Kabinett:Der Schutz der Moore in Bayern kommt kaum voran

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Zu Besuch im Moor: Landrätin Maria Rita Zinnecker (CSU), Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) am Dachssee im Allgäu. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Ministerpräsident Markus Söder entdeckt den Umweltschutz wieder. Bei einem Besuch im Allgäu muss die Staatsregierung allerdings einräumen, dass sie von den selbst gesteckten Zielen weit entfernt ist.

Von Andreas Glas und Christian Sebald, Kaufbeuren

Draußen am Dachssee ist Bayern so, wie Markus Söder sein Land am liebsten zeichnet. In seinem Rücken drehen sich Windräder, vor ihm ruhen der See und die Moorlandschaft, es "riecht auch gut", sagt der Ministerpräsident. So könnte es also aussehen, das "Klimaland Nummer eins", von dem Söder (CSU) gern spricht. Aber jetzt spricht erstmal die Landrätin, über die Moorallianz im Allgäu, dieses Modellprojekt. "Bayernweit einmalig", sagt Maria Rita Zinnecker (CSU). Womit nicht nur das Ideal beschrieben wäre. Sondern auch das Problem.

Moorböden sind wichtige Kohlenstoffspeicher. Doch in Bayern sind sie ziemlich ramponiert. Laut Bund Naturschutz (BN) sind 95 Prozent der Moore im Freistaat nicht mehr in der sogenannten Unterwassersättigung. Sobald die Torferde nicht mehr unter Wasser liegt, reagiert sie mit Sauerstoff, zersetzt sich - und der Kohlenstoff entweicht. Zur Einordnung: Acht Prozent des bayerischen CO₂-Äquivalentausstoßes stammen aus kaputten Mooren. Entsprechend wichtig ist deren Schutz fürs Klima. Die Moore gehörten zu den "unterschätztesten CO₂-Speichern überhaupt", sagt Söder am Dachssee. Seine Kritiker sagen: Die Staatsregierung hat die Moore selbst zu lange unterschätzt.

Das sind die Rahmenbedingungen dieser kleinen Reise, die Markus Söder zunächst an den See führt - und danach zur Sitzung seines Kabinetts, das an diesem Dienstag in Kaufbeuren tagt, im "Grünen Zentrum". Es gab ja mal eine Phase, in der Söder über wenig anderes sprach als über grüne Themen, über Klimaschutz. Doch schon länger lässt der Ministerpräsident durchblicken, dass sich seine Prioritäten etwas verschoben haben. Beim CSU-Parteitag im Mai sagte er: "Das Wohlstandeis schmilzt schneller als das Eis der Gletscher." Im Ostallgäu rückt Söder mal wieder den Klimaschutz in den Fokus.

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In der Allgäuer Moorallianz kooperieren die Landkreise Ost- und Oberallgäu mit zahlreichen Kommunen und Naturschutzverbänden für den Erhalt und die Renaturierung der Moore im Voralpenland zwischen Lech und Iller. Ihre Anfänge gehen bis 2007 zurück, seither bemüht sie sich die Allianz nach Kräften. Das Seemoos bei Oy-Mittelberg etwa wurde ehemals durch ein Grabennetz mit einer Gesamtlänge von zwölf Kilometern entwässert. Inzwischen sind die Gräben alle 20 Meter verschlossen worden, sodass sich das Wasser wieder im Moor hält. Heute ist das Seemoos nicht nur wertvoller CO₂-Speicher, sondern auch Lebensraum für seltene Schmetterlinge wie den Hochmoorgebling, aber auch für Kreuzottern und Smaragdlibellen. Und es ist ein attraktives Wanderziel für Urlauber und Tagesgäste.

