundlagen zu lernen, ist eine wichtige Voraussetzung für die Wissenschaftskarriere. Wer Professor werden will, sollte sich aber vor allem früh an einem Lehrstuhl engagieren.

(Foto: Nicolas Armer)

Von der Handbibliothek nach Harvard: Eine Anleitung für die Karriere in der Wissenschaft.

Von Larissa Holzki

Bei ihrer ersten Berufung auf einen Lehrstuhl sind Professoren in Deutschland im Mittel 41 Jahre alt. Ob sie den angestrebten Beruf ausüben können, ist bis dahin unsicher. Wer schon früh im Studium auf eine Wissenschaftskarriere hinarbeitet, kann seine Chancen allerdings verbessern - und gute Noten sind dabei gar nicht so wichtig. Zwei Expertinnen erklären, worauf es stattdessen ankommt.

Hanna Kauhaus berät als stellvertretende Geschäftsführerin der Graduierten-Akademie an der Universität Jena Doktoranden und Postdoktoranden in Karrierefragen. Sabina Jeschke ist Professorin für Maschinenbau an der RWTH Aachen und hat dort ein Projekt initiiert, das Nachwuchswissenschaftlern Orientierung bieten soll.

Welche formalen Qualifikationen müssen Professoren mitbringen?

Das Hochschulgesetz schreibt vor, dass Professoren promoviert und weitere wissenschaftliche Leistungen erbracht haben müssen. Traditionell ist das die Habilitation. Alternativ können jedoch auch "habilitationsäquivalente Leistungen" vorgewiesen werden. Was darunter zu verstehen ist, interpretiere die Berufungskommission für sich, sagt Hanna Kauhaus. Orientierung bietet die Habilitationsordnung der Universität, an der die Professur ausgeschrieben ist. Wer die Voraussetzungen zur Habilitation erfüllt, gilt als habilitationsäquivalent. "In der Praxis wird aber eher geschaut: Hat der Bewerber nach seiner Promotion einen zweiten Forschungsschwerpunkt aufgebaut und in signifikantem Umfang publiziert?", sagt Kauhaus.

Während die Habilitation in den Geisteswissenschaften und einigen Naturwissenschaften noch sehr wichtig ist, könnten sich Ingenieure bisweilen auch über eine mehrjährige Tätigkeit in der Industrie qualifizieren, sagt RWTH-Professorin Sabina Jeschke. Ausnahmen gelten für die Bereiche Architektur, Kunst und Design, in denen nicht einmal eine Promotion üblich ist.

Gelten die gleichen Voraussetzungen für eine Bewerbung an Fachhochschulen?

Nein, an Fachhochschulen wird von den Bewerbern neben der Promotion Praxiserfahrung erwartet. Laut Hochschulgesetz müssen Lehrstuhlanwärter fünf Jahre gearbeitet haben, davon drei außerhalb der Hochschule.

Wie gut müssen die Studiennoten für eine Professorenkarriere sein?

"Kein Mensch guckt hinterher auf Bachelor- und Masternoten", sagt Hanna Kauhaus. Studenten müssen also lediglich die Leistungen erzielen, die in ihrem Fach notwendig sind, um einen Masterplatz oder eine Promotionsstelle zu bekommen. Aber sogar hier kann ein Fürsprecher helfen: "Wenn ich einen schlechten Studienabschluss habe, aber einen Prof, der weiß, dass ich toll bin und während der Promotion richtig aufdrehe, dann ist die Note vorher egal", sagt Kauhaus. Man sollte jedoch nicht schlechter als der Durchschnitt abschließen. Wichtiger werden die Noten dann bei der Promotion: "Das Summa cum laude ist keine absolute Notwendigkeit, aber ein großer Prozentsatz der Professoren gehört zur Spitzengruppe der Promovierten", sagt Sabina Jeschke.

Was gilt für Ausland, Uni-Renommee und Publikationen?

Welche Rolle spielen Auslandsaufenthalte?

