Naturschutz:Rindenschröter und andere Urwaldrelikte

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Der maximal eineinhalb Zentimeter große Rindenschröter ist eine streng geschützte Art, deren Lebensraum Nadelbäume sind. (Foto: Henning Werth/Alpinium)

Ein Forschungsprojekt in den Bergwäldern der Allgäuer Alpen dokumentiert eine unerwartet reiche Insektenvielfalt in der Region.

Von Christian Sebald, Sonthofen

Der schwarz glänzende Rindenschröter oder Ceruchus chrysomelinus, wie der wissenschaftliche Namen der streng geschützten Käferart lautet, kann nicht ohne alte, faulige Tannen oder Fichten sein. Als Larve lebt er zwei bis drei Jahre in ihnen und zwar direkt in dem Bereich zwischen morschem und frischem Holz. Dort verpuppt er sich auch. Ende des Sommers schlüpfen dann die adulten Käfer. Sie überwintern noch in den Nadelbäumen, sodass man sie erst im folgenden Sommer in den Wäldern antreffen kann. Die Käfer selbst sind mit maximal eineinhalb Zentimetern vergleichsweise klein, aber wegen ihres schwarzen, stark glänzenden Körpers recht auffällig. Der Rindenschröter ist extrem selten, auf der Roten Liste wird er als stark gefährdet geführt.

In den Bergwäldern der Allgäuer Alpen haben Forstleute rund um den Biologen Henning Werth jetzt den Rindenschröter wiederentdeckt. Der Käfer war dort lange heimisch, die letzten Jahrzehnte aber verschollen. Die Funde gelangen bei einem Weißtannen-Projekt am Alpinium der Regierung von Schwaben. Dabei werden die Bergwälder des Staatsforstbetriebs Sonthofen mittels spezieller Fallen systematisch auf die Insektenwelt in ihnen abgesucht. Die Ergebnisse waren überraschend. "Wir haben bereits 115 Totholz-Käferarten dokumentiert", sagt Werth, der Vize-Chef des Alpiniums ist. "Darunter sind alleine zwölf Rote-Liste-Arten, die wie der Rindenschröter stark gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht sind." Totholz-Käfer sind Arten, die rund um absterbende, zerfallene Bäume leben, sie gelten als Indiz für besonders naturbelassene und intakte Wälder. Sie werden deshalb auch Urwaldrelikte oder Relikt-Arten genannt.

Das Alpinium dient dem Schutz der bayerischen Alpen

Der Chef des Sonthofener Staatsforstbetriebs, Jan Oetting, freut sich sehr über die Ergebnisse. Bestätigt es doch sein Credo, dass Naturschutz und Forstwirtschaft keine Gegensätze sind, "sondern Hand in Hand gehen", wie er sagt. Der Rindenschröter etwa wurde im Oberdorfer Wald bei Martinszell südlich von Kempten entdeckt. Allerdings betreuen Oetting und seine Förster auch fünf Naturwaldreservate in der Region. In ihnen findet teilweise seit vielen Jahren keine Forstwirtschaft mehr statt, die Wälder bleiben sich selbst überlassen. In ihnen ist die Artenvielfalt besonders groß. Das Naturwaldreservat Achrain etwa liegt in einer tief eingeschnittenen Schlucht, die sich die Weißach hier gebahnt hat. Hier kommen so seltene Pflanzen wie die Davallsche Segge oder der Bunte Schachtelhalm vor, dazu Sandbienen, Schwarzspechte und sogar Weißrückenspechte. Auch die Eibe hat hier günstige Bedingungen.

Den Biologe Werth freut derweil besonders, dass bei dem Projekt auch ein Pseudoskorpion entdeckt worden ist. Pseudoskorpione oder Afterskorpione haben eine große Ähnlichkeit echten Skorpionen, aber nichts mit diesen zu tun. Die maximal sieben Millimeter großen Tiere zählen vielmehr zu den Spinnentieren. Weltweit sind etwa 3000 Arten bekannt, in Mitteleuropa sind es etwa hundert. Der Fund beim Weißtannen-Projekt ist bayernweit erst der vierte. Das Alpinium bei der Regierung von Schwaben ist ein Kompetenzzentrum für den Schutz der bayerischen Alpen. Es entwickelt Modellprojekte in den Bereichen Naturschutz, Tourismus und Landnutzung. Das Weißtannen-Projekt soll in diesem Jahr ausgeweitet werden.

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