Bayernweit sollen 55 000 Hektar Moore bis 2040 renaturiert werden, bekräftigt Söder am Dienstag. Dazu will der Freistaat viel Geld in die Hand nehmen. In Zukunft will er den Grundbesitzern die Kosten für die Wiedervernässung zu hundert Prozent erstatten. Söders Ankündigungen sind allerdings ambitioniert. Schon die bisherigen Fördersätze für den Moorschutz sind mit 75 bis 95 Prozent eher üppig. Dennoch geht es nur sehr zögerlich voran. Bayernweit sind laut Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) in der laufenden Wahlperiode 2300 Hektar Moore wiedervernässt worden - bei insgesamt etwa 220 000 Hektar Moorlandschaften. Nimmt die Renaturierung nicht rasant an Fahrt auf, wird der Freistaat das 55 000-Hektar-Ziel bis 2040 krachend verfehlen. Es war der Bayerische Oberste Rechnungshof, der Söder im Herbst 2021 ins Stammbuch geschrieben hat, dass für dieses Ziel rechnerisch 2750 Hektar Moorfläche renaturiert werden müssten - pro Jahr.

Die Umweltverbände reagieren denn auch skeptisch auf Söders Ankündigung. Natürlich teilen sie die Überzeugung, "dass die Renaturierung von Bayerns Mooren höchst effektiver Klima- und Artenschutz ist", wie der Vorsitzende des Landesbunds für Vogelschutz, Norbert Schäffer, nach der Kabinettssitzung mitteilt. Nur fehlt ihm inzwischen das Vertrauen, dass die Staatsregierung ihren Ankündigungen die entsprechenden Taten folgen lässt. Schäffer erinnert sich gut an Söders Auftritt vor zwei Jahren im Donaumoos im Südwesten von Ingolstadt. Der Ministerpräsident kündigte dort das größte Moorrenaturierungsprojekt an, das es jemals in Bayern gegeben hat. Binnen zehn Jahren, versprach Söder, sollen 2000 Hektar des ehemals größten Niedermoors wiedervernässt werden. 200 Millionen Euro wollte der Freistaat in das Projekt pumpen, pro Jahr 20 Millionen Euro. Der LBV äußerte sich seinerzeit begeistert.

"Bauernland muss in Bauernhand bleiben"

Inzwischen herrscht Ernüchterung. Der Grund: Außer Vorarbeiten ist in den vergangenen zwei Jahren nichts passiert im Donaumoos, wie Umweltminister Thorsten Glauber in der Kabinetts-Pressekonferenz einräumen muss. LBV-Chef Schäffer zählt gewiss nicht zu den Scharfmachern in der Naturschutzszene. Aber selbst er wird nun ungeduldig. "Wir brauchen endlich einen Renaturierungs-Turbo für unsere Moore", fordert er. Immerhin sind seit Söders Ankündigungen im Donaumoos durch den weiteren Raubbau eine weitere Million Tonnen CO₂ in die Atmosphäre gelangt. Hauptgrund ist der Ackerbau. Die Bauern bauen auf den trockengelegten Moorböden hauptsächlich Kartoffeln und Mais an. Dadurch wird die Torfschicht des Donaumooses, das mit einer Fläche von 17 000 Hektar einst das bedeutsamste Niedermoor in Süddeutschland war, immer weiter zerstört und das CO₂ freigesetzt, das darin gespeichert ist.

Gleichwohl sind die meisten Bauern skeptisch, was den Schutz der verblieben Moore anbelangt. "Bauernland muss in Bauernhand bleiben", sagt am Dienstag Stefan Köhler, Vizepräsident des Bayerischen Bauernverbands. Beim Schutz der Moore dürfe "nicht über die Köpfe der Bauernfamilien und der Menschen vor Ort entschieden werden, pauschale Verbote für die ackerbauliche Nutzung müssen tabu sein". Die zentralen Forderungen des Bauernverbands: "Freiwilligkeit, Verlässlichkeit und staatliche Transferleistungen nach dem Prinzip, öffentliches Geld für öffentliche Leistungen."

Es müsste den Bauern also gefallen, was Söder am Dachssee sagt. Er wolle keinen Moorschutz "mit der Brechstange", sondern "Hand in Hand mit Bevölkerung, Kommunen und Landwirtschaft". Im Allgäu zeige sich, dass es auch ohne "Verbote" gehe. "Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht", sagt Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU), die dabei ist beim Seetermin. Das Problem mit der Freiwilligkeit: Es dauert. Söder formuliert es am Dienstag positiver: Im Allgäu könne man sehen, dass es "lange Wege" beim Moorschutz seien, "aber gute Wege".

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