EU-Urheberrecht:"Es gibt keine Verpflichtung für Upload-Filter"

EU - Europa-Fahne weht vor dem Europäischen Parlament

Die EU will das Urheberrecht an das digitale Zeitalter anpassen. Doch Kritiker befürchten, dass die Reform mehr schadet als nutzt.

(Foto: dpa)

Die grüne Europaabgeordnete Helga Trüpel unterstützt die umstrittene Urheberrechtsreform. Sie hält die Kritik für maßlos übertrieben und hat keine Angst vorm großen Filtern.

Interview von Simon Hurtz

Am Mittwochabend haben sich Vertreter des EU-Parlaments und der EU-Mitgliedstaaten auf eine Reform des Urheberrechts geeinigt. Die Richtlinie ist umstritten, Kritiker sehen in ihr eine Gefahr für das freie Netz. Auch die SZ veröffentlichte einen Kommentar, der die Risiken der Reform in den Vordergrund rückt.

Helga Trüpel kritisierte den Text auf Twitter als "völlig einseitig". Im Interview erklärt die stellvertretende Vorsitzende des Kultur- und Bildungsausschusses, warum sie die Reform richtig und überfällig findet. Ihrer Meinung nach verbreiten die Gegner unnötige Panik vor dem Kompromiss. Die Richtlinie solle lediglich sicherstellen, dass geistiges Eigentum im Netz geschützt wird und Urheber von ihrer Arbeit leben können.

SZ: Sie haben die Urheberrechtsreform von Beginn an unterstützt und befürworten auch den aktuellen Kompromiss. Warum?

Helga Trüpel: Ich unterstütze die Reform, weil ich will, dass Kulturschaffende angemessen für ihre Arbeit bezahlt werden. Allerdings habe ich als Angehörige des Kulturausschusses einige Verbesserungen in den Text hineingeschrieben. Zum Beispiel, dass auch Journalisten an den Einnahmen des Leistungsschutzrechts beteiligt werden.

Gestern Abend haben Sie eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der Sie schreiben, dass "Bedenken der Reformgegner berücksichtigt" würden. Zumindest in sozialen Medien ist der Protest groß. Wie erklären Sie sich die unterschiedliche Wahrnehmung?

Bei dem Thema prallen viele unterschiedliche Interessen und Wahrnehmungen aufeinander. Ich nehme die Besorgnis sehr deutlich wahr, schließlich arbeite ich seit zehn Jahren an dem Thema. Ich kenne die Argumente der Gegner dieser Reform, ich teile sie nur nicht. Im aktuellen Kompromiss haben wir viele Ausnahmen verankert, etwa für Wikipedia oder kleine Foren. Die sind vom besonders heftig diskutierten Artikel 13 gar nicht betroffen. Aber das taucht in der Argumentation der Piraten und Netzaktivisten gar nicht auf. Die glauben alle, dass sie jetzt nichts mehr hochladen dürfen. Das ist schlicht falsch.

Die Kritik an der Reform in ihrem aktuellen Zustand kommt nicht nur von Piraten und Netzaktivisten. Datenschützer, Juristen, IT-Verbände, Verbraucherschützer und zahlreiche Netzpolitiker, auch in ihrer eigenen Partei, lehnen den Kompromiss ab. Haben die alle keine Ahnung?

Die Argumentation der Gegenseite lautet, dass es eine Verpflichtung für Upload-Filter gebe. Diese Pflicht existiert nicht. Aber da das immer wieder suggeriert wird, regen sich die Leute darüber auf. Wenn es so wäre, wie die Gegner behaupten, dann wäre ich auch dagegen. Aber so ist es nicht.

Helga Trüpel

Helga Trüpel sitzt seit 2004 für die Grünen im EU-Parlament.

(Foto: privat)

Wie können Plattformen Urheberrechtsverletzungen verhindern, ohne alle Inhalte vorab zu filtern?

