Bildung:Die Dialekte sollen an die Schulen zurückkehren

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Dantschige Deandln in Kochel am See: Diese Trachtenmädchen bedürfen noch keiner schulischen Sonderprojekte, um Dialekt und Brauch zu pflegen. (Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Die Stiftung Wertebündnis Bayern hat das vom Kultusministerium mitgetragene Projekt "Mundart Wertvoll" präsentiert.
  • Die neue Handreichung soll unter anderem für die Verbreitung der Dialekte an den Schulen werben.
  • Experten, die sich professionell mit der Mundart beschäftigen, sehen die Initiative kritisch.

Von Hans Kratzer, München

An vielen Schulen in Bayern sprechen die Schülerinnen und Schüler mittlerweile ausschließlich Standarddeutsch. Mundarten und Dialekte kommen dort nicht mehr vor, abgesehen von etwaigen Sprachfärbungen bei Migrantenkindern, die der deutschen Sprache noch nicht ganz mächtig sind. Es gibt aber auch Schulen, vor allem in ländlichen Gebieten, in denen sich die Schülerschaft überwiegend im jeweiligen Regionaldialekt ausdrückt, auch im Unterricht.

Die Sprachverhältnisse an den bayerischen Schulen könnten also unterschiedlicher kaum sein. Vor diesem Hintergrund hat die Stiftung Wertebündnis Bayern im Münchner Presseclub das vom Kultusministerium mitgetragene Projekt "Mundart Wertvoll" präsentiert. Die neue Handreichung ("Lebendige Dialekte an bayerischen Schulen") soll den Lehrkräften Impulse für die Beschäftigung mit Mundart im Unterricht geben und für die Verbreitung der Dialekte an den Schulen werben.

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Im Norden des Freistaats sind sie sowieso nicht gut auf den Süden zu sprechen. Doch dass in Franken jetzt auch noch das Oberbairische Einzug hält, gleicht einem Sprachverfall.

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Herbert Püls, Amtschef des Kultusministeriums, sagte, die Pflege der Mundarten sei eine wichtige Daueraufgabe für alle Schulen. "Dialekte stiften Identität, vertiefen das Sprachbewusstsein und halten unser kulturelles Erbe lebendig." Vor Jahrzehnten wären solche Aussagen aus dem Ministerium undenkbar gewesen. Nach dem Krieg gerieten die Dialekte schwer in Verruf, obwohl einst sogar die klassischen Dichterfürsten mundartlich gesprochen hatten. Schiller schwäbelte und Goethe drückte sich gerne auch in der Frankfurter Mundart aus.

Von den Siebzigerjahren an galten die Dialekte als eine verachtete Sprachform sowie als Bildungshindernis. Ältere Deutschlehrer riefen in Erinnerung, dass sie in Aufsätzen alles anstreichen mussten, was nur im Entferntesten dialektal klang. "Mundartlicher Klang und Wortschatz waren auf allen Stufen der Erziehung verpönt und sollten den Kindern ausgetrieben werden", sagt der Dialektologe Ludwig Zehetner. Diese Haltung, die einen durchschlagenden Erfolg zeitigte, wird noch heute praktiziert, ganz streng in den Kindergärten. Kein Wunder, dass die städtische Jugend praktisch keine Dialektkompetenz mehr besitzt. Dialektale Beharrungsgebiete finden sich vor allem noch auf dem Land.

Getrieben von der grassierenden Orientierungslosigkeit in der Gesellschaft, versucht die Politik nun eine Kehrtwende zu vollziehen. Im vergangenen Herbst kündigte Ministerpräsident Markus Söder eine Initiative zu Dialekt und Mundart in der Schule an, um den Sinn für Heimat und Identität zu schärfen. Die Mundarten seien kein Bildungshindernis, sondern ein Kulturgut, heißt es nun. Die Beherrschung von Dialekten solle als Stärke und Bereicherung bewusst gemacht werden.

Die Standardsprache als Maß aller Dinge

Die Initiative stößt aber nicht überall auf Begeisterung, sie überzeugt nicht einmal jene, die sich professionell mit der Mundart beschäftigen. Dialektprofessor Zehetner sagt, eigentlich werde jetzt nur noch "die Leich" gepflegt. Er hält solche Aktionen für "einen nachgeschobenen Eifer in einer Zeit, in der ja auch viele Lehrer keinen Dialekt mehr sprächen. Der gute Wille sei anerkennenswert, sagt Zehetner, "aber er kommt um Jahrzehnte zu spät".

Kritisch äußert sich auch der Bund Bairische Sprache. Mit neuen Schulprojekten sei das Problem nicht mehr zu lösen. "Wer den Wert der Dialekte über den Schellenkönig lobt, im eigenen Sprachgebrauch aber die Mundart möglichst unauffindbar vergräbt, um ein höheres Bildungsniveau zu demonstrieren, macht sich zum Totengräber der Dialekte", belfert Vereinschef Sepp Obermeier. Bei der Präsentation von "Mundart Wertvoll" stellten drei Schulen ihre Dialektprojekte vor, sei es in P-Seminaren am Gymnasium oder, wie die Grundschule Grabenstätt, in einem pfiffigen Theaterstück, in dem Nichtbayern aufgeklärt wurden, wie Begriffe wie Limonade, Hausgang und Kloß hierzulande heißen (Kracherl, Fletz, Knödel).

Der Linguist Ulrich Ammon warnte schon früh davor, dass Sprecher, die in Lautung und Grammatik vom Standarddeutschen abweichen, beruflich Schwierigkeiten bekommen könnten, wenn sie sich außerhalb ihres Sprachraums bewegen. Die Standardsprache müsse deshalb in der Schule das Maß aller Dinge sein, sagt der Leiter eines Gymnasiums im südlichen Oberbayern.

"Niemand ist gegen Dialekt", aber das Fach Deutsch sei an Schulen mit vielen Dialektsprechern ein Problemfach. Schüler, die nur Dialekt sprächen, kämpften schwer mit dem richtigen Ausdruck. "Spätestens wenn sie an eine Universität wechseln, werden sie Probleme bekommen. Das würde ich ihnen gerne ersparen", sagt der Schulleiter. Für ihn ist das Beherrschen des Standarddeutschen ein Kern der gymnasialen Bildung. "Den Dialekt hoffähig machen, ist toll", sagt er, "aber es ist kein selig machendes Allheilmittel."

© SZ vom 28.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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