Bayerische Geschichte:Kurfürst Ottheinrich, Superstar und Schuldenkönig

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In jeder Hinsicht ein Mann von großer Wucht: Ottheinrich, Pfalzgraf von Pfalz-Neuburg und späterer Kurfürst (1502-1559). (Foto: Mauritius)

Auch nach 500 Jahren strahlt sein Wirken in Neuburg an der Donau. Doch gilt Kurfürst Ottheinrich gleichzeitig als warnendes Beispiel für Regierungen, die Schuldenberge aufhäufen.

Von Hans Kratzer, Neuburg

Zu Lobeshymnen lässt sich der vom Geist der Pflichterfüllung beseelte Finanz- und Heimatminister Albert Füracker eher selten hinreißen. Setzt er also zu einer Eloge an, dann muss es sich wahrlich um eine bemerkenswerte Person handeln. Und die Zeit spielt dann auch keine Rolle mehr. Immerhin hat jener Fürst Ottheinrich, den Füracker kürzlich würdigte, schon vor einem halben Jahrtausend in den Lauf der Welt eingegriffen. "Kein anderer prägte die Residenzstadt Neuburg an der Donau so wie der Pfalz-Neuburger Landesfürst und spätere Pfälzer Kurfürst Ottheinrich", ließ Füracker verlauten, als sich der Regierungsantritt des Fürsten neulich zum 500. Mal jährte. "Der 2. Juni 1522 war der Auftakt für ein außergewöhnliches Wirken des jungen Renaissancefürsten als Bauherr, Auftraggeber und Kunstsammler", schwärmte der Minister.

Und man kann ihm da gar nicht widersprechen, denn die Zeugnisse von Ottheinrichs Glanz und Gloria sind in Neuburg bis heute omnipräsent. Da ist zum einen das prächtige Residenzschloss mit seinen Kunstschätzen zu nennen. Aber auch in den Neuburger Gassen stoßen die Flaneure überall auf Zeugnisse, die an große Zeiten erinnern. Nicht zu vergessen die Schlosskapelle, die Ottheinrich mit einem protestantischen Bilderzyklus ausmalen ließ, was sie in ein überragendes Denkmal der Reformation und der Renaissancekunst verwandelt hat.

Eine der schönsten historischen Stadtansichten Bayerns: Blick auf das Renaissanceschloss der Stadt Neuburg an der Donau. (Foto: Stadt Neuburg)

Obwohl Neuburg sogar als das Florenz an der Donau gerühmt wird, leidet dieser historische Ort an einem Mangel an Aufmerksamkeit. Die Schulkinder im Lande erfahren nur wenig von der großen Geschichte Neuburgs, lediglich in der Stadt selber genießt der Name Ottheinrich wie eh und je einen heldenhaften Rang. Wie stark dessen Ruhm im 16. Jahrhundert über ganz Europa strahlte, wurde vor allem in der Bayerischen Landesausstellung von 2005 überdeutlich vor Augen geführt. Die Exponate wurden damals aus der ganzen Welt herbeigeschafft. Darunter wertvolle Wandteppiche, eine Alabaster-Figur Ottheinrichs aus dem Pariser Louvre und die im Auftrag Ottheinrichs gefertigte Planetenuhr aus dem Technischen Museum Wien. Der Wert der Exponate summierte sich auf einen Betrag in dreistelliger Millionenhöhe.

Ottheinrich war in jeder Hinsicht eine herausragende Figur. Eine in der Landesausstellung gezeigte Jacke des Fürsten hatte einen Brustumfang von 2,46 Metern. Die Leibesfülle hinderte ihn aber nicht daran, als Förderer der Kunst, der Wissenschaft, der Astronomie und der Musik europäische Maßstäbe zu setzen. Das hatte natürlich seinen Preis. Ottheinrich war ein noch viel ärgerer Schuldenmacher als die heutige Bundesregierung, weshalb er am Ende rauschend in den Bankrott schlitterte. Der Historische Verein von Neuburg würdigte ihn einmal als "Superstar und Schuldenkönig".

Dass Neuburg einmal zum Zentrum eines kleinen, aber bedeutenden Reiches heranwachsen würde, war dem Zufall geschuldet. Denn das 1505 gegründete Fürstentum Pfalz-Neuburg, das bis 1806 bestand, entsprang quasi dem Landshuter Erbfolgekrieg, der nach dem Tod des Landshuter Herzogs Georg des Reichen losbrach. Jenes Recken Georg, der als Bräutigam der berühmten Landshuter Hochzeit von 1475 bis heute populär ist. Weil dieser keinen männlichen Nachkommen hatte, entfachte der Streit um sein Erbe einen Bürgerkrieg, bei dem - bis heute unvergessen - der Ritter Götz von Berlichingen seine rechte Hand verlor. Um die Erbansprüche der Enkel Georgs des Reichen abzugelten, löste man kurzerhand ein neues Fürstentum, Pfalz-Neuburg, aus dem Besitz der Wittelsbacher heraus. Es war ein kurioses Gebilde mit sechs nicht zusammenhängenden Gebieten, die heute zu den Regierungsbezirken Schwaben, Oberbayern, Mittelfranken und Oberpfalz gehören.

Die bis 1532 erstellte Prachthandschrift der Ottheinrich-Bibel (hier eine Szene aus dem Johannesevangelium) gilt als eines der bedeutendsten Zeugnisse spätmittelalterlicher Hofkultur. (Foto: Imago)

Ottheinrich regierte das Fürstentum mehr als drei Jahrzehnte lang. Er ließ das Residenzschloss um drei mächtige Schlossflügel im Stil der Renaissance ausbauen, außerdem gab er Porträts, monumentale Bildteppiche und kostbares Kunsthandwerk in Auftrag und er ließ die berühmte Ottheinrich-Bibel, eine der kostbarsten Bilderhandschriften der Welt, vollenden. Politisches Profil verschaffte er sich, als er 1542 in seinem Fürstentum die Reformation einführte. Aufgrund seiner aufwändigen Lebensführung war Ottheinrich jedoch stets vom Bankrott bedroht.

Einen legendären Ruf genießt auch die Reise, die Ottheinrich 1536 über Prag, Krakau, Breslau und Wittenberg zurück nach Neuburg führte. Er wollte dabei am polnischen Hof den ausstehenden Teil der Mitgift seiner Großmutter Hedwig eintreiben, die 1475 in der Landshuter Hochzeit Herzog Georg den Reichen geheiratet hatte. Berühmt wurde die Reise aber wegen der Aquarellbilder, die auf der Fahrt angefertigt wurden - darunter die frühesten Stadtansichten von Berlin und Leipzig.

Im Jahr 1544 beliefen sich Ottheinrichs Schulden auf mehr als eine Million Gulden. Hunderte Gläubiger standen vor dem Schloss Schlange, bis schließlich die Landstände die Schulden übernahmen. Dafür übernahmen sie die Regierungsgewalt und verkauften den Besitz Ottheinrichs, der dann nach Heidelberg ins Exil ging. Der dort in seiner Regierungszeit errichtete und viel gepriesene Ottheinrichsbau des Schlosses ist nach ihm benannt. Sein Grab in Heidelberg wurde 1693 von Kriegsknechten zerstört. Ottheinrichs Ansehen aber ist ungebrochen, erst recht in der bayerischen Staatsregierung.

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