Dialekt:Wia da Schnowe gwachsn is

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Preisträger David Saam (2.v.r.) trat mit seiner Formation Boxgalopp bei der Verleihung in der Münchner Residenz auf. Mit ihm musizierten Carolin Pruy-Popp, seine Tochter Emilia und Christoph Lambertz. (Foto: StmFH)

Heimatminister Albert Füracker verleiht den "Dialektpreis Bayern" - und kann selbst bei dieser Veranstaltung nicht ausräumen, dass es Bairisch-Sprecher heutzutage schwer haben.

Von Hans Kratzer, München

Heimat- und Finanzminister Albert Füracker hat am Dienstag neun Personen und Projekte mit dem "Dialektpreis Bayern" ausgezeichnet. Der mit je 1000 Euro dotierte Preis würdigt vorbildliche Verdienste auf dem oft steinigen Feld der Dialekte, die ja gerade in Bayern auf einer bis in die Antike zurückreichenden Sprachtradition basieren. Ungeachtet ihrer großen Vergangenheit stehen die Dialekte in der nach Uniformierung gierenden globalisierten Welt aber in keinem hohen Ansehen. Dieses Problem war auch bei der Preisverleihung in der Münchner Residenz nicht zu übersehen. Gut drei Viertel des Publikums waren Männer im fortgeschrittenen Alter. Umso erfreulicher, dass unter den Preisträgern ein Block junger Menschen war. Das Projektseminar des Stiftland-Gymnasiums Tirschenreuth wurde für eine Dialektaktion mit Grundschülern ausgezeichnet.

Die meisten Kinder in Bayern durchlaufen ja heute die streng genormte Sprachmühle der Kindergärten und Schulen, zusätzlich werden sie geprägt von Medien und Eltern, die zum Teil selber Dialekt sprechen, dies aber mit ihren Kindern strikt vermeiden. Die Grundschülerin Emilia, die der Veranstaltung mit ihrer starken Sangesstimme Glanz verlieh und zusammen mit der Gruppe Boxgalopp für die musikalische Umrahmung sorgte, zeigte, wie die Realität in der jungen Generation aussieht: Sie sang im Dialekt, ansonsten aber antwortete sie in einem Deutsch, das frei von dialektaler Färbung war.

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Dem gastgebenden Minister Füracker konnte man freilich nicht vorwerfen, er habe nur Hochdeutsch gesprochen. "Beim Dialektpreis keinen Dialekt zu sprechen, wäre schon fast ein Fehler", sagte er in seiner Rede, in der er mehrmals betonte, wie sehr ihm diese Veranstaltung am Herzen liegt, die sein Amtsvorgänger Markus Söder vor zwei Jahren auf den Weg gebracht hatte. Und doch kam auch Füracker an der Grundproblematik heutigen Sprechens nicht vorbei. Er bestärkte Dialektsprecher, sie sollten sich nicht unterkriegen lassen, womit er indirekt bestätigte, dass der Gebrauch des Dialekts in Ausbildung und Beruf oft einen Nachteil mit sich bringt und deshalb tunlichst vermieden wird.

Diese Gefahr bestand bei der Preisverleihung nicht, die Moderatorin Marion Schieder jauchzte sogar: "Hier derf i reden, wia ma da Schnowe gwachsn is!" Allerdings geriet die gebürtige Oberpfälzerin vor lauter Begeisterung darüber in Gefahr, die Oberpfalz, der auch der Minister Füracker stammesmäßig zugeordnet ist, schon sehr früh rhetorisch totzureiten. Erst recht, nachdem dann auch noch der Preisträger Anthony Rowley beteuerte, seine Frau sei ebenfalls eine gebürtige Oberpfälzerin.

Der Sprachwissenschaftler Rowley erforscht als Leiter des Bayerischen Wörterbuchs seit 1988 die bairischen Dialekte. Füracker zeigte sich sehr beeindruckt, dass er dies als Brite tue. Rowley wusste eine einleuchtende Antwort: "Die werden sich gedacht haben: Hauptsach koa Preiß!"

Heimatminister Albert Füracker überreichte dem langjährigen Leiter des Bayerischen Wörterbuchs, Anthony Rowley (re.), den Dialektpreis Bayern. (Foto: StmFH)

Der als Gast anwesende Augsburger Sprachprofessor Werner König bedauerte das Fehlen eines gesellschaftlichen Diskurses über Dialekte. "Beim Feminismus haben wir diese Diskussion", sagte er, "und dort ändert sich auch was, aber beim Dialekt tut sich nichts." Man falle doch unliebsam auf, wenn man etwa an einer Uni Schwäbisch rede, deshalb verleugneten sich viele.

Als Füracker beteuerte, die Politik räume dem Dialekt den gleichen Stellenwert ein wie der Standardsprache, klang das angesichts der Realität an Kindergärten, Schulen und im Beruf doch eher wie ein Bekenntnis ohne Wert. Oft werde die Dialektfärbung - abgesehen von Verständnisproblemen - bewusst vermieden, sagte König. Aufgrund der falschen Annahme "Je höher die Bildung eines Sprechers, desto weniger verwendet er Dialekt", fuhr er fort, würden in Deutschland Menschen wegen der speziellen Form ihrer deutschen Muttersprache benachteiligt.

Auf den Dialektpreis trifft dies nicht zu, für jeden Regierungsbezirk ist jeweils einer der Preise vorgesehen. Den Gedanken, ob weniger Auszeichnungen qualitativ nicht doch mehr wären, verscheuchte Moderatorin Schieder mit dem glückseligen Sprachbild, die Veranstaltung sei ihr wieder "ein inneres Blumenpflücken" gewesen.

Das dachten sicherlich auch die übrigen verdienten Preisträger: das Cimbern-Kuratorium-Bayern, das Sprache und Kultur der Zimbern in Oberitalien pflegt, dazu David Saam, der die fränkische Volksmusik für Einflüsse aus aller Welt öffnete, und der mittelfränkische Mundartdichter Günter Stössel, der Texte von Wilhelm Busch ins Fränkische übersetzte. Geehrt wurden auch die Theatermacherin Veronika Klose, die sich für den Dialekt an Schulen einsetzt, der Sprachwissenschaftler Manfred Renn (Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben) sowie der Leiter des Pfaffenhofener Theaters, Nikolaus Maucher, und die Musiker der Band "Mauke" aus Neugablonz.

© SZ vom 05.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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