Mitten in Bad Reichenhall:Zu grün für alle anderen

Lesezeit: 1 min

Im Bad Reichenhaller Rathaus braucht es eine neue Sitzordnung. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

In Bad Reichenhall will die Mehrheit der Stadträte einen Fraktionswechsel zweier ehemaliger Grüner nicht hinnehmen. Erst ein Gericht hat jetzt entschieden, dass die Abtrünnigen selbst am besten wissen dürften, welcher politischen Überzeugung sie sind.

Glosse von Matthias Köpf, Bad Reichenhall

Ob es wirklich gelingen kann, sich glaubhaft von den Grünen zu distanzieren? Deutschlandweit sind die Grünen vergangenes Jahr jedenfalls erstmals seit Längerem weniger geworden, um 0,36 Prozent - und ja: Es gab auch Austritte, nicht nur Todesfälle. Aber die Mitgliedschaft in der Partei ist für die Stadträte in Bad Reichenhall ja gerade gar nicht das Thema, sondern die Zugehörigkeit zur grünen Ratsfraktion. Ein Ehepaar, das 2020 für die Grünen kandidiert hatte, könne sich jetzt nicht einfach der Bürgerliste zuwenden, wo sie doch im Herzen bestimmt noch Grüne seien! Dies hatte eine klare Mehrheit im Reichenhaller Stadtrat beschlossen, gebildet übrigens aus Fraktionen, denen sich das Ehepaar ausdrücklich nicht anschließen wollte.

Diese Fraktionen wollten keine glaubhafte Distanzierung der Eheleute von den Grünen erkennen können, trotz der Differenzen wegen Corona und obwohl der Austritt der Frau schon eine Weile zurückliegt und der Mann erst später als Nachrücker in den Rat gelangt ist und der grünen Fraktion noch nie angehört hat. Die Bürgerliste hat dann gegen die Mehrheitsentscheidung geklagt - und das Verwaltungsgericht München hat nun durchaus eine Abkehr der beiden von ihrer bisherigen Wählerschaft erkannt. Aber darauf kommt es auch Sicht der Richter eigentlich gar nicht so sehr an.

Auch ihnen war klar, worauf es wiederum den Streitparteien ankam, nämlich auf die Sitzverteilung in den Ausschüssen. Die bemisst sich nach der Fraktionsstärke, und zwar nur danach. Eine inhaltliche Bewertung politischer Überzeugung dürfe nicht erfolgen, entschieden die Richter und verwiesen auf den Grundsatz des freien Mandats. Der gelte im Kern auch kommunal und besage, dass Gewählte nicht einer Partei verpflichtet seien, sondern nur ihrem Gewissen. Sie dürfen also selbst ihrer jeweiligen Überzeugung sein und müssen sich da nicht nach ihrer ehemaligen Partei richten und schon gar nicht nach den Mutmaßungen ihrer politischen Gegner.

Konkret ordneten die Richter einstweilig an, drei Ausschüsse neu zu besetzen. Die Bürgerliste, deren Fraktion damit auf fünf Mitglieder gewachsen ist, erhält je einen zusätzlichen Sitz - und zwar wegen der Berechnungsweise auf Kosten der Freien Wähler und nicht auf Kosten der verlassenen Grünen. Aber das hätte die anderen ja auch nicht so aufgeregt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusEnergiewende
:Thurn und Taxis macht in Wind

Das Fürstenhaus will im großen Stil ins Geschäft mit den Windrädern einsteigen. Geplant sind Dutzende Anlagen in Wäldern östlich von Regensburg. Nur das prominenteste Familienmitglied fiel bislang nicht als Windkraft-Fan auf.

Von Matthias Köpf

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: