Coronavirus in Bayern:Die Epidemie bedroht das Pestspiel

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Spielleiter Christian Stückl probt in Oberammergau weiter die Passion. Ob sie tatsächlich stattfinden kann, steht noch nicht fest. (Foto: Sebastian Beck)

Die bayerische Staatsregierung will Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern absagen. Oberammergau muss sich nun Szenarien für die Passionsspiele überlegen, die Mitte Mai beginnen sollen.

Wegen der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus will die bayerische Staatsregierung Veranstaltungen mit mehr als 1000 Gästen zunächst bis Karfreitag untersagen. Darauf habe sich der schwarz-orange Koalitionsausschuss am Montag in München geeinigt, wie Florian Streibl, der Fraktionschef der Freien Wähler, der SZ bestätigte. Zuvor hatte die Augsburger Allgemeine berichtet. Am Dienstag sollen die Details in einer Kabinettssitzung beschlossen werden.

Von den drastischen Konsequenzen sind wohl auch Fußball-, Basketball- oder Eishockeyspiele in den Bundesligen oder der Champions League betroffen. Nicht geklärt war zunächst, ob die Spiele abgesagt werden müssen. Möglich wäre, dass die Begegnungen ohne Publikum als sogenannte Geisterspiele ausgetragen werden. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte am Sonntag empfohlen, wegen der schnellen Ausbreitung des Virus in Deutschland Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern vorerst abzusagen. Das bayerische Gesundheitsministerium hatte sehr schnell signalisiert, diesen Vorschlag von Spahn zu unterstützen.

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Von SZ-Autoren

In Oberammergau dürften die Sorgen mit dieser Entscheidung noch ein bisschen größer werden. Dort finden von Mitte Mai an die Passionsspiele statt. Schon das ganze Ereignis geht auf eine Epidemie zurück: 1634 haben die Oberammergauer zum ersten Mal ihr Passionsspiel aufgeführt, auf dass sie von der damals grassierenden Pest verschont blieben. Seit 1680 wird an den "geraden Zehnerjahren" gespielt, doch nun, im geraden Zehnerjahr 2020, treibt die Passionsverantwortlichen die Sorge vor einer neuen Epidemie um: Gut zwei Monate sind es noch bis zur Premiere am 16. Mai, und weil niemand weiß, ob und wie sich das Coronavirus weiter ausbreitet, entwickeln die Oberammergauer Szenarien für den Fall einer Verschiebung oder einer Absage.

Dass der Landkreis Garmisch-Partenkirchen von dem Virus verschont bleiben würde, war ohnehin kaum zu erwarten, und am Sonntag hat Landrat Anton Speer den ersten Corona-Fall bestätigt. In Oberammergau werden von Mitte Mai bis Anfang Oktober fast ein halbe Million Passionsgäste erwartet, verteilt auf mehr als 100 Aufführungen mit jeweils gut 4500 Zuschauern. Diesem Ereignis dürften abgesehen von den ganz großen Volksfesten und Messen heuer wenige Veranstaltungen in Bayern gleichkommen.

Oberammergaus Bürgermeister Arno Nunn schläft erklärtermaßen unruhiger als sonst, aber andererseits bleibe kaum etwas anderes übrig, als mit den Vorbereitungen weiterzumachen. So sieht es auch Passions-Sprecher Frederik Mayet, der als Jesus auf der Bühne stehen wird.

Das Landratsamt setzt - zumindest was die Passion betrifft - vorerst auf den Faktor Zeit. Die Passion sei zweifellos eine Risikoveranstaltung, weil sich da viel und vergleichsweise altes Publikum aus aller Welt auf kleinem Raum versammle, sagt Behördensprecher Stefan Scharf. Man entwickle einen Kriterienkatalog nach den Vorgaben des Robert-Koch-Instituts, hoffe aber vorerst noch, dass die Epidemie innerhalb der kommenden Wochen wieder abebbe. Bürgermeister Nunn bleibt ebenfalls verhalten optimistisch. Dass ihn die Lage nicht vollends den Nachtschlaf kostet, hat womöglich auch damit zu tun, dass die Passionsspiele heuer erstmals versichert sind: Selbst wenn die Passion komplett ausfallen müsste, käme die Versicherung für die bisherigen, schon millionenschweren Investitionen auf. Allerdings müsste die Gemeinde schlimmstenfalls ohne die 31 Millionen Euro auskommen, die sie sich als Plus aus der Passion erhofft.

Während die Oberammergauer noch Zeit haben, sind anderswo längst Entscheidungen gefragt, so hat etwa die Stadt Rosenheim das eigentlich bis 22. März laufende Starkbierfest in der Inntalhalle eröffnen lassen, weil ihr der gegenteilige Rat des Gesundheitsamts zu dürftig begründet schien. Gleichwohl begrüßte sie die Entscheidung der Brauerei vom Montag, das Starkbierfest abzubrechen. Keine Hoffnung besteht hingegen für zahlreiche Volksfeste in Bayern. Sie werden in diesem Jahr ausfallen müssen. Der "Auftakt 2020" in Puchheim oder das Rottaler Volksfest in Pfarrkirchen sind bereits abgesagt.

© SZ vom 10.03.2020 / blani, kpf, lpo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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