Landshut:Umstrittener Vorstoß im Stadtrat

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Im Landshuter Rathaus wird am Freitag ein umstrittener Antrag diskutiert. (Foto: Robert Haas)

Am Freitag wird über einen Antrag diskutiert, der ein "Klares Statement gegen Extremismus" sein will. Kritiker sehen darin den Versuch, linke Organisationen zu schwächen.

Von Sara Maria Behbehani, Landshut

Im Landshuter Stadtrat wird an diesem Freitag ein Antrag diskutiert, der schon vorab für Diskussionen gesorgt hat. Unter dem Titel "Klares Statement gegen Extremismus" wird gefordert, dass städtische Liegenschaften nicht mehr für Veranstaltungen von Einrichtungen und Organisationen zu Verfügung gestellt werden, die im Bundesverfassungsschutzbericht oder im Bayerischen Verfassungsschutzbericht gelistet sind. Gleiches soll für Veranstaltungen gelten, bei denen sie als Mitorganisator auftreten. Ebenso sollen diese Organisationen von städtischen Zuwendungen ausgeschlossen werden, und auch solche Verbände, die mit ihnen gemeinsam Veranstaltungen organisieren, sollen für die Dauer von drei Jahren kein Geld mehr erhalten.

In der Begründung heißt es, dass Steuermittel und Liegenschaften der Stadt auf keinen Fall extremistischen Organisationen zugutekommen dürfen. Als Beispiel wird die "Reichsbürger"-Bewegung genannt. Unterzeichnet wurde der Antrag von Rudolf Schnur, dem Vorsitzenden der CSU/LM/JL/BfL sowie Mitgliedern der Bayernpartei, der jungen Wähler, der FDP und der ÖDP.

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Kritiker des Antrags vermuten jedoch, dass unter dem Deckmantel, gegen rechte Bewegungen zu sein, mit einem solchen Antrag versucht wird, linke Organisationen zu schwächen. Tatsächlich war Schnur zuletzt wegen seiner Verbindungen in die rechte Szene in den Schlagzeilen. So unterhielt er zu einem fremdenfeindlichen Blogger und Ex-Polizisten, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen der Drohschreibenserie mit Absender "NSU 2.0" ermittelt, eine enge Beziehung. "Der Antrag ist für die politische Jugendarbeit ein Wolf im Schafspelz", sagt Martin Birkner, Jugendsekretär für die DGB-Jugend in Niederbayern. "Der Antrag zielt, entgegen der Begründung, auf politische Organisationen mit sozialer, progressiver Programmatik."

Konkret geht es den Kritikern um die VVN-BdA, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten. Diese Organisation ist zum einen im Verfassungsschutzbericht gelistet, zum anderen Partner der interkulturellen Wochen in Landshut. "Viele Holocaustüberlebende sind in dieser Vereinigung organisiert", sagt Birkner. "Somit wären Gespräche mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen in städtischen Einrichtungen nicht mehr möglich und Gedenkarbeit könnte einen die Förderung kosten." Ein Vorwurf, den Schnur zurückweist. Der Antrag berühre "etwaige Veranstaltungen mit Zeitzeugen als Einzelpersonen nicht", stellt er klar. Für den VVN-BdA aber gelte, dass er seit Jahren als linksextremistische Organisation im Bayerischen Verfassungsschutzbericht geführt wird. Umso fragwürdiger erscheine Schnur daher eine Vernetzung mit der Einrichtung. Doch in den Augen der Kritiker würde der Antrag nicht nur die VVN-BdA treffen, sondern zahlreiche Organisationen, die mit der Vereinigung zusammenarbeiten. Darunter nicht nur der DGB, sondern unter anderem auch Amnesty International, die Arbeiterwohlfahrt oder das christliche Bildungswerk.

Auch Stefan Gruber, Fraktionsvorsitzender der Grünen in Landshut, lehnt den Antrag strikt ab. "Selbstverständlich ist Extremismus zu bekämpfen", sagt er. Doch er kritisiert, dass der Antrag nicht dort angreife, wo er hinzuführen vorgebe: "Mir ist keine rechte Organisation bekannt, die unter die neuen Regularien fallen würde. Dementsprechend wäre es nur ein Schaufensterantrag."

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Auch Birkner hält die erwähnte "Reichsbürger"-Bewegung als Begründung für den Antrag für ein Scheinargument. "Da frage ich schon, welche Fördermittel die Reichsbürger-Bewegung von der Stadt erhalten kann und welche Organisationen, die diese erhalten, mit der vermeintlichen Reichsbürger-Bewegung, die nicht klar abgrenzbar ist, zusammenarbeiten."

Ein Kritikpunkt, der an dieser Stelle immer genannt wird, ist die Tatsache, dass der Antrag explizit Parteien von den neuen Regularien ausschließen würde. "Dies öffnet nicht nur der im Stadtrat vertretenen AfD alle Türen, sondern auch anderen rechtsextremen Parteien", sagt Birkner. Für ihn steht fest: "Letztlich wird die politisch progressive Stadtgesellschaft, welche sich für Vielfalt, Offenheit, Inklusion und Demokratie einsetzt, geschwächt, während die politisch Rechte gestärkt wird." Doch auch diesen Vorwurf weist Schnur zurück: "Anders als der DGB unterstellen möchte, geht es in dem Antrag nicht um ,Naziparteien rein, Zeitzeugen raus', sondern schlicht um ,Kein Platz für Verfassungsfeinde'", teilt er dazu mit.

Elke März-Granda sitzt für die ÖDP im Stadtrat und hat den Antrag mit unterzeichnet. "Man muss viel Fantasie haben, um in dem Antrag zu lesen, dass er nur auf linke Gruppierungen zielt. Er ist nicht einseitig formuliert", sagt sie. "Wenn das so gewesen wäre, hätte ich nicht mit unterzeichnet." Sie stellt klar: "Egal in welche Richtung Extremismus geht, dürfen ihm Kommunen keine Plattform geben. Im Verfassungsschutzbericht sind Extremisten aller Art aufgelistet und ich vertraue einer solchen Institution, die unsere Verfassung schützen möchte." So bleibt für sie die Richtung, die mit dem Antrag vorgegeben wird, richtig.

Gleichwohl sehe die ÖDP den Bedarf, einige Punkte zu modifizieren. "Bei der Formulierung des Beschlusses muss man sensibel vorgehen und darf keinen Rundumschlag machen", sagt März-Granda. "Sicher ist es beispielsweise schwierig, zu beurteilen, wann eindeutig personelle Überschneidungen zwischen einer Drittorganisation und einer extremistischen Organisation existieren. Wir bevorzugen eine Formulierung dahingehend, dass nur Gruppierungen von öffentlichen Geldern ausgeschlossen sind, die inhaltlich maßgeblich durch extremistische Organisationen geprägt sind."

© SZ vom 23.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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