Mitten in Bayern:Politik mit Fahrradhelm

Lesezeit: 1 min

Radfahren gehört ja mehr denn je zum guten Ton beim Regieren - was vor allem gut in Berlin zu sehen ist. Doch in Bayern will man da in nichts nachstehen.

Von Johann Osel, München

Die Fahrradtour von Cem Özdemir zur Ernennung als Bundesminister im Schloss Bellevue hat viel Aufsehen erregt - mit dem Radl zwischen fetten Limousinen, die auf dem Gepäckträger geklemmte Urkunde, der Helm. Der ZDF-"Heute-Show" war das nicht genug, sie montierte Özdemir noch bei der späteren Vereidigung im Bundestag den Fahrradhelm auf den Kopf: "Jetzt übertreibt er aber!" Das war lustig und wurde noch lustiger, als die Verballhornung prompt von Großdenkern in rechten Kreisen für real befunden und als "peinlicher PR-Gag" gerügt wurde.

Aus der CSU hörte man dazu nichts. Wenig verwunderlich: Einerseits gehörten PR-Gags mit Fahrradhelmen etwa bei Ex-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer zum Repertoire, man denke nur an seine Helmkampagne 2019 mit halbnackten Models (der Minister blieb bekleidet). Andererseits sind radelnde Minister im beschaulicheren Regierungsmünchen gar keine Sensation. Kultusminister Michael Piazolo (FW) sieht man gern mal durch den Hofgarten ins Ministerium brausen. Richtig gelesen: brausen. Er fährt flotter, als er spricht. Auch CSU-Politiker wurden schon auf diesem kurzen Dienstweg gesehen, etwa an Tagen mit Kabinett und Landtagsplenum. Eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis Markus Söder umsteigt. Bilder vom Radeln in der Freizeit überliefert er zuhauf selbst, im Dienst bisher nicht. Denkt man aber an Entourage und Personenschutz, wären da viele Diensträder fällig.

Wie es um diese bestellt ist im Staatsdienst, wollte kürzlich Inge Aures (SPD) in einer Anfrage wissen. Eine Detailabfrage etwa an allen Schulen oder Finanzämtern war nicht möglich, das Verkehrsministerium lieferte aber Zahlen für Ministerien und oberste Behörden: 126 behördeneigene Diensträder sind es dort, inklusive Elektrovariante. Wohl ausbaufähig. Für die Beschäftigten des Freistaates sei aber ein Jobrad-Modell geplant, hieß es. Derlei läuft meist über Leasing. Das hatte Söder auch in seiner Regierungserklärung zum Klima angekündigt. Weiter ist man laut Ministerium nahezu quer durch die Häuser beim Bau neuer Stellflächen, ein Anfang ist gemacht bei E-Ladestationen - etwa direkt an der Staatskanzlei. Söder könnte umgehend den Özdemir machen. Und nebenbei glatt den Diätzielen nachkommen, die seine älteste Tochter dieser Tage in der Bild verkündete.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: