Landtagswahl in Bayern:Söders neue Marschroute

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Wie freundlich doch diese Bayern sein können: Angela Merkel und Markus Söder strahlen in Bayreuth Einigkeit aus. (Foto: dpa)

Erst Streit, dann Versöhnung: Bayerns Ministerpräsident ist auf der Suche nach der richtigen Balance - auch zu Merkel. Auf den Wahlerfolg der CSU hat schließlich kaum jemand größeren Einfluss.

Von Wolfgang Wittl, München

Auch in der Politik sagen Fotos oft mehr als Worte, was nicht heißen muss, dass sie immer auch die Wahrheit sagen. Ein hübsches Beispiel war vor ein paar Tagen in Bayreuth zu besichtigen. Markus Söder hatte sich vor Beginn der Wagner-Festspiele zur Begrüßung in Stellung gebracht. Da kommt Angela Merkel des Weges und reicht ihm die Hand wie einem, den man schon immer sehen wollte, aber leider noch nie getroffen hat: die Augen aufgerissen, die Mundwinkel so weit nach oben gezogen, wie es in Merkels Gesicht nur möglich ist. Söder verbeugt sich artig. Ein Bild von gegenseitiger Wertschätzung, als hätte es die Wochen vorher nie gegeben.

Merkel und die CSU, die CSU und Merkel: Keine Figur - das eigene Spitzenpersonal ausgenommen - hat auf den Wahlerfolg der Christsozialen größeren Einfluss als die Bundeskanzlerin. Vor fünf Jahren, als Merkel in der Gunst der Wähler über allen thronte, konnte die CSU nicht genug bekommen von der CDU-Chefin. Die Landtagswahl fand nur eine Woche vor der Bundestagswahl statt, beide Male erwies sich Merkels Popularität als Stimmengarantin für die bayerische Schwesterpartei.

Bei der Bundestagswahl 2017 war davon nichts mehr zu merken. Eineinhalb Jahre stritten CSU-Chef Horst Seehofer und Merkel über den Flüchtlingskurs. Erst als die Zeit drängte und sich die CSU hinter der gemeinsamen Spitzenkandidatin einreihen musste, verabredeten die Kombattanten einen Scheinfrieden. Die beschädigte Glaubwürdigkeit begleitet die CSU bis heute. Seit bald drei Jahren beharken sich die Christsozialen und Merkel in der Asylpolitik - genützt hat es keinem, der CSU mit ihrem bayerischen Alleinvertretungsanspruch noch weniger als der Kanzlerin.

So gesehen ist es durchaus interessant, dass Söder zwei Wochen vor der Landtagswahl die Nähe zu Merkel sucht. In der Basilika von Ottobeuren werden die Kanzlerin und der Ministerpräsident am 30. September ein Konzert besuchen, vorher nehmen beide an einem europapolitischen Symposium teil. Arrangeur des Termins ist Theo Waigel. Der CSU-Ehrenvorsitzende hat ihn bei einer JU-Versammlung bekanntgegeben, und man darf davon ausgehen, dass er dies mit einer gewissen Genugtuung tat. Waigel hat wegen seiner Nähe zu Merkel intern viel Kritik einstecken müssen, 2017 hatte er mit anderen CSU-Granden eine Wählerinitiative für sie gegründet. Dass nun ausgerechnet Söder, der Protegé seines ewigen Rivalen und des Merkel-Skeptikers Edmund Stoiber, der Kanzlerin die Ehre gibt, dürfte Waigel besonders freuen.

So ändern sich die Zeiten. Mitte Juni hatte Söder den Asylstreit mit Merkel selbst noch zum "Endspiel um die Glaubwürdigkeit" erhoben. Von seinem Kabinett ließ er beschließen, dass an den Grenzen eine "Zurückweisung von Asylbewerbern notwendig" sei. "Nicht hinnehmbar" sei "die Dauerbelastung von Staat und Gesellschaft durch den anhaltenden Flüchtlingszustrom". Den "bestehenden Asyltourismus in Europa zu beenden", sei "mehr als vertretbar". Das Wort "Asyltourismus" verwendet Söder inzwischen nicht mehr, auch der Ton gegenüber Merkel hat sich verändert. Dafür gibt es Gründe.

Söder überlässt nichts dem Zufall, am wenigsten seine politische Strategie. "Der Markus ist besonders lernfähig, unglaublich, wie er jetzt hin- und herjongliert", sagt einer, der ihn gut kennt. "Im Fußball würde man sagen, er beherrscht das Umschaltspiel perfekt", staunt ein Parteifreund. An Söders grundsätzlicher Haltung zu Merkel dürfte sich nichts geändert haben. Sinkende Umfragewerte mit Verlusten an Grüne und Freie Wähler indes haben Wirkung hinterlassen. Inhaltlich klar, in der Wortwahl moderat - das ist Söders neue Marschroute. Von der Parole "Merkel muss weg", die in der CSU vor Wochen mehr oder weniger laut propagiert wurde, ist jedenfalls nichts mehr zu hören - nicht aus Überzeugung, sondern weil Söder es so will.

"Damals war es schlimm, jetzt ist es plötzlich genial."

Erst Streit, dann Versöhnung: Die Parallelen zu 2017 sind unverkennbar, obschon mit einem feinen Unterschied, wie ein CSU-Wahlkämpfer betont: "Wir haben Angela Merkel erst bekämpft, dann haben wir sie umarmt. Damals war es schlimm, jetzt ist es plötzlich genial." Auch Söder hatte ja diese Taktik angezweifelt, nun wendet er sie selber an. Er achtet jedoch darauf, es mit der Nähe nicht zu übertreiben. Termine wie in Ottobeuren sind gewollt, sie sollen Merkel-Anhänger binden. Übertriebene Inszenierungen sind verpönt, Merkel-Kritiker sollen nicht zur AfD getrieben werden. "Es ist der Versuch, zu normalen Verhältnissen zu kommen", sagt ein Insider.

Die richtige Balance zu finden, diese Aufgabe wird Söder bis zum Wahlabend auch auf anderen Feldern begleiten: Die Dosierung zwischen Abschiebung und Integration, zwischen liberal und nationalkonservativ, zwischen Förderung von Stadt und Land, all das wird über Söders Glaubwürdigkeit in seiner Wunschrolle als Landesvater entscheiden. Und nicht zuletzt das Verhältnis zu Seehofer. Wie gehen beide Rivalen auf dem Parteitag im September miteinander um? Wie glaubhaft vermitteln sie eine gemeinsame Linie? Seehofers jüngste Bierzeltrede in Töging lässt erahnen, dass er Söder im Sinne der Parteiräson unterstützen könnte. Zweimal erwähnt er lobend seinen Namen, im ARD-Sommerinterview preist er ihn am Sonntag sogar als "erstklassigen Ministerpräsidenten".

Große Wahlkampfauftritte mit Merkel sind nicht geplant, zur Abschlusskundgebung in München hat Söder unverändert Österreichs Kanzler Sebastian Kurz eingeladen. In den Opernpausen von Bayreuth standen Söder und Merkel minutenlang nur wenige Meter voneinander entfernt, berichten Zeugen, gesprochen hätten sie kein Wort miteinander. Aber da waren auch keine Fotografen mehr anwesend.

© SZ vom 06.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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