Medizin der Zukunft:"Germknödel und Gentechnik"

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Große Gentechnologie: Roche-Entwickler Markus Haindl mit einem Modell der DNA-Doppelhelix. (Foto: Manfred Neubauer)

Der Schweizer Pharma-Konzern Roche erweitert seinen Standort Penzberg um ein neues Entwicklungszentrum für Gentherapien.

Von Matthias Köpf, Penzberg

Wenn Markus Haindl erklären soll, wozu der Pharmakonzern Roche dieses neue Entwicklungszentrum braucht, dann versucht er es mit einem Fahrrad und einem Space Shuttle. Das Fahrrad steht für eine Arznei wie Aspirin, das entscheidende Molekül darin hat 21 Atome. Es gibt natürlich auch komplexere Medikamente, die in Haindls Vergleich einem Auto entsprechen. Und es soll in Zukunft immer mehr von diesen Space Shuttles geben - virenartige Präparate, die neue Gensequenzen in menschliche Zellen einschleusen, um dort beschädigtes Erbgut zu ersetzen oder die Produktion von körpereigenen Medikamenten zu programmieren.

Solche Genvektoren bestehen laut Haindl aus mehr als 800 000 Atomen. Sie wissenschaftlich noch besser zu verstehen und zugleich in Mengen herzustellen, wie sie für klinische Studien nötig sind, ist das Ziel, das der Roche-Konzern und Haindl als dessen Leiter für die technische Entwicklung von Gentherapien in den neuen, 90 Millionen Euro teuren Labors in Penzberg verfolgen. Eröffnet wurden sie am Dienstag deshalb nicht mit dem symbolischen Durchschneiden eines Bandes, sondern durch Vervollständigen eines Modells der DNA-Doppelhelix.

Der Roche-Standort in Penzberg im Landkreises Weilheim-Schongau ist mit mehr als 7700 Mitarbeitern der zweitgrößte in Deutschland nach Mannheim, und zuletzt vor allem durch die Corona-Pandemie stark gewachsen, die der Diagnostik-Sparte des Schweizer Konzerns einen besonderen Boom beschert hat. Doch auch schon lange davor drehten sich praktisch unablässig Kräne über dem ehemaligen Bergwerksgelände im Nonnenwald. Das Roche-Areal umfasst 59 Hektar, 13 davon sind noch unbebaute Erweiterungsflächen. Allein 2024 soll es noch einen Spatenstich und eine Grundsteinlegung für ein 600 Millionen Euro teures Diagnostik-Produktionszentrum geben, ein zugehöriger Labor- und Bürokomplex soll Ende des Jahres bereits in Betrieb gehen.

Zu solchen Anlässen heißt Roche gern die Politik willkommen. Am Dienstag ließ sich Ministerpräsident Markus Söder aus München per Video zuschalten. Sein Grußwort handelte auch von Spitzentechnologie und Quantencomputing, kam aber in Penzberg auf weiten Strecken bloß als kleine Zahl einzelner Wortatome an und endete damit, dass Söder das Wort "Sorry" auf einen Zettel schrieb und diesen in die Kamera hielt. Dafür ergänzte der Vorstand von Roche-Pharma in Deutschland, Hagen Pfundner, das freistaatliche Begriffspaar "Laptop und Lederhose" um "Bratwurst und Biotech" sowie "Germknödel und Gentechnik" und lobte Söder für dessen Mithilfe, die "fehlgeleitete Gesundheitspolitik" im Bund auf den "richtigen Pfad" zu bringen. Die "Nationale Strategie für Gen- und Zelltherapien" erlaube es der Industrie, bei Innovationen unternehmerische Risiken einzugehen.

Große Bedeutung könnte die Gentherapie nach den Worten weiterer Roche-Vertreter sowie von Forschern wie der Münchner TU-Virologin Ulrike Protzer nicht nur für die Industrie bekommen, sondern vor allem für die vielen Menschen, die unter einer von Tausenden erblich bedingten und bisher zum allergrößten Teil nicht heilbaren Krankheiten leiden.

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