Ein Tourist aus der Nähe von Coburg macht mit seiner Frau Zwischenstation in einem Ferienhof im Zillertal. Im Hoteleingang blickt er auf zwei Schwarz-Weiß-Bilder. Eines davon zeigt einen jungen Mann in einer Uniform aus der NS-Zeit, samt gut sichtbarem Hakenkreuz.
Auf einer Hotelbewertungsseite im Internet hinterlässt der Hotelgast daraufhin einen Eintrag, der überschrieben ist mit: "Am Hoteleingang: Bild vom Nazi-Opa". Daraufhin verklagt ihn die Hotelbesitzerin wegen Rufschädigung und falscher Tatsachenbehauptung, sie erwirkt eine einstweilige Verfügung und erzwingt die Löschung des Eintrages. Der Gast aber fühlt sich im Recht und geht in Berufung, weshalb sich nun das Oberlandesgericht Innsbruck mit der Causa und der Frage beschäftigten musste: Durfte der Gast das? Vorläufige Antwort, dargelegt auf insgesamt 69 Seiten: Ja, durfte er.
Namensbedeutung:Die bewegte Geschichte des Wortes "Nazi"
Der Begriff ist derzeit allgegenwärtig - sprachgeschichtlich fällt auf, dass das Wort älter ist als der Nationalsozialismus. Und in Süddeutschland war der Nazi einst als Spitzname verbreitet.
Bei der Causa geht es um einen Streitwert von 20 000 Euro, "zwischenzeitlich sind meinem Mandanten schon Bedenken gekommen, ob er das durchziehen soll", sagt der Anwalt Wolfram Salzer aus Neustadt bei Coburg. Schließlich habe er sich aber doch dafür entschieden, auch weil es ihm ums Grundsätzliche gehe: "Darf man ein NSDAP-Mitglied Nazi nennen?" Im August 2018 hatte sein Mandant nach dem Hotelbesuch auf booking.com empörte Zeilen hinterlassen.
Am Eingang des Hauses hänge, gut sichtbar, "kommentarlos ein altes Foto eines jungen Mannes in Nazi-Uniform mit gut erkennbarem Hakenkreuz". Es sei schwer zu beschreiben, notierte er, "welchen Schock wir empfunden haben, als wir dieses Bild (leider einige Zeit nach dem Einchecken) entdeckt haben". Man frage sich: "Was möchte das Hotel mit diesem Bild seinen Gästen kommunizieren? Was ist das für eine Gegend, in der sich Hoteliers eines 4-Sterne-Hotels frei fühlen, derartige Bilder zur Schau zu stellen?" Man werde, schließt der Eintrag, künftig "einen großen Bogen um Tirol machen".
Die Hotelbesitzerin - die mit den Bildern offenbar das Angedenken an ihre Verwandten pflegen wollte, die Bilder aber inzwischen abgehängt hat - empfand diese Bewertung laut Gerichtsunterlagen als unwahr, beleidigend und schwer geschäftsschädigend. Dass das NS-Regime die Wehrmacht als eines ihrer Instrumente eingesetzt habe, erlaube es nicht, eingezogene Soldaten generell als Nazis zu bezeichnen. So handele es sich bei keinem der auf den Bildern zu sehenden Männer um "Nazis".
Auch das wollte der Hotelgast nicht auf sich sitzen lassen. Mithilfe von Mitgliedskarten aus dem Berliner Bundesarchiv gelang es ihm nachzuweisen, dass die betreffenden Personen Mitglieder der NSDAP gewesen sind. Das OLG entschied nun auch deshalb, dass der verwendete Begriff "Nazi" sehr wohl auf einem konkreten Tatsachenkern beruhe. Überdies sei das Hakenkreuzsymbol auf einem der Bilder klar ersichtlich. Auch sei das "klar verehrende" Arrangement "ohne Abdeckung" des NS-Symbols erfolgt. Insgesamt, urteilt das Gericht, sei die Hotelbeurteilung durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt - die auch für Aussagen gelte, "die als verletzend, schockierend oder irritierend" empfunden würden.