Eigentlich ist die Sache mit dem Fachkräftemangel ganz einfach zu lösen, man muss nur an den Familiensinn potenzieller Kandidaten appellieren. Firmen mit Personalmangel setzen nämlich auf das menschliche Bedürfnis, einer eingeschworenen Gemeinschaft anzugehören. Diesen Eindruck hinterlassen jedenfalls viele Stellenausschreibungen.
"Bewerben Sie sich jetzt für einen Job auf einem Kreuzfahrtschiff und werden Sie Mitglied der Aida-Familie!", heißt es da. Oder: "Starten Sie mit uns in Ihre berufliche Zukunft, werden Sie Mitglied der Avanti-Familie." Auch die Umweltorganisation WWF wirbt mit dem Familien-Faktor ("Werde als Promoter Teil unserer Panda-Familie"), ebenso die Flugbegleiter-Gewerkschaft UFO ("Wir sind auf der Suche nach flexiblen Talenten, Experten und Quereinsteigern, die Teil unserer Familien-Chronik werden wollen") oder die IT-Firma Blu ("Dann finden wir gemeinsam mit Ihnen eine passende Einstiegsmöglichkeit innerhalb der Blu-Familie").
Die Familie als Kitt zwischen Unternehmen und Belegschaft - das ist die Idee. Gemeinsinn, Verantwortung, Vertrauen sollen Mitarbeiter locken, sie sollen sich identifizieren mit ihrer Firma. Denn: Wer sich nicht an den Arbeitgeber emotional gebunden fühlt, ist weniger eigeninitiativ, leistungsbereit, verantwortungsbewusst, so die landläufige Meinung. Klingt logisch, doch die Berufswelt funktioniert nicht nach einem solch simplen Schema.
Was die emotionale Bindung an den Arbeitsplatz stärkt
Das zeigt zum Beispiel der Gallup Engagement Index. Demnach empfinden gerade einmal 15 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland eine hohe emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber. 70 Prozent haben eine geringe, 15 Prozent gar keine Bindung. Das Meinungsforschungsinstitut befragt seit 2001 zufällig ausgewählte Arbeitnehmer, seither stagnieren die Kategorien auf ihrem jeweiligen Niveau, die "hohe Bindung" schwankt zwischen elf und 16, "keine Bindung" zwischen 15 und 24 Prozent.
Spielt Identifikation also keine Rolle? Wollen sich Mitarbeiter überhaupt mit der Firma gleichsetzen? Braucht es irgendeine emotionale Bindung, oder reicht der nüchterne Deal "Arbeitskraft gegen Geld"? Und was ist eigentlich identitätsstiftend?
Extra-Leistungen und Vergünstigungen zum Beispiel: Handy, Firmenwagen, Dienstwohnung, Freikarten für Theater und Konzert, betriebseigene Tennisplätze. Oder auch schiere Äußerlichkeiten, einheitliche Kleidung etwa. In manchen Berufen sind Uniformen gesetzlich vorgeschrieben, etwa für Polizisten, Zollbeamte, Post- oder Bahnbedienstete. In manchen sind sie sinnvoll, etwa um im überfüllten Baumarkt einen Verkäufer zu finden.