Rechtsextremismus:Blogger mit Pumpgun

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Auf der Suche nach den Absendern von anonymen Drohmails hat die Polizei die Wohnung eines ehemaligen Kollegen durchsucht. Dort versteckte er illegale Schusswaffen, sein fremdenfeindliches Gedankengut stellt er dagegen seit Jahren offen zur Schau.

Von Florian Flade und Lisa Schnell

Die Waffen hatte Hermann S. hinter Schränken versteckt und das recht professionell. Die Polizei sollte sie nicht finden, die Polizei aber fand sie doch. Zwei Pistolen und eine Pumpgun nahm sie mit und dazu noch Schlagstöcke und Pfeffersprays. Hermann S. besaß die Waffen illegal. Gegen ihn ermittelt deshalb nun auch noch die Münchner Generalstaatsanwaltschaft. Es ist ein Zufallsfund, der für einige ein anderes Licht auf einen weiteren, viel schwerwiegenderen Vorwurf wirft, dem S. sich ausgesetzt sieht.

Vergangenen Freitag waren der pensionierte Polizist aus Landshut und seine Frau kurzzeitig festgenommen worden, und zwar als Verdächtige im Ermittlungsverfahren um anonyme Drohmails mit dem Absender "NSU 2.0". Mit diesem Kürzel sind die sehr wahrscheinlich aus der rechtsextremen Szene stammenden Drohmails versehen, die seit etwa zwei Jahren an fast 30 Menschen versandt werden. Deshalb durchsuchten Polizisten sein Haus, wo sie dann zufällig die Waffen fanden.

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Auf S. kamen die Ermittler, weil die letzte Woche verschickten Drohungen nicht wie bislang üblich über einen E-Mail-Account beim russischen Anbieter Yandex verschickt wurden, sondern von einem Anbieter für verschlüsselte E-Mails aus der Schweiz unter der Mail-Adresse "eugen.prinz1945@protonmail.com". Prinz Eugen war Oberbefehlshaber im Großen Türkenkrieg von 1697 und ist eine Heldenfigur der rechten Szene. Das Pseudonym ist in der rechten Szene beliebt und wird auch von S. aus Landshut benutzt. Ob er wirklich hinter der E-Mailadresse steckt, ist nicht klar. Er selbst streitet das ab. In Ermittlerkreisen wird derzeit davon ausgegangen, dass es sich bei S. allenfalls um einen Trittbrettfahrer handelt, nicht aber um den Hauptverdächtigen im NSU 2.0-Fall.

Grund genug, sich Hermann S. einmal genauer anzusehen und anzuhören. Am Telefon sagt er der SZ: Die Pumpgun und die zwei Pistolen seien "Erbstücke aus dem Nachlass meines Vaters", von denen er sich nicht habe trennen wollen. "Ich habe nie einen Schuss mit ihnen abgegeben", sagt S. und sie nie außerhalb des Hauses getragen. Die Waffen aufzuheben "war ein Fehler". S. könnten zwischen einem und fünf Jahren Freiheitsstrafe drohen, wenn es zur Anklage kommt. So sagt das ein Sprecher der Münchner Generalstaatsanwaltschaft unter Vorbehalt. Er bestätigt, dass S. Sportschütze ist und zwei legale Waffen regelkonform in einem Waffenschrank aufbewahrt habe. Bis jetzt war S. in Landshut durchaus bekannt, allerdings nicht als Waffennarr oder gewaltbereit, sondern als einer, der die Zeitung mit Leserbriefen bombardiert und auf mehreren Internetplattformen fremdenfeindliche und beleidigende Artikel verfasst.

"Er hetzt gerne andere auf, aber er ist nicht der Macher", so die Einschätzung von Anja König, SPD-Stadträtin und eine, die S. seit Jahren beobachtet und selbst im letzten Bundestagswahlkampf Drohbriefe bekam. Der Absender ist unbekannt. Sie habe bei der Staatsanwaltschaft angefragt, dass diese überprüft, ob ihre Drohbriefe von S. stammen, sagt Anja König. S. weist diesen Vorwurf zurück. Schon allein die Tatsache, dass ein Mann mit seinen Ansichten, illegale Waffen bei sich zu Hause verstecke, findet König mehr als beunruhigend: "Das ist eine tickende Zeitbombe." S. schreibt etwa für das neurechte Internetportal Political Incorrect, das vom bayerischen Verfassungsschutz als islamkritisch eingestuft, aber nicht beobachtet wird.

Vor dem Hintergrund des Waffenfundes erscheint ein Beitrag aus dem Jahr 2017 besonders brisant. Er trägt die Überschrift: "Warum ich die AfD wähle", der Autor: Hermann S. Er äußert seine Angst, dass die Gewaltattacken in Deutschland aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen zunehmen werden und blickt "neidisch zu unseren tschechischen Nachbarn". Dort nämlich ermögliche die Regierung "jedem tschechischen Staatsbürger den Erwerb einer Waffe zur Selbstverteidigung". Auf Anfrage bestätigte S. der SZ, diesen Beitrag verfasst zu haben. Er sei für ein lockereres Waffenrecht, aber: "Dass man das Recht selbst in die Hand nimmt, ist nicht meine Einstellung." Die Verteidigung obliege ausschließlich den Sicherheitsbehörden.

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S. veröffentlichte auch auf Klartext.la, einer Plattform des CSU-Stadtrats Rudolf Schnur. Im Jahr 2015 schrieb S. dort von einer drohenden "German Rape Wave", einer "deutschen Vergewaltigungswelle", die er als Folge der hohen Zuwanderungszahlen ausmachte. Damals verteidigte Schnur den Text in der Landshuter Zeitung als legitim im Sinne der Meinungsfreiheit. Nun nennt er ihn "harter Tobak". Schon im Jahr 2015 habe er sich von S. als Autor getrennt, der seitdem auf einem weiteren Blog mit ähnlichen Inhalten ("Kommen mit den Flüchtlingen auch die Seuchen?) schreibt.

Laut der Staatsanwaltschaft Landshut wurden gegen S. vier Mal Verfahren eingeleitet wegen Volksverhetzung, Beleidigung, Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz und weil er unrechtmäßig Ton- oder Filmaufnahmen gemacht haben soll. Alle wurden eingestellt. S. ist in der Vergangenheit strafrechtlich nicht aufgefallen. Den Verfassungsschützern ist er nicht als Extremist bekannt. Es existiert dort nur ein Vermerk zu der eingestellten Ermittlung wegen Volksverhetzung. Sein Blog, der "islamkritisch, aber nicht extremistisch" sei, werde nicht beobachtet, sagt ein Sprecher, ohne S. als Betreiber zu bestätigen.

Es gebe aber auch "Inhalte, die als verfassungsfeindlich" eingestuft würden, weil sie Migranten pauschal herabwürdigten. S. weist alle Vorwürfe, hinter den Drohmails des NSU 2.0 zu stecken, zurück. Er sei überzeugt, dass ihm jemand etwas anhängen wolle. In letzter Zeit seien sehr seltsame Dinge passiert. So habe er etwa Essen geliefert bekommen, das er gar nicht bestellt hatte. Er habe schon eine Idee, wer dahinterstecke, sagt S., wolle aber ohne Beweise nicht spekulieren. Mit der Polizei kooperiere er natürlich.

Neben den Ermittlungen wurde gegen ihn zudem ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Im schlimmsten Fall könnte ihm seine Pension aberkannt werden.

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