Nach dem Kirchenskandal:Kommission rührt nicht an Ehrenbürgerwürde für Benedikt XVI.

Lesezeit: 3 Min.

Im Juli 2011 ist der Platz vor dem Traunsteiner Landratsamt nach Papst Benedikt XVI. benannt worden. (Foto: Diether Endlicher/dpa)

Das Gremium im Landkreis Traunstein arbeitet sich am Missbrauchsgutachten des Erzbistums München und Freising ab und soll herausfinden, ob der emeritierte Papst all der Ehrungen noch würdig ist. Das Ergebnis ist eindeutig.

Von Matthias Köpf, Traunstein

Völlig spurlos wird der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche auch am Landratsamt in Traunstein nicht vorübergehen. Das steht am Papst-Benedikt-XVI.-Platz, und eine eigene Hausnummer braucht es dort nicht, denn sein Vorhof wurde einst eigens umbenannt zu Ehren jenes Papstes, der Traunstein gern als seine Heimatstadt bezeichnet. Nun aber sollen die Schilder nicht mehr nur für sich und den inzwischen ehemaligen Papst stehen. Man werde "eine Kontextualisierung an unserem Gebäude am Papst-Benedikt-XVI.-Platz vornehmen und QR-Codes mit weiteren Informationen an unserem Gebäude anbringen", kündigte Landrat Siegfried Walch (CSU) am Dienstag an.

Davon, den Platz wieder umzubenennen, spricht Walch hingegen nicht und orientiert sich zumindest dabei an dem Abschlussbericht, den sein Amt tags zuvor veröffentlicht hat. Denn aus Sicht der kommunalen Kommission, die beurteilen sollte, ob Benedikt all der Ehrungen noch würdig ist, mit denen man sich im Landkreis Traunstein bis vor Kurzem selber gern geschmückt hat, besteht da "kein Handlungsbedarf".

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Ob Benedikt in den Jahren 1977 bis 1982 noch als Josef Ratzinger und als Erzbischof von München und Freising konsequent genug auf Missbrauchsvorwürfe gegen einzelne Kirchenmänner reagiert hat, diese Frage treibt nicht nur den Landkreis Traunstein als ganzen um. Auch die Kreisstadt hat Ratzinger und sich selbst 2007 eine Bronzebüste auf den Stadtplatz gestellt, an der sich inzwischen selbst innerkirchlich die Geister scheiden. Ratzinger ist seit 2005 Ehrenbürger in Traunstein und seit 2007 auch im nahen Städtchen Tittmoning. Dort hatte er jenen Kindergarten besucht, der nun nach ihm benannt ist. 2019, sechs Jahre nach dem Rücktritt als Papst, kam dann die Ehrenbürgerwürde der Gemeinde Surberg hinzu, wo die Ratzingers zeitweise wohnten, als der junge Josef in Traunstein zur Schule ging und das Seminar St. Michael besuchte.

Die Gemeinde, beide Städte und der Landkreis haben im Januar gemeinsam die Kommission eingesetzt, die ihnen eine Handreichung zum Umgang mit all den Ehren erarbeiten sollte. Denn kurz zuvor hatte die Erzdiözese München und Freising ein Gutachten einer Anwaltskanzlei veröffentlicht, das den jahrelangen Missbrauch von Schutzbefohlenen durch Kleriker sowie den Umgang der Kirchenführung damit beleuchtet. Der emeritierte Papst hatte in einer ersten Reaktion abgestritten, an einer bestimmten Sitzung zum Umgang mit dem pädophilen Priester H. teilgenommen zu haben. Später hatte er diese Angabe korrigiert.

Nach seinem Besuch der alten Heimat im Juni 2020 verlässt der emeritierte Papst Benedikt XVI. vom Flughafen München aus Bayern wieder in Richtung Italien. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Traunsteiner Kommission, die sich "mit dem Thema aus historischer, juristischer und theologischer Sicht befassen" sollte, hat sich laut ihrem eigenen Abschlussbericht vorrangig an dem Gutachten abgearbeitet und sich mit den verschiedenen Reaktionen darauf sowie mit der Rechtslage befasst. Selber Missbrauchstaten oder den Umgang mit den Opfern zu untersuchen, war demnach "ausdrücklich nicht Gegenstand der Kommissionsarbeit".

Die Gruppe, die sich aus dem Kreisjuristen, der Kulturamtsleiterin und einer Mitarbeiterin des Jugendamts im Landkreis sowie dem Regionaldekan der evangelischen Kirche, einem ehemaligen Notar und einem ehrenamtlichen Heimatforscher zusammensetzt, hat sich nach eigenen Angaben am Kriterienkatalog für Straßenumbenennungen des Deutschen Städtetags orientiert und kommt zum Schluss, dass alle die Benedikt-Kindergärten und -Plätze ihren Namen ebenso behalten könnten wie die jeweiligen Kommunen ihren Ehrenbürger.

Denn umbenannt und aberkannt werden müsste nach Ansicht der Kommission nur dann, "wenn sich ein substanziell verändertes Geschichtsbild oder maßgeblich neue Erkenntnisse rund um eine geehrte Persönlichkeit ergeben haben". Eventuelle Versäumnisse des Erzbischofs Ratzinger hält die Gruppe aber nicht für gravierend genug, zumal Personen wie er "in der Öffentlichkeit stets Gegenstand gesellschaftlicher Deutungskämpfe sind und sich im Verlauf der Zeit der Kodex dessen ändert, was als ehrenwert anerkannt wird und was nicht".

Jedenfalls sei Ratzinger von keinem Gericht verurteilt worden und habe daher als unschuldig zu gelten. Ihm selbst könnten keine "Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipen" angelastet werden. Eine "moralische" Mitverantwortung, wie sie das Gutachten betone, reiche nicht aus. Man dürfe vom Papst auch kein persönliches Schuldeingeständnis verlangen, wo er sich doch zu seiner "organisationalen Verantwortung" für die ganze Kirche und deren Fehler bekannt habe.

Was eine "geschichtspolitische und kulturelle Einordnung" betrifft, wie sie Landrat Walch nun per QR-Code zum Einscannen am Papst-Benedikt-XVI.-Platz bieten will, so rät die Kommission zuvor eine "fachlich fundierte Forschungsarbeit" an. Walch bedankte sich höflich bei der Kommission. Ihr Bericht stehe "für sich und man sollte ihn durchaus als neutrale Bewertung so zur Kenntnis nehmen". Die Entscheidung in der Ehrenbürger-Frage liegt nun bei den einzelnen Stadt- und Gemeinderäten.

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