Die kommerziellen Anbieter sollen mit den Verwertungsgesellschaften kooperieren, um die Inhalte dann zu lizenzieren. Niemand muss filtern, sondern nur Rechte erwerben. Wer allerdings die Urheberinnen und Urheber nicht angemessen vergüten will, darf diese Inhalte nicht unbegrenzt nutzen.

Die Richtlinie wird also nicht darauf hinauslaufen, dass auch nur ein Anbieter eine automatische Vorab-Filterung einführt?

Genau. Die Unternehmen sollen nur dafür zahlen, wenn sie mit Inhalten von Dritten umgehen. In der analogen Welt müssen Menschen für ihre geistige Arbeit angemessen entlohnt werden. Das muss im digitalen Raum auch der Fall sein.

Fast genauso umstritten ist das Leistungsschutzrecht in Artikel 11. Wenn Aggregatoren kurze Zitate nutzen, um auf Artikel zu verlinken, sollen sie die Verlage dafür bezahlen. Das zielt vor allem auf Google ab. Vergleichbare Vorhaben in Deutschland und Spanien sind gescheitert. Warum soll das auf EU-Ebene besser funktionieren?

Ich glaube, dass Google kein Interesse daran hat, seine Dienste für 500 Millionen Nutzer zu beschneiden, so wie sie es auf nationaler Ebene gemacht haben. Dafür ist der europäische Markt zu groß. Für Google steht finanziell zu viel auf dem Spiel, um alles aus dem Netz zu nehmen.

Aber bei Google News gibt es gar keine Werbung, sie verdienen doch gar nichts damit?

Aber es schadet vielen Verlagen. Google behauptet seit Jahren, dass es eine Win-Win-Situation sei, aber das stimmt nicht. Den Medien schadet es, wenn Google ihre Inhalte übernimmt, ohne dafür zu zahlen.

In Spanien hat Google seinen News-Dienst einfach dicht gemacht. Damit drohen sie auch in Europa, falls das Leistungsschutzrecht in Kraft tritt. Ist das bloßes Säbelrasseln?

Ich glaube nicht, dass Google so weit geht. Und wenn, dann hoffe ich, dass sich neue, legale Angebote etablieren.

Ein häufiger Vergleich lautet: Restaurants verlangen auch keinen Wegzoll von Taxifahrern, die ihnen Gäste bringen. Die SZ und andere Medien erhalten Hunderttausende Leser von Google. Warum sollten Suchmaschinen Verlage dafür bezahlen, dass Menschen auf diesem Weg zu ihnen finden?

Dieser Vergleich hinkt. Die Suchmaschinen haben nur Vorteile und die Verlage Nachteile. Es geht eben nicht nur um das Hinbringen, die Plattformen spielen eine aktive Rolle. Viele Nutzer gehen nur noch zu Google News, aber nicht mehr auf die Webseiten der Zeitungen, die die Inhalte produzieren. Das ist kein nachhaltiges Modell für die Verlage. Deswegen soll es hier mehr Gerechtigkeit geben.

Gegner der Reform sagen: Jetzt kann nur noch das EU-Parlament das freie Netz retten. Sie mobilisieren bereits kräftig und rufen dazu auf, den Abgeordneten die Meinung zu sagen. Was glauben Sie: Wird das Parlament die Reform noch vor der Europawahl endgültig auf den Weg bringen?

Ich hoffe das. Ich werde jedenfalls dafür arbeiten und versuchen, die Sorgen vieler Bürgerinnen und Bürger auszuräumen. Es geht mir um eine angemessene Regulierung der digitalen Plattformen.

Und was passiert, wenn die Abgeordneten die Richtlinie ablehnen, so wie sie 2012 auch das Acta-Abkommen gestoppt haben?

Dann wird es einen erneuten Versuch geben, den Tech-Giganten Grenzen aufzuzeigen. Ich bin allerdings der Meinung, dass jetzt die Zeit dafür gekommen ist.

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