Mühldorf am Inn:Wenn Energiegewinnung Spuren in der Landschaft hinterlässt

Lesezeit: 3 Min.

  • Früher hat der Hafer die Landschaft geprägt, heute sind es der Mais, die Freiflächen-Photovoltaik und Solarzellen auf den Ställen.
  • Derzeit wird für eine neue Erdgasleitung von Burghausen nach München eine bis zu 40 Meter breite Schneise durch den Boden des Landkreises Mühldorf durch den Boden gezogen.
  • Solche Entwicklungen wollen Heimatforscher im Landkreis Mühldorf bei den Geschichtstagen 2018 zum Thema Energie aufzeigen.

Von Matthias Köpf, Mühldorf am Inn

Wer um diese Jahreszeit etwa von Ampfing hinaus durch die Felder fährt, der kann die Energiewende sehen - gerade weil der Blick oft nicht weit reicht, denn links und rechts steht dicht und übermannshoch der Mais. Ein guter Teil davon wird in Biogasanlagen Energie erzeugen. Über die Vermaisung der Landschaft werde viel geredet, sagt Gerhard Langreiter, der stellvertretender Obmann des Bauernverbands hier im Landkreis Mühldorf ist. Dabei mache der Mais heute flächenmäßig viel weniger aus als früher der Hafer, der noch vor gut 100 Jahren einer der wichtigsten Energieträger überhaupt gewesen ist.

Denn ohne die Pferde, an die der Hafer verfüttert wurde, wäre wenig vorangegangen. Früher hat der Hafer die Landschaft geprägt, heute sind es der Mais, die Freiflächen-Photovoltaik und Solarzellen auf den Ställen. Entwicklungen wie diese wollen die Heimatforscher im Landkreis Mühldorf aufzeigen. Schon seit Monaten arbeiten sie gemeinsam auf ihre Geschichtstage 2018 hin, für die sie sich das Thema Energie ausgesucht haben.

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Die Energienutzung ist ein Menschheitsthema, das wissen auch die paar haupt- und vielen ehrenamtlichen Stadt- und Gemeindearchivare und all die Mitglieder in den Geschichts- und Kulturvereinen, die sich hier schon vor vielen Jahren zum "Forum Heimatgeschichte" zusammengetan haben, statt in ihren Gemeinden immer nur einzeln vor sich hin zu kämpfen.

Aber gerade so ein Menschheitsthema lässt sich fast überall und auf viele Weisen sichtbar machen, angefangen vom roten Mühlrad, das seit dem späten 13. Jahrhundert das Mühldorfer Stadtwappen ziert, bis hin zur neuen Erdgasleitung von Burghausen nach München, für die gerade eine bis zu 40 Meter breite Schneise durch den Boden des Landkreises gezogen wird. Diese Schneise soll größtenteils wieder zuwachsen, aber sichtbar wird sie bleiben, so wie die vielen Torfstiche in den Mooren des Alpenvorlands, die heute als dunkle Weiher in der Landschaft liegen.

Der Bau des Innkanals von Jettenbach zum Kraftwerk in Töging zwischen 1919 und 1924 ist auf mehreren hundert alten Fotoplatten aus Glas dokumentiert. (Foto: Johannes Wiedl/Verbund/oh)

Berta Heueisen, die früher als Rathausangestellte das Ampfinger Gemeindearchiv betreut hat und das jetzt in ihrem Ruhestand ehrenamtlich weitermacht, kümmert sich ebenfalls um fossile Energieträger. Sie hat zum Arbeitstreffen des Forums einen Bohrkopf mitgebracht. Denn aus dem "Ampfinger Sandstein" in 1900 Metern Tiefe förderte die Deutsche Vacuum Oil AG von 1953 an Erdgas und Öl. 1,4 Milliarden Kubikmeter Gas und mehr als eine halbe Million Tonnen Öl waren das, bis sich die Förderung Mitte der Achtzigerjahre nicht mehr lohnte und die Bohrlöcher versiegelt wurden.

Die amerikanische Muttergesellschaft hieß da längst Mobil, und die Mobil-Oil-Straße ist noch immer eine der längsten in Ampfing. Die insgesamt 14 Milliarden Kubikmeter Gas und 3,6 Millionen Tonnen Öl, die aus den Feldern in Oberbayern gefördert wurden, sind lange verbrannt, doch neben dem alten Pumpenbock, der am Ampfinger Bahnhof an diese Ära erinnert, ist aus der Zeit noch etwas anderes übrig geblieben: geologische Daten, die inzwischen das österreichische Öl-Unternehmen RAG mit seiner deutschen Tochter RDG für sich aufbereitet hat.

Einer Probebohrung 2016 folgten neue seismische Messungen im ganzen Landkreis und darüber hinaus, die bis Ende des Jahres ausgewertet werden. Wahrscheinlich werde hier in der Region von 2018 an wieder nach Öl gebohrt, sagte RDG-Vertreter Andreas Bachmeier in Mühldorf. Sein Unternehmen zählt zu den Partnern der Geschichtstage wie der Bauernverband oder die österreichische Verbund-Gesellschaft.

Der Pumpenbock am Bahnhof Ampfing bei Mühldorf ist der unübersehbare Beleg dafür, dass dort einst industriell Öl gefördert wurde. (Foto: Matthias Köpf)

Diese betreibt am Inn 21 Wasserkraftwerke, das älteste davon in Töging bei Mühldorf, das gerade ausgebaut werden soll. Es stammt aus dem Jahr 1924, steht unter Denkmalschutz und hat die Gegend als einen Ausgangspunkt der Industrialisierung im Südosten Oberbayerns stark verändert. Ein riesiger Eingriff ins Landschaftbild war der rund 20 Kilometer lange Innkanal, der von 1919 bis 1924 von Jettenbach bis zum Kraftwerk gegraben wurde. Fast 100 Jahre später lobt Kraftwerksleiter Klaus Schöler den Kanalbau als "großartige Leistung der Technik" unter teils sehr ärmlichen Verhältnissen.

Das Mammutprojekt hat viele Arbeiter das Leben gekostet - wie viele genau, erforscht der Waldkraiburger Stadtarchivar Konrad Kern anhand alter Sterbebücher aus den kleinen Gemeinden, wie sie auch Töging mit seinen etwa 500 Einwohnern gewesen ist. In der Zwischenzeit hat die Stadt schon an der 10 000-Einwohner-Marke gekratzt.

Die Ergebnisse all dieser Vorhaben und vieler anderer Projekte an Schulen, in Klöstern und Galerien werden die Heimatforscher an zehn Tagen im Oktober 2018 mit Ausstellungen, Führungen und Touren erlebbar machen. Diese Geschichtstage werden die siebten im Landkreis sein und die vierten im größeren Stil, wie sie seit 2007 von der Leiterin des Geschichtszentrums und des Kreismuseums in Mühldorf, Susanne Abel, vorangetrieben werden. Der Landkreis leistet sich als einer von wenigen ein eigenes Museum. Landrat Georg Huber (CSU) hat außerdem bei Waltraud Schreiber, die an der Uni Eichstätt Geschichtsdidaktik lehrt, ein Konzept bestellt, wie sich die Bemühungen um die eigene Geschichte weiter bündeln lassen.

© SZ vom 20.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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