"Ohne internationale Aufenthalte können Sie heute kaum noch eine Professur erreichen", sagt Sabina Jeschke. Auslandserfahrungen im Master- und Promotionsbereich seien typisch. Eine oder gar mehrere Postdoc-Stellen an renommierten Universitäten außerhalb Deutschlands verbessern die Karrierechancen erheblich. "Ein-, zweimonatige Praktika zählen aus meiner Sicht nicht, hier findet kein Eintauchen in die Kultur statt", sagt Jeschke. Ein Semester sollte es mindestens sein, ein bis zwei Jahre seien noch besser.

Wie wichtig ist das Renommee der Universitäten?

Ab dem Masterstudium ist es ambitionierten Wissenschaftler zu empfehlen, die Wahl ihrer Universität vom Renommee abhängig machen. Dabei ist nicht die Bekanntheit der Hochschule entscheidend, sondern welches Ansehen das spezielle Fach und die Professoren in ihrer Community genießen: "In Jena ist zum Beispiel die Optik in der Physik sehr, sehr stark. Wenn man da herkommt, hat man an besonders guten Publikationen mitgearbeitet und ist besser vernetzt zu anderen, die auch ganz vorne mitspielen", sagt Hanna Kauhaus. Sabina Jeschke nennt ein weiteres Argument: "An den sehr renommierten Unis ist die Konkurrenz durch die Kollegen typischerweise größer und das bewirkt normalerweise, dass Sie sich mehr zur Decke strecken." Wer mit dem Leistungsdruck gut zurechtkommt, könne wie in einer Aufwärtsspirale immer besser werden.

Publikationen gelten als Schlüssel zum Erfolg - was ist zu beachten?

Wichtig sind Anzahl, Bedeutung und auch die Kontinuität von Veröffentlichungen. Wie oft der eigene Name in einer Fachzeitschrift stehen sollte, ist von Disziplin zu Disziplin aber verschieden. Mathematiker beispielsweise veröffentlichen wenig, Ingenieure inzwischen relativ viel. "Ich persönlich empfehle oft: zwei Paper pro Jahr und Person - vielleicht keine ganz schlechte Orientierung", sagt Jeschke.

Wann sollten Wissenschaftskarrieristen erstmals veröffentlichen?

In den verschiedenen Disziplinen gelten unterschiedliche Regeln. Häufig arbeiten Studierende oder wissenschaftliche Hilfskräfte zunächst an Forschungsprojekten mit und stehen dann in der Reihe der Autoren, zu denen meist auch der Professor zählt. Die Erstveröffentlichung kann aber auch eine Abschlussarbeit sein: "Wenn meine Studierenden bereits in der Masterarbeit gute wissenschaftliche Ergebnisse erzielt haben, halte ich sie dazu an, daraus bereits ihre ersten Publikationen zu machen", sagt die Maschinenbau-Professorin.

Regt der Professor die Veröffentlichung an oder müssen Studierende das selbst tun?

Ein aufmerksamer Professor wird bei sehr guten Arbeiten hellhörig und schlägt seinen Studenten die Veröffentlichung vor. Sabina Jeschke rät ambitionierten Absolventen jedoch, dies auch selbst anzuregen.

Wer entscheidet über die Berufung und wie sieht das Verfahren aus?

In der Berufungskommission sitzen Mitglieder der Fakultät, an der ein neuer Professor berufen werden soll: Professoren, Wissenschaftler, Studierende und nichtwissenschaftliche Mitarbeiter. Dazu kommen Vertreter bestimmter Gruppen wie Frauen- oder Behindertenbeauftragte. "Mitglieder anderer Fakultäten oder Universitäten können dazukommen, um eine möglichst große Objektivität des Verfahrens zu gewährleisten und gewisse 'Inzuchteffekte' zu vermeiden", sagt Sabina Jeschke. Vor diesen etwa acht bis 20 Leuten müssen die Kandidaten "vorsingen". So nennt man an den Unis den wissenschaftlichen Fachvortrag im Rahmen der Bewerbung. Häufig steht dieser auch anderen Interessierten offen. "Anschließend gibt es eine öffentliche Fragerunde und eine Art Bewerbungsgespräch hinter verschlossenen Türen", sagt Hanna Kauhaus. Zusätzlich kann eine Lehrprobe vor Studierenden verlangt werden.

Wo und wie lassen sich wichtige Kontakte knüpfen?

Wie wichtig sind didaktische Kompetenzen?

Immer wichtiger! Denn Studierende haben im Laufe der letzten Jahre immer mehr Mitspracherecht bei der Besetzung von Lehrstühlen bekommen: "Das führt dazu, dass Sie heute sehr, sehr schlechte Karten haben, wenn Sie sich nicht halbwegs vernünftig vor einem Einsteigerpublikum ausdrücken können", sagt Jeschke. Professur-Anwärter müssten außerdem die Ergebnisse von studentischen Evaluationen ihrer ersten Lehrtätigkeiten als Doktorand oder Postdoc in die Bewerbungsmappe legen. Haben die Studenten keine guten Noten vergeben, stehen die Chancen schlecht.

Sind Tätigkeiten als studentische Hilfskraft am Anfang des Studiums von Bedeutung?

Geht es nach Sabina Jeschke, kann man den Wert von Hilfskrafttätigkeiten und Tutorenjobs kaum hoch genug einstufen: "Wenn man an einem Lehrstuhl mitarbeitet, kann man sich angucken, wie Forschung funktioniert und was Doktoranden, Postdocs und Professoren tatsächlich tun", sagt sie. Dadurch bekämen Studenten einen Eindruck, ob die wissenschaftliche Karriere etwas für sie ist.

Fachkenntnisse helfen bei Tätigkeiten am Lehrstuhl, seien aber insbesondere am Anfang des Studiums nicht unbedingt notwendig, sagt Jeschke: "Ich empfehle meinen Studenten im ersten Jahr: Kommt an die Lehrstühle. Einen Lehrstuhl kennenlernen kann man auch, wenn man die Handbibliothek sortiert oder beim IT-Support hilft." Nach dem ersten Semester können sich dann schnell weitere Einsatzmöglichkeiten am Lehrstuhl ergeben. Erworbene Kontakte helfen im Bewerbungsprozess auf andere Stellen. Wer selbst unterrichte, könne überprüfen, ob er Zusammenhänge so gut verstanden hat, dass er sie auch weitergeben kann.

Wo bieten sich darüber hinaus Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen?

Auf Tagungen des jeweiligen Spezialgebiets treffen sich Vertreter der Forschungscommunity. An diesen Tagungen sollten Nachwuchswissenschaftler nicht nur teilnehmen, sondern auch versuchen, Vorträge zu halten und ins Gespräch zu kommen, rät Hanna Kauhaus.

Bestnoten, Toppublikationen, beste Kontakte - kann noch etwas schiefgehen?

Auch wenn alle Voraussetzungen stimmen: Eine Garantie auf eine Professur gibt es nicht. Zum Beispiel, wenn Forschungsgebiete plötzlich für unwichtig erklärt werden und keine Mittel mehr bekommen. "So geht es momentan Wissenschaftlern, die im Bereich Kernkraft geforscht haben", nennt Professorin Jeschke als Beispiel. Gesellschaftliche Positionen und deren politische Konsequenzen wirkten sich auf die Forschungsförderung aus: "Dadurch sind unter Umständen hervorragende Wissenschaftler plötzlich nicht mehr gefragt."

Welche Möglichkeiten haben Wissenschaftler, die mit Mitte 40 aufgeben?

Forschen können Wissenschaftler vieler Disziplinen auch außerhalb der Hochschulen, zum Beispiel an privaten und öffentlichen Instituten oder in Entwicklungsabteilungen von Unternehmen. Hochspezialisierte Experten werden allerdings selten gebraucht und müssen kreativer werden: "Ein Kaukasiologe, der die Geschichte, Sprache und Politik im Kaukasus erforscht, kann vielleicht Studienreisen leiten, für ein Zeitschrift schreiben oder an Volkshochschulen Sprachunterricht geben", sagt Hanna Kauhaus.

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