Regierung in Bayern steht:"Wir stellen das Land nicht auf den Kopf"

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Da ist der Koalitionsvertrag: Bayern wird auch nach der Wahl von einem Bündnis aus CSU und Freien Wählern regiert. Die Spitzen beider Parteien und Fraktionen einigten sich am Donnerstag auf eine erneute Zusammenarbeit. (Foto: CHRISTOF STACHE/AFP)

CSU und Freie Wähler haben sich auf einen Koalitionsvertrag für die kommenden fünf Jahre geeinigt. Große Reformen sind dabei nicht zu erwarten, wie Söder und Aiwanger bei der Präsentation andeuten.

Von Thomas Balbierer

Knapp drei Wochen nach der Landtagswahl in Bayern haben sich CSU und Freie Wähler auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Am Donnerstagnachmittag unterschrieben die Parteichefs Markus Söder (CSU) und Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sowie die beiden Fraktionschefs Klaus Holetschek und Florian Streibl das insgesamt 87-seitige Dokument. Es steht unter dem Motto "Freiheit und Stabilität für Bayern" und enthält laut Söder "viele neue Projekte, über 70". Aber: "Wir stellen das Land nicht auf den Kopf." Aiwanger sagte, dass die neue Regierung Dinge ermöglichen wolle, statt zu verhindern. "Wir wollen nicht bevormunden, wir wollen keine ideologischen Debatten führen", sagte Aiwanger.

Einzelne Vorhaben sind zum Beispiel die Schaffung von 180 000 neuen Kinderbetreuungsplätzen, die Verschärfung von Regeln zum Bürokratieabbau oder die Einführung einer wöchentlichen "Verfassungsviertelstunde" an bayerischen Schulen. Dort sollen bis 2028 außerdem 9000 neue Stellen für Lehrer und weiteres Schulpersonal entstehen. Ein Dauerthema deutscher Regierungen taucht auch in diesem Koalitionsvertrag auf: die Digitalisierung der Verwaltung. Unter anderem will die neue Regierung künstliche Intelligenz "breitflächig" in Behörden einsetzen. "So können etwa Chatbots Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern zu jeder Tages- oder Nachtzeit beantworten."

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Grundsätzliche Reformen oder überraschende Kursänderungen der bisherigen Linie finden sich in dem Papier nicht. Stattdessen betonte Söder die Stabilität der Koalition. Man wolle "eine bürgerliche Regierung, eine verlässliche Regierung" sein, die die "Menschen in schweren Zeiten durch die Krise führt", sagte er. Wie genau diese Regierung dann aussieht, ist nicht endgültig bekannt, die Postenverteilung in der CSU ist noch offen. Söder soll am Dienstag im Landtag erneut zum Ministerpräsidenten gewählt werden.

Fest steht aber bereits, dass die Freien Wähler für ihren Sprung auf 15,8 Prozent der Wählerstimmen mit einem vierten Ministerium belohnt und zusätzlich das Digitalministerium erhalten werden. Dieses wird der bisherige Parlamentarische Geschäftsführer Fabian Mehring führen. Kultusminister Michael Piazolo wird von seiner bisherigen Staatssekretärin Anna Stolz abgelöst, Umweltminister bleibt Thorsten Glauber. Auch Hubert Aiwanger behält sein Amt als Wirtschaftsminister. An seiner Seite neu ins Kabinett rückt als Staatssekretär der Oberpfälzer Tobias Gotthardt.

Die CSU hatte bei der Landtagswahl am 8. Oktober mit 37 Prozent das schlechteste Ergebnis seit 1950 eingefahren, während die Freien Wähler ein Rekordergebnis erzielten und erstmals zweitstärkste Kraft in Bayern wurden. Schon am Tag nach der Wahl waren Differenzen zwischen Söder und Aiwanger über die Frage aufgetreten, ob den Freien Wählern ein viertes Ministerium zustehe oder nicht. Aiwanger hatte die CSU dabei als "mädchenhaft" bezeichnet, während Söder dem Koalitionspartner vorwarf, sich "pubertär" zu verhalten.

Man habe "neues Vertrauen zueinander gefasst"

Am Donnerstag betonte Söder nun, dass man "in Rekordzeit" das alte und neue Bündnis verhandelt und "neues Vertrauen zueinander gefasst" habe. Aiwanger betonte, dass man die bewährte Arbeit der vergangenen fünf Jahre fortsetzen wolle. Gleichzeitig attestierte er der Koalition einen "neuen Geist".

Dieser war vor allem durch die Affäre um ein antisemitisches Flugblatt aus Hubert Aiwangers Schulzeit nötig geworden. Die Affäre, die wenige Wochen vor der Landtagswahl durch SZ-Recherchen öffentlich geworden war, stellte die Koalition vor eine Belastungsprobe. Nach intensiven Gesprächen, betonten beide Parteichefs, habe man eine vertrauensvolle Basis für die Zusammenarbeit geschaffen.

Die gemeinsamen Werte sollen sich in einer dem Koalitionsvertrag vorangestellten Präambel wiederfinden. Dort stehen nun zum Beispiel folgende Sätze: "Wir treten jeglicher Form von Antisemitismus, Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus entschlossen entgegen. Im Bewusstsein unserer Geschichte und aus innerster Überzeugung bekennen wir uns zu unserer historischen Verantwortung und den Prinzipien unserer Demokratie."

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