Zwiefe
Am Thomastag (21. Dezember) haben die zwölf Raunächte begonnen, in denen früher keiner freiwillig das Haus verlassen hätte. Die Menschen hatten einen Heidenrespekt vor der sogenannten wilden Jagd, also vor den Unholden und Dämonen, die in diesen Nächten der Sage nach ihr Unwesen treiben. Manche Raunacht galt als Losnacht, das heißt, man bildete sich ein, einen Blick in die Zukunft werfen zu können. In der Thomasnacht wollten Neugierige sogar erfahren, wen sie heiraten werden oder wer als nächstes sterben muss. Der Aberglaube war übermächtig. Auch die Zwiebel spielte dabei eine Rolle. In Altbayern heißt die Pflanze Zwiefe (Plural: d'Zwiefen). Abgeleitet ist das Wort vom althochdeutschen zwibolla (bolla = Geschwollenes). Der Lautwandel von b zu f ist nicht ungewöhnlich. In Ilmbergers Fibel war vor Jahrzehnten nachzulesen, "zwölf Zwiefeschoin" (Zwiebelschalen) in den Raunächten nebeneinander gelegt, zeigten an, ob das Wetter in den nächsten Monaten feucht oder trocken wird. Im Übrigen gilt die Zwiebel (der Zwiefe) als Heilmittel, auch wenn sie nicht jeder gut verdauen kann. Es kommt zu verstärkter Gasentwicklung, wie es die Apotheken-Umschau formulierte. Trotzdem wird der Zwiebelrostbraten gerne gegessen. Neulich fragte in einer niederbayerischen Wirtschaft eine Bedienung einen vor seinem Braten sitzenden Gast dialektal versiert: "Ja Sepp, hams dir koan Zwiefe ned auffedo, mogst no oan omad?"
Winterhansl
An diesem Mittwoch (27. Dezember) wird der Namenstag des Johannes Evangelist gefeiert. Der ist in Bayern aber weniger populär als Johannes der Täufer, dessen Namenstag auf den 24. Juni fällt. Letzterer wird als Sommerhansl bezeichnet, der andere als Winterhansl. Hansl ist eine Diminutiv-Form des Namens Johannes, der als der populärste Männername der europäischen Geschichte gilt. Trotzdem sind die bayerischen Formen Johann und Hans heute eine Rarität. In der Passauer Gegend heißt der Winterhansl auch Hans Wurst (wegen der an Weihnachten gerne verspeisten Mettenwürste).
Krampfhenne
Kollege H. entstammt, wie seine Sprachfärbung verrät, der rar gewordenen Spezies eingeborener Münchner. Neulich hat er erzählt, ein Preuße habe in der Kneipe von ihm wissen wollen, was denn eine Krampfhenne sei. "Mei", antwortete H. sichtlich überrascht, "a Krampfhenna hoid." Wie so viele bairische Wörter ist dieser Begriff nicht leicht zu erklären, da er für sich selber spricht. Erstaunlicherweise ist die Krampfhenne in den einschlägigen Wörterbüchern nur selten zu finden. Dem Rest ist zumindest zu entnehmen, dass darunter eine Frau zu verstehen ist, die sich wichtig macht und Unsinn redet. Am 4. März 1992 ist das Wort bundesweit in die Schlagzeilen geraten, nachdem der damalige bayerische Ministerpräsident Max Streibl beim Politischen Aschermittwoch der CSU die SPD-Landesvorsitzende Renate Schmidt als Krampfhenne bezeichnet hatte.
brunzdumm
"Zu viele PS und zu wenig Hirn" - diese Charakterisierung eines Autofahrers war der Münchner Boulevardzeitung tz zu entnehmen. In der Tat gilt der Mann als heißester Anwärter auf den inoffiziellen Titel "dümmster Raser des Jahres". Nachdem er ein paar Halbe "getankt" hatte, ließ er auf dem Gelände des Autokinos Aschheim die Hinterreifen seines BMW so lange auf der Stelle drehen und qualmen, bis der Gummi brannte und die Flammen auf den Wagen übergriffen. Weder der Fahrer noch die Zaungäste konnten das Feuer löschen. Als die Feuerwehr eintraf, war das teure Auto bereits ausgebrannt. Die Polizei nahm dem Angeber Blut und Führerschein ab. "So ein damischer Hund!", sagte ein Kommentator der Szenerie. Andere urteilten härter: "So brunzdumm wie der muast erst amal sein!" Ein weiterer Beobachter verwendete eine Steigerung des Adjektivs brunzdumm, es heißt brunzkachelblöd. Hinter diesen Schimpfwörtern steckt das derbe Verb brunzen. Brunzkachel wird als Synonym für den Nachttopf geführt, der auch unter dem schönen Wort Potschamperl firmiert. Weitere Bedeutungen der Brunzkachel sollen hier wegen ihrer Derbheit nicht näher ausgeführt werden.
Pantscherl
Laut den im Sportteil veröffentlichten Aussagen ehemaliger Rennläuferinnen hat es in den 70er-Jahren im Österreichischen Skiverband sexuelle Übergriffe von Trainern, Betreuern und Kollegen gegeben. "Wenn so etwas jetzt vorfallen würde, würden wir dazwischenfahren und kurzen Prozess machen", sagte Peter Schröcksnadel, der Präsident des Skiverbands. In seiner Zeit sei ihm nie etwas über sexuelle Übergriffe zu Ohren gekommen. "Das eine oder andere Pantscherl" könne er aber nicht ausschließen. "Aber ein Pantscherl ist ja auch kein Übergriff." Unter einem Pantscherl (Panscherl) versteht man in Österreich eine Liebelei, eine Affäre. Laut dem "Wörterbuch der Alltagssprache in Österreich" bedeutete das Wort ursprünglich: ein Mann und eine Frau, die nicht zusammenpassen. In Bayern wird das Verb pantschen dagegen verwendet, wenn zum Beispiel Getränke vermischt und dadurch verfälscht werden. Sehr beliebt war früher das Millipantschen. Dabei wurde die Milch heimlich mit Wasser gestreckt, damit sie beim Verkauf mengenmäßig einen größeren Ertrag brachte. Von daher rührt das Schimpfwort Millipantscher. Dass ein Pantscher auch eine Watschn sein kann, beweist das alte Lied von Hermann Leopoldi, in dem eine Squaw einem zudringlichen Sioux mit ihrem strengen Vater droht: "Als Häuptling der Komantschen/wird er dir eine pantschen."
zeckerlfett
Die Chamer Zeitung hat uns mit einem lustig klingenden neuen Wort überrascht. Im Bericht über das Aufstellen des neun Meter hohen Weihnachtsbaums auf dem Marktplatz hieß es, bei dessen Anblick fiele dem Betrachter "das hübsche bayrische Wort zeckerlforst" ein. Auch in der Überschrift wird der "zeckerlforste Weihnachtsbaum" hervorgehoben. Leider ist dieses Adjektiv in keinem Wörterbuch zu finden. Vermutlich hat der Autor zeckerlfett (zeckerlfeist) gemeint. Wer zeckerlfett ist, der ist sehr gut genährt und entsprechend dick. Zeckerlfett bildet den Vergleich mit einem Zeck ab, der sich mit Blut vollgesaugt hat.
Schmarrnbeni
Kollegin A. ist in vielen Sprachen zuhause. Wenn sie der Grant packt, dann rutschen ihr sogar bairische Wörter heraus. Neulich hat sie einem Kollegen widersprochen, wobei sie ihre Kritik mit dem Begriff "Schmarrnbeni" abrundete. Das Schöne am bairischen Idiom ist, dass oft mit einem einzigen Wort alles gesagt ist. Das Wort Schmarrnbeni klingt auch noch lustig, weshalb es aufkeimende Hitzigkeiten umgehend dämpft. Im Schmarrnbeni steckt der Begriff Schmarrn. Das ist eine meist süße Mehlspeise, die im Schmer, also im Fett hergestellt wird, und zwar aus Mehl, Milch und Eiern. Dass Schmarrn überdies eine unsinnige Äußerung bezeichnet, hängt wohl mit der Banalität dieses Gerichts zusammen. Es wurde häufig gering geschätzt, eben weil es dauernd aufgetischt wurde. So ein Schmarrn! Das heißt: Das ist minderwertig, ohne Wert. Beispielhaft zitiert wurde der Schmarrn von Luise Kinseher, die als Mama Bavaria auf dem Nockherberg 2012 zu Horst Seehofer sagte: "Manchmal könnte ich dich an die Wand klatschen, Horst! Du mit Deinem Schmarrn. Jede Woche was Neues. Und nur Kas!" Einer, der einen Schmarrn redet, ist ein Schmarrer oder ein Schmarrnbeni, wobei Beni die Koseform des Namens Benedikt ist. Der frühere Papst Benedikt ist kein Schmarrnbeni. Er hat so gut wie nie einen Schmarrn dahergeredet, mögen seine Vorträge auch nicht immer von allen verstanden worden sein. Weitere Synonyme für Schmarrnbeni sind Schmarrnbrenner und Schmarrnkiwe (-kübel).
Gwax
Für viele ältere Menschen ist der inflationäre Gebrauch englischer Wörter im Alltag eine Zumutung - und doch werden sie benutzt. Ein Landwirt schimpfte neulich über Kradfahrer, die mit ihren Quads durch seinen Wald rasten: "De Limmen mit eahnane Quax arbatn mein ganzen Weg auf." Übersetzt: Die Lümmel mit ihren Quads zerstören meinen ganzen Weg. Dass der gute Mann Quax statt Quads sagte, ist eigentlich wurscht, denn Quax (Gwax) ist ein Universalwort. Gwax (Gwachs) bedeutet laut Zehetners Wörterbuch Geschwulst, Unkraut, origineller Mensch und freches Mädchen (a echts Gwachs). Die Burghauser haben übrigens einen eigenen Weinberg unterhalb der Burg. Dort wachsen die Trauben für das "Burghauser Gwax". Diesen Wein gibt es nicht zu kaufen. Bürgermeister Hans Steindl verschenkt ihn nur zu besonderen Anlässen.
aggratt
Vergangene Woche hat das Bayerische Fernsehen eine Wiederholung des Films "Ein Ziel im Leben" gezeigt, er schildert eine Episode aus der in den 70er Jahren gedrehten Serie "Münchner Geschichten". Es ist jedes Mal eine Freude, die unnachahmliche Schauspielerin Therese Giehse zu sehen. Und dabei ihrem feinen Münchnerisch zu lauschen. So weich, so ausdrucksgenau, so bedächtig gemütvoll spricht heute in München kaum noch jemand. In dem Film soll die von Giehse gespielte Anna Häusler auf Druck ihres Enkels in die Trabantenstadt Neuperlach umziehen. Vom Fenster des Neubaus aus sieht sie nur einen tristen Straßenzug, was die alte Frau traurig stimmt. Sie will lieber in ihrem alten Viertel in der Stadt bleiben. "Ich ziehe nicht nach Neuperlach", erklärt sie ihrem Enkel, "akkurat nicht!" In dieser Wendung verstärkt das hinten betonte Wörtlein akkurat die Aussage. Es ist eigentlich ein Fremdwort, das viele Bedeutungen hat: peinlich genau, sorgfältig, gewissenhaft, ausgerechnet. . . Auf dem Land wird das Wort verkürzt als aggratt (akrat) gesprochen. Vermutlich ist es vom lateinischen accuratus (sorgfältig, genau) in das Deutsche und leicht variiert ins Münchnerische gekommen. Eine Steigerungsform lautet grad aggratt: "Das hat er absichtlich getan, grad aggratt!"
Trix
In der oben erwähnten Folge der "Münchner Geschichten" tritt auch das schauspielerische Urviech Gustl Bayrhammer als Hauswirt Fischhuber auf. Im Gegensatz zur Giehse artikuliert er sich in einem krachert derben Münchnerisch aus der Schwemme. Er spekuliert mit einer Vermietung der Wohnung an Gastarbeiter. "Der Herr Beisal", sagt er über seinen türkischen Vermittler, "der kennt a jeden Trix". Es ist eine Besonderheit des Bairischen, den Plural des englischen Worts Trick singularisch zu verwenden. Der Maier Sepp, Nationaltorwart zu Giehses Zeiten, praktiziert das heute noch. Als er neulich in der BR-Serie "Dahoam is Dahoam" mit einem Torwart übte, sagte er zu ihm: "Und dann gibt's da noch an Trix. ..!"
Hennasprenga
Der Förderverein Bairische Sprache und Dialekte hat auf dem Oktoberfest per Fragebogen die Bairisch-Kenntnisse der Besucher getestet. Da wurden Wörter wie Schusser und Heigeign abgefragt, der Förderverein versteht sich auf die alten Begriffe. Beim Wort Hennasprenga mussten die Kandidaten die Lösung aus folgenden Vorschlägen suchen: a) kleiner, aber scharfer Hund, b) rowdyhafter Autofahrer und c) kleines Motorrad. Hier täuschte sich allerdings der Juror, ein gestrenger älterer Herr. Er wollte einer Kandidatin, die richtigerweise das kleine Motorrad angekreuzt hatte, weismachen, ein Hennasprenga sei ein kleiner Hund. Dass die Frau ihm das nicht glaubte, ärgerte ihn, vielleicht hielt er sie auch für eine bläde Henna. Nachsichtig merkte er an, er wolle kein Dipferlscheißer sein, dann sollst halt recht haben. Offen bleibt, wie der Förderverein das Wort Hennasprenga künftig erklären will. Er könnte es durch das Wort Schnauferl ersetzen. Auch das ist ein Moped, dessen schnackelnder Motor Hühner erschreckt und versprengt.
Kemmans wieder!
Kürzlich endete ein Einkauf in einer kleinen Dorfener Bäckerei mit der freundlichen Aufforderung der Seniorchefin: "Kemmans wieder!" Diese Worte, das Ladengeschäft doch wieder zu beehren, hörte man früher häufig. Leider schwindet die Zahl der kleinen Bäckereien und Läden in rasendem Tempo dahin, sie haben keine Chance mehr gegen die Multis, Konzerne und Discounter. So klingt das vertraute "Kemmans wieder!" wie ein Abgesang. Viele Kunden kommen leider nicht mehr, sie folgen lieber den Lockrufen des Internets und der Großketten, von denen sie die freundliche Zuwendung der kleinen Läden gewiss nie erfahren werden. Aber sie sind halt manchmal um ein Fünferl billiger.
futschikato
An Universitäten wie der TU München und in Berliner Cafés verliert Deutsch rasant an Bedeutung. Dort wird fast nur noch Englisch gesprochen. Andererseits bläht sich die deutsche Sprache nach wie vor auf. Das belegt nicht zuletzt die Tatsache, dass der neue Duden um 5000 Wörter gewachsen ist. Zu den Neulingen gehört neben brandaktuellen und hippen Ausdrücken wie Fake News, postfaktisch und tindern erstaunlicherweise das zumindest im bayerischen Sprachraum schon recht alte Wort futschikato, das hier bereits kurz nach dem Krieg verbreitet war und vermutlich sogar vorher schon. Eine kabarettistische Revue von Friedrich Hollaender, etwa von 1957 bis 1961 gespielt, trug den Titel Futschikato. Im Kern ist futschikato eine ans Italienische angelehnte Weiterbildung des Adjektivs futsch (fort, weg). Der Duden schreibt, dieses Wort werde salopp und scherzhaft verwendet, und er nennt den Beispielsatz: "Das ganze Geld war futschikato!" Anzumerken ist, dass das Wort im bayerisch-österreichischen Sprachraum häufig pfutschikato ausgesprochen wird. Eine Weiterbildung ist die Formel futschikato perdutti. In Anspielung auf den Berg Fudschijama wurde futschikato auch als Japanismus erklärt. Dem Deutschen Wörterbuch zufolge war futsch ursprünglich der Imperativ des Verbs futschen, das in Schweizer Mundarten als Synonym für "gleiten, rutschen" belegt ist.
brausen
Aus der Mode gekommen ist das bildhafte Verb brausen. Es wurde weitgehend durch das Synonym duschen ersetzt. Bis in die Siebzigerjahre hinein gab es in vielen Haushalten keine Dusche. Deshalb hieß es: "Wir mussten mit den Kindern zum Brausen zu Verwandten fahren." Dieser Satz ist im österreichischen Duden zu lesen. In Felix F. Scherzers aktuellem Roman "Neubayern" sagt ein Jüngling, der in einem Bau eingesperrt war: "Das einzig Schöne war das tägliche Brausebad!" Gelegentlich hört man noch das Wort abbrausen, in dem die erfrischende Wirkung des Wassers ideal zum Ausdruck kommt, die Wasserperlen sind beim Sprechen förmlich zu spüren. Die Kabarettistin Monika Gruber erwähnt in ihrer Autobiografie den "Brauser", der so genannt wurde, weil er auf die Frage, ob er mitgehe, immer sagte: "Scho, aber i muass mi zerscht noch brausen!"
Outwachler
Die Österreicher pflegen eine ganz eigene Fußballsprache. Für den Eckball verwenden sie zum Beispiel den Begriff Corner. SZ-Leser Rudolf Ulrich hat zu diesem Thema mitgeteilt, Corner gehe auf die Zeit um 1892 zurück, als in Österreich arbeitende englische Ingenieure und Studenten sowie Iren den Fußball ins Land brachten. Die englischen Bezeichnungen Team (Mannschaft), Keeper (Torhüter), Center (Mittelstürmer), Half (Halbstürmer), Back (Verteidiger), Penalty (Elfer), Out (Aus) und Referee (Schiedsrichter) blieben lange Zeit erhalten. Sie überstanden sogar die von 1938 an praktizierte reichsdeutsche Sprachreinigung, sind aber heute bis auf den Corner durch die Veränderungen in der Spieltaktik kaum noch in Gebrauch. Auf den Begriff Outwachler trifft dies jedoch nicht zu. Das ist laut Ulrich eine dialektale Neuschöpfung. Im Grenzgebiet ist Outwachler manchmal auch in Bayern zu hören. Erst neulich fiel dieses Wort im Zusammenhang mit jenem Linienrichter, der dem Straubinger Publikum in provokativer Absicht seine entblößte Vorderseite hingestreckt hatte. Das lustig klingende Kompositum Outwachler setzt sich aus dem englischen Wort out und dem Verb wacheln (mit einer Fahne winken) zusammen. Nicht nur bei diesem Wort spiegelt sich die österreichische Sportbegeisterung in einer bildhaften sprachlichen Manifestation des Geschehens wider. Vor allem der Skisport hat Begrifflichkeiten von zeitloser Würde hervorgebracht. Dem Abfahrts-Olympiasieger Franz Klammer attestierte dessen einstiger Lehrer, er sei schon "in da Grundschui a Blitzgneißer gwesn!", also ein aufgeweckter Bursche, der alles schnell kapiert. Auch die österreichischen Fußballfrauen, die soeben sensationell ins EM-Halbfinale vorgestoßen sind, bereiteten dem Publikum rein sportlich eine große Freude. In sprachlicher Hinsicht klappte das nicht. Leider klangen ihre Sätze, als hätten sich diese Damen längst von den feinen österreichisch-bairischen Intonationen verabschiedet. Sie klangen in den Interviews allesamt, als stammten sie aus Hannover-Mitte. Vielleicht ist auch das eine Folgeerscheinung eines Sports, dessen Götze das Geld ist, der jegliche Individualität abtötet und seine Protagonisten auf ein pflegeleichtes Einheitsmaß trimmt. Diese Entwicklung gefährdet nun sogar die schillernde Fußballsprache in Österreich. In Deutschland ist das Elend schon weit fortgeschritten. Populäre Fußball-Reporter wie Bela Rethy formatieren bereits die Grammatik um: "Wasn Pass!" Solche Aussagen prägen seine Kommentare. Höchste Zeit, dass die Outwachler dieses üble Spiel abwinken.
Bofel
Nachdem sich ihr Gesprächspartner, erkennbar ein Mausdoudschmatzer, verabschiedet hatte, reagierte eine Dame in einem Landshuter Gasthaus genervt: "Mensch", sagte sie zu ihrer Begleiterin, "redet der einen Bofel daher." Ab und zu hört man in Gesprächen auch die direkte Aufforderung: "Red doch keinen Bofel (Bofe)!" Pofel, Bofel, Pafel und Bafel: Das sind Dinge von geringem Wert. Die Wörter babel und bafel gibt es bereits im Hebräischen: minderwertige Ware. Im Mittelhochdeutschen ist bovel (povel) eine Personenbezeichnung, vielleicht abgeleitet vom lateinischen Wort populus (Volk, Leute). Daraus wird sich wohl der Begriff Pöbel entwickelt haben. Die Geschichte dieses Wortes endet beim Geschwätz, also beim Bofel, der die Nerven der Landshuter Dame strapaziert hat.
Dreiquartl-Mass
Diese besondere Form der Mass st eine nur zu drei "Quartln", also Vierteln, eingeschenkte Mass. An der Gassenschänke, so schreibt uns ein Leser, habe man aber, wenn gut eingeschenkt war, fast eine ganze Mass erhalten. "Spreche aus eigener Erfahrung, da ich als Kind meinem Onkel, einem elendiglichen Geizkragen, oft drei Quartl über der Straße beim Winklerbräu holen musste." Ähnliche Erfahrungen machte Gabi Russ, die als Mädchen in der Nachkriegszeit ebenfalls mit einem Masskrug zum Bierholen geschickt wurde. "Unser Glaskrug war auf einen Liter geeicht, aber eine ganze Mass Bier einschließlich Schaum hätte darin gar nicht Platz gehabt. Und so haben viele Leute drei Quartl Bier statt einer Mass gekauft." Diese zu kleinen Krüge gaben den Ausschlag dafür, dass auf dem Oktoberfest die Masskrüge etwas größer wurden und über dem 1 Liter-Eichmaß noch Platz für den Bierschaum ist.
Vergeltsgott
Der Kabarettist Martin Frank hat in der BR-Sendung "Vereinsheim" viel Applaus erhalten. Das aus Niederbayern stammende Nachwuchstalent bedankte sich mit einem trockenen "Vergoizgod". Die leicht überdrehte Moderatorin Constanze Lindner sagte daraufhin: "Mei süß, so reizend! Steht er da und sagt Vergoizgod!" Was Frau Lindner für "so süß" hält, ist in Wirklichkeit eine alte Dankesformel, die einst in den Formen Vergeltsgott, Vergoizgod, Vergejzgod oder kurz Gejzgod weit verbreitet war (Vergelte es Gott). Mit einem "Vergoizgod" bedankte man sich zum Beispiel für ein Präsent. Der oder die Schenkende erwiderte: "Sengsgod" oder "Gsengsgod" (Segne es Gott). Heute sind diese Formeln fast verschwunden. 1981 war das noch anders, sogar im "Tatort" kamen sie zu Ehren. "Im Fadenkreuz" hieß jener Krimi, in dem Kriminalkommissar Lenz (Helmut Fischer) ermittelte. Lenz sagte zu einer Frau, die ihm nach einem Kinnhaken das Blut abwischte: "Vergeltsgott!" Schade, dass die moderne Gesellschaft diesem schönen Wort nichts mehr abgewinnen kann.
Dreiquartlhose
Apropos Dreiquartl: Am Münchner Ostbahnhof lästerte eine in Modesachen versierte Frau leise über jene Herren, deren Hosenbeine nur die Knie, aber nicht die Wadln bedecken. Diese halblange Beinmode wird häufig abgerundet durch klobige Trekking-Sandalen. Einen schönen Mann kann nichts entstellen, heißt es, aber solche Dreiquartlhosen (Dreiviertelhosen) können das schon, da hat die Dame durchaus recht. Früher wies eine zu kurze Hose darauf hin, dass das Geld für eine lange Hose nicht ausreichte. Menschen, die solche Zeiten erlebt haben, pflegen deshalb oft eine natürliche Abscheu vor diesen seltsamen Dreiquartlhosen. Das Präfix Dreiquartl kommt im Bairischen öfter vor. Es bedeutet, abgeleitet vom Lateinischen, drei Viertel. Als Dreiquartlprivatier bezeichnete man einst jene Rentner, der sich keine Mass Bier leisten konnten, sondern nur drei Quartl (0,75 Liter).
Bussi
Vergangene Woche wurde, aller Gewalt zum Trotz, der Tag des Kusses gefeiert. In den mundartlich geprägten Regionen Bayerns ist das Wort Kuss selten zu hören. Stattdessen sagt man Busserl, Bussl oder Bussi. Legendär ist die Münchner Bussi- Bussi-Gesellschaft, deren Begrüßungs-Ritual darin besteht, links und rechts die Wangen zu berühren und ein sanftes Schmatzgeräusch von sich zu geben. Davon schwer beeindruckt, hat die österreichische Band Wanda ihr zweites Album "Bussi" genannt. Die Herkunft des Busserls ist offen. Das Spätlateinische kennt das basiolum (zärtliches Busserl). Als flüchtiger Kuss galt das osculum, das uns bei Tacitus, Cicero und Cato begegnet. Der Ursprung des Bussis könnte auch in Böhmen liegen, wo der Mund pusa (pusinka) heißt. "Dei pusinku!" So werden Kinder angehalten, die Verwandtschaft abzubusseln. In Oberbayern sagt man zum busseln auch hoisen (halsen). Berühmt geworden ist das Verb busseln durch eine Radio-Übertragung bei der Fußball-WM 1978, die den Ingenieur Edi Finger zur Kultfigur machte. Den Siegestreffer gegen Deutschland schilderte Finger mit der unvergessenen Reporterhymne: "I wer narrisch! Krankl schießt ein - 3:2 für Österreich! Meine Damen und Herren, wir fallen uns um den Hals, der Kollege Rippel, der Diplom-Ingenieur Posch - wir busseln uns ab!"
Kerschn
Die Kirschernte zeigt ein durchwachsenes Ergebnis. Der Frühjahrsfrost hat den Blüten stark zugesetzt, an vielen Bäumen ist Totalausfall zu verzeichnen. In sprachlicher Hinsicht zeigt sich die Kirsche widerstandsfähiger. Der aus Westfalen stammende, aber in Bayern lebende Journalist Michael Watzke hat in einem Beitrag seinen Wunsch erwähnt, seine Tochter möge auch Bairisch lernen. Da sie gewohnheitsmäßig Kürsche sagte, erklärte er ihr, in Bayern sage man Kirsche. Das wiederum stimmt auch nicht ganz, denn auf Bairisch heißt die Kirsche eigentlich Kersch (Plural: Kerschn). Der zugehörige Baum ist der Kerschbaam, daraus resultiert der Familienname Kerschbaumer. Auch die Namen Kerscher, Kerschl und Kerschensteiner hängen mit der Kirsche (Kersch) zusammen. Bekannt ist zudem der Kerschgeist, ein Schnaps, der durch Kobells Stück "Die Gschicht vom Brandner Kasper" berühmt wurde. Der Brandner hängt nämlich dem vom Kerschgeist beseelten Boandlkramer einen Rausch an und gaunert ihm die Zusage ab, ihn erst später zu holen.
Brunzrübe
Die Schauspielerin Elke Sommer geriet in der BR-Sendung "Tortenschlacht" in Erzähllaune: "Ach Godele, was ham wir uns über a Brunzruum gfreit!" Dieses fränkische Wort ist nur selten zu hören. Elke Sommer erklärte es so: "Die is wie ein Reddich, is oben a bissle lila und heißt Brunzrubn oder, ach, Saachrubn, i möcht jetz ned ordinär sein, aber i hab sogar ein Lied gschriebn: die Brunzruum." Diese Brunzrübe ist eine fränkische Spezialität und heißt so, weil sie harntreibend wirkt. Im Wörterbuch von Mittelfranken wird sie als Futterrübe deklariert. Zuletzt trug Elke Sommer dieses Lied noch vor. In einer Passage sang sie: "Ich hab in Los Angeles überall meine Hand ausgestreckt, und trotzdem noch nirgendwo a Brunzruum entdeckt ..."
Galanteriewaren
Immer mehr kleine Läden geben auf, niedergemäht vom Internethandel und von Verbrauchern, die es nicht mehr schätzen, in solchen Geschäften einzukaufen. Lieber stärken sie die eh schon ausufernde Marktmacht von Amazon & Co. Im niederbayerischen Marktflecken Geisenhausen hat jetzt "Schreibwaren Wittmann" zugesperrt, ein Laden mit langer Tradition. Die Familie Wittmann hatte ihn vor 80 Jahren übernommen, damals war es noch ein Galanteriegeschäft. Auch das schöne Wort Galanteriewaren hat den Zeitenwandel nicht überlebt. Es bezeichnete modische Accessoires wie Puderdosen, Armbänder, Tücher, Parfüms und all die liebenswürdigen Dinge, die ein Galan, ein Liebhaber, seiner Liebsten schenken sollte.
Vollholler
Der österreichische Kanzler Christian Kern (SPÖ) hat die von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) propagierte Schließung der Mittelmeerroute für Flüchtlinge als "populistischen Vollholler" bezeichnet. Er meinte damit: Das ist völliger Unsinn. Ein Hotelier schrieb daraufhin, die Aussage Vollholler sei eines Regierungschefs unwürdig und setzte eine spezielle Aktion dagegen. Einen Tag lang gab es bei ihm Hollersaft gratis. Holler ist ein Synonym für Holunder und Flieder. Eigentlich besitzt der Holler viele positive Eigenschaften. Alle Teile des Hollerstrauchs seien heilkräftig, ist in alten Kräuterbüchern zu lesen. Der Tee von getrockneten Hollerblüten hilft bei Erkältungen. Schon das Aroma, das die Blütendolden an lauschigen Juniabenden abgeben, ist betörend. Ein alter Kinderreim lautet zum Beispiel: "Wir sitzen unterm Hollerbusch und machen alle husch husch husch." Wieso der Holler als Schimpfwort herhalten muss, ist rätselhaft. Allerdings wurde der Holler auch aus den modernen Gärten verbannt. Und: "Kreuzbirnbaum und Hollerstauden!" schimpfen Wutmenschen im Zorn.
Hollerküchl
Hollerküchl sind eine Delikatesse. Dazu werden die Blütendolden in einen Weizenmehlteig gelegt und im erhitzten Fett goldbraun gebacken. SZ-Leserin Christina Loquai sandte uns ein Rezept leichterer Art: "Für den Teig Mehl, Zucker, Backpulver und nach Belieben Bier, Rahm, Mineralwasser. Abgezupfte Hollerblüten in den Teig rühren, im Waffeleisen backen. Das ist nicht so üppig wie mit Ausbackfett, die Hollerküchl können prima eingefroren werden, machen auch wenig Sodbrennen", schreibt Frau Loquai.
Radl
Vor 200 Jahren hat der badische Tüftler Karl Drais eine hölzerne Laufmaschine (Draisine) konstruiert, mit der er dann durch Mannheim kurvte. Dieses Ereignis wird heuer groß gefeiert, gilt es doch als die Geburtsstunde des Fahrrads. In Bayern wird das Fahrrad gerne Radl genannt. Viele Fahrradgeschäfte schmücken ihre Namen mit diesem Wort: Radl Maier, Radl Huber. . . Im oberbayerischen Amerang gibt es sogar ein Radl Ladl. Auch in Musiktexte wurde das Radl lustvoll integriert: "Ja wir san mit'm Radl da" hieß ein volkstümlicher Schlager, den unter anderem die Münchner Dixie-Band Hot Dogs vorgetragen hat. Ein Kinderlied der Gruppe Sternschnuppe heißt "Hier kommt die Taxi Maxi mit ihrem Radl Taxi". In Bayern findet der Begriff Radl auch in Metzgereien und an Wursttheken Verwendung, aber in anderer Bedeutung. "Magst a Radl Wurst?", fragen die Verkäuferinnen die Kinder der Kundschaft, sie meinen damit eine Scheibe Wurst. Da auch der Reifen des Fahrrads als Radl bezeichnet wird, liegt das schöne Wort Wurstradl wegen der ähnlichen runden Form direkt auf der Hand.
Dragoner
Neulich hat die SZ die durchsetzungsstarke und vor 50 Jahren gestorbene CSU-Politikerin Maria Probst partiell mit der gefürchteten britischen Premierministerin Margaret Thatcher (1925-2013) verglichen, was den Protest einer Leserin hervorgerufen hat. Gleichwohl war Frau Probst vor ihrer politischen Karriere eine strenge und dominante Lehrerin, das bestätigen ehemalige Schülerinnen, die von ihr im unterfränkischen Hammelburg unterrichtet wurden. Großen Respekt, mitunter sogar Angst hätten sie vor ihr verspürt, erinnern sich diese Frauen. Ihrer Meinung nach war Frau Probst als Lehrerin ein Drachoner, wie die Unterfranken sagen. In Südbayern nennt man herrische Frauen, die mit harter Hand das Regiment führen und keinen Widerspruch dulden, Dragoner. Eine strenge Küchenchefin war einst als Kuchl-Dragoner verschrien. Von da aus ist es nicht weit zum Drachen, der wie der Dragoner auf das lateinische Wort draco zurückgeht und sich im Bairischen zum Schimpfwort Drack entwickelt hat. Ursprünglich waren Dragoner berittene Infanteristen, die ihre Pferde primär für den Transport verwendeten.
ums Varrecka
Melania Trump, die einer Barbiepuppe gleichende Gattin des US-Präsidenten Donald Trump, hat zuletzt schwer gezickt. Den Kameraleuten ist nicht entgangen, dass Trump bei seiner aktuellen Auslandsreise mehrmals versucht hat, ihre Hand zu greifen. Melania hat sich seinen Annäherungen aber entzogen, einmal hat sie die Hand ihres Gatten sogar genervt weggeschlagen. "Ums Varrecka wollt sie ihm die Hand ned geben", erzählte eine Frau ihrer Sitznachbarin in der S-Bahn. Ums Varrecka ist eine in Bayern gebräuchliche Redewendung, obwohl das schlimme Wort verrecken dahintersteckt. Hier wird es jedoch in stark abgemilderter Form verwendet. Ums Varrecka sagt man, wenn etwas nicht wie geplant funktioniert. In der TV-Serie "Der Kaiser von Schexing" mosert der Kämmerer Hermann Nelz in einer Szene: "Jetzt häd i beinah ums Varrecka koan Parkplatz ned gfundn!" Und in der Serie "München 7" teilt Standlfrau Elfi dem Polizisten Xaver Bartl mit: "Irgendwas woit i dir no sagen. Aber des foit mir jetz ums Varrecka ned ein!" Darüber hinaus gibt es die beliebte Wendung "Ja varreck!" und den ungläubigen Ausruf: "Do megst varrecka!" Der passt auch im Falle Trump, in dem die gute Melania ihrem lieben Mann einfach nicht gehorcht.
Stoffel
Die Fußballer von Eintracht Frankfurt haben am Samstag das Pokalfinale gegen Borussia Dortmund verloren. Bei der Siegerehrung fiel auf, wie desinteressiert die Spieler dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier begegnet sind. Beim Händeschütteln haben ihn die meisten kaum beachtet, geschweige denn angeschaut, vielleicht haben sie ihn wegen der chronischen Selbstbezogenheit der Fußballszene auch gar nicht erkannt. Wer sich so verhält, gilt landläufig als ein Stoffel, dem das gute Benehmen fehlt. Schon der 2005 gestorbene Schauspieler Toni Berger hat sich über das stoffelige Verhalten der Fußballer aufgeregt, wie seiner Autobiografie zu entnehmen ist. Dort schildert er, wie er auf der Weihnachtsfeier des FC Bayern etwas vorgetragen hat, ihm aber niemand zuhörte: " . . . gestunken hat es mir natürlich schon fürchterlich und am liebsten hätte ich gesagt: Ihr seid doch die größten Stoffeln, ihr habt ja kein Hirn, ihr habt ja nur Haxn."
kloana Schoaß
Der im Senegal geborene Taxifahrer Isaac Cissé lebt seit 40 Jahren in München. Er kommentiert im Bayerischen Fernsehen regelmäßig das Münchner Sportgeschehen, was insofern recht originell ist, als er das im alten Münchner Dialekt erledigt. Bevor sich nun der FC Bayern-Kapitän Philipp Lahm von der Fußballbühne verabschiedete, erzählte Cissé, er habe Lahm schon beobachtet, als dieser noch ein Bub war und bei der FT Gern gegen den Ball trat. "I kenn den Philipp scho, wia er no a kloana Schoaß war", erzählte Cissé. Kloana Schoaß: Das war früher eine beliebte, liebevoll gemeinte Bezeichnung für kleine Kinder. In Zeiten der überbordenden Political Correctness kommt es wohl nicht mehr gut an, ein Kind mit dem Namen der Darmwinde zu benennen. Dialekt war aber immer bildhaft und sehr direkt. Deshalb ist der Schoaß (Furz) als Phänomen in der Alltagssprache weit verbreitet. Der Stringtanga wird auch Schoaßschneider genannt, ein Schoaßtreiber ist ein Kümmellikör, der die Verdauung fördert, Schoaßtrommel ist ein Schimpfwort. Gerne zitiert wird auch die Schoaßfanghosn, eine weit geschnittene Arbeitshose. Zuletzt wurden auch die ultraweiten und bis unter den Allerwertesten rutschenden Rapper-Hosen so bezeichnet, manche sagen auch Schoaßrundlaufhose.
Seiher
Die Kabarettistin Martina Schwarzmann hat neulich in der Zeitschrift MUH über ihr Dasein in der Öffentlichkeit geplaudert. "Ich will vor allem nicht, dass ich den Leuten auf den Seiher geh'", sagte sie. "Ich will, dass keiner genervt ist von mir." Das ist eine noble Haltung, die so manchem TV-Dauergast ebenfalls zu wünschen wäre. Schwarzmann bediente sich überdies einer Redensart, die ihre besten Zeiten wohl hinter sich hat: auf den Seiher gehen! Ein Seiher ist ein feines Sieb, mit dessen Hilfe Feststoffe von Flüssigem getrennt werden. Die Feststoffe bleiben im Seiher hängen. Beim Melken per Hand wurde früher ein Milliseiher verwendet. Der musste danach immer mit heißem Wasser gereinigt werden. Auf den Seiher gehen bedeutet, dass einem etwas auf die Nerven geht. Vielleicht sagt man das deshalb, weil die Nerven bei Überbeanspruchung ähnlich wie ein Seiher langsam löchrig werden.
Zumpferl
Wenn sich die Kollegen von der Wochenzeitung Die Zeit des bairischen Idioms bedienen, fördern sie in Bayern und in Österreich meistens die Heiterkeit ("Recht hoams, die Bayern!"). Die Vokale der Hamburger bilden halt das reinste Kontrastprogramm zu den alpenländischen Diphthongen. Kürzlich aber war in dem Blatt ein unverfälschtes Wort aus dem südlichen Sprachkosmos zu lesen. In dem Artikel ging es um einen delikaten Autoren-Streit zwischen Stefanie Sargnagel und Thomas Glavinic. Letzterer klagte, im Internet seien Aufnahmen seines Unterleibs erschienen, wobei der Bericht neben dem Wort Glied auch den österreichischen Spezialausdruck Zumpferl erwähnt. Glavinic behauptete demnach, sein Laptop sei gehackt worden, vielleicht sogar von einer Person aus dem Umfeld