Strukturpolitik:Stadt, Land, Amt

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Bis zu hundert Arbeitsplätze soll die neue Außenstelle der Regierung von Oberbayern am Rand eines Rosenheimer Gewerbegebiets fürs Erste bieten. Am Montag wurde sie eröffnet. (Foto: Matthias Köpf)

Mit der Behördenverlagerung will Bayern seit 2015 strukturschwache Gebiete stärken. Manchmal profitieren davon auch größere Städte - wie aktuell Ingolstadt und Rosenheim.

Von Matthias Köpf, Rosenheim

Der ländliche Raum, das könnte die Kampenwand sein dort in der Ferne, oder drüben der Wendelstein. Der Ausblick auf die unmittelbare Nachbarschaft verheißt aber anderes: ein Fitnessstudio, ein Kopier-Shop, ein Restpostenmarkt und davor Dutzende nummernlose Autos auf den Plätzen der Gebrauchtwagenhändler. Vor der Tür gibt es E-Ladesäulen und drinnen ist auch alles nagelneu, viel Glas, frische Zimmerpflanzen, höhenverstellbare Schreibtische. Sogar zwei rote Sofas zum Zurückziehen mit dem Laptop.

Bis zu hundert Arbeitsplätze soll die neue Außenstelle der Regierung von Oberbayern am Rand eines Rosenheimer Gewerbegebiets fürs Erste bieten. Der Umzug ist das jüngste Ergebnis der bayernweiten Behördenverlagerung, mit der die Staatsregierung seit 2015 den ländlichen Raum stärken will. Dabei sieht sie sich jedenfalls selbst auf einem guten Weg und erntet inzwischen nur noch punktuell Widerspruch von Experten und betroffenen Staatsdienern.

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Mit der Außenstelle in Rosenheim und der zwei Wochen zuvor eröffneten Dependance in Ingolstadt stärkt die Staatsregierung zunächst zwei ohnehin boomende Städte, in denen zum Beispiel das Wohnen längst auch immer teurer wird. Und womöglich stärkt sie indirekt die Metropole München, denn laut Innenmister Joachim Herrmann (CSU) bei der Eröffnung am Montag diene das alles auch "der Entlastung des Ballungsraums München" mit seinen steigenden Mieten, dem vielen Verkehr und dem wachsenden Fachkräftemangel.

Regierungspräsident Konrad Schober sieht mit den Außenstellen "Vorteile bei der Personalgewinnung". Seine Behörde könne so Personal von Salzburg bis ins südliche Mittelfranken rekrutieren. Die Mitarbeiter müssen sich vorerst nicht für einen Ort entscheiden, sondern können sich zunächst auch tage- oder wochenweise einbuchen. Ein Ende wird diese friedenwahrende Freiheit erst mit der Entscheidung finden, welche Abteilungen komplett nach Ingolstadt oder Rosenheim umziehen. In beiden Städten sollen bis 2030 jeweils 500 Dienstposten entstehen, 600 sollen in München bleiben.

Was die Behördenverlagerung insgesamt betrifft, ist die Regierung von Oberbayern ein Sonderfall. Sie lässt sich kaum ins Fichtelgebirge oder in die nördliche Oberpfalz verlagern. Außerdem wetteiferten Ingolstadt und Rosenheim sogar kurz um den Titel der Bezirkshauptstadt, nachdem Ministerpräsident Markus Söder (CSU) 2020 alle mit dem Vorschlag überrascht hatte, aus München einen eigenen, achten Regierungsbezirk zu machen. Darüber spricht aber längst niemand mehr, auch weil es dafür eine Verfassungsänderung bräuchte.

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In München werde es für wechselunwillige Staatsdiener immer Stellen in anderen Behörden geben, versichert Herrmann in Rosenheim, ehe ein gemischter Chor aus zwei Dutzend Beamten und Politikern, begleitet vom Flötentrio des Polizeiorchesters, noch die Bayernhymne und das Deutschlandlied anstimmt. Das Mitsingen ist für Staatsdiener genauso freiwillig, wie es der Umzug an einen anderen Dienstsitz sein soll. Niemand werde gegen seinen Willen versetzt, betont der zuständige Finanzminister Albert Füracker (CSU). Zwei Drittel der bisher bayernweit verlagerten Arbeitsplätze habe man "entsprechend dem ausdrücklichen Versetzungswunsch der Beschäftigten" besetzt, ein Drittel durch Neueinstellungen, während am alten Dienstsitz Kollegen in den Ruhestand gingen.

Im ersten Schritt geht es um weniger als ein Prozent aller Beamten in Bayern

Füracker nennt die Umzüge ein "wichtiges Instrument aktiver Strukturpolitik". Auch durch sichere und heimatnahe Behördenarbeitsplätze zeige sich "eine positive Bevölkerungsentwicklung im ländlichen Raum, der Abwanderungstrend wurde gestoppt". Dabei betrifft das Programm in seiner ersten Stufe bis 2025 nur rund 2500 Arbeitsplätze, also nicht einmal ein Prozent aller bayerischen Staatsbediensteten. Mehr als 1400 Beschäftigte in 55 von geplanten 66 staatlichen Stellen sowie 430 von geplanten 930 Studienplätzen seien seit 2015 verlagert worden, heißt es aus Fürackers Ministerium.

Bis 2030 sollen es noch einmal 2670 Stellen und 400 Studienplätze sein. Neben den neuen Außenstellen der Regierung von Oberbayern umfasst diese zweite Stufe etwa eine Teilverlagerung des Bauministeriums mit 200 Arbeitsplätzen nach Augsburg, einen Umzug des Landesamts für Finanzen mit 300 Stellen nach Weiden, ein neues Logistikzentrum der Polizei in Hof mit 300 Stellen, 300 meist neu zu besetzende Stellen am Grundsteuerfinanzamt in Zwiesel und Viechtach sowie 400 Studienplätze in Kronach.

Am Sinn einzelner Projekte wie dem kürzlich begonnenen Neubau für das Staatsarchiv Würzburg im 25 Kilometer entfernten Kitzingen gibt es durchaus Zweifel, aber insgesamt zeigen sich auch Fachleute wie Holger Magel mit dem Programm zufrieden. Wenn der Staat an der "Realutopie" gleichwertiger Lebensbedingungen in Stadt und Land festhalten wolle, dürfe er sich nicht auf den Markt verlassen, sondern müsse am Land selbst "höherwertige Arbeitsplätze" anbieten, sagt der emeritierte Professor für Landesentwicklung. Aus seiner Sicht müssten aber nicht unbedingt Rosenheim und Ingolstadt profitieren, oder Nürnberg mit seinem zweiten Dienstsitz des Finanzministeriums. Die auch gelegentlich kritisierten Umzugskosten hält Magel für gerechtfertigt: "In zehn oder 20 Jahren fragt keiner mehr, was das gekostet hat, sondern schaut nur, was aus dem Ort geworden ist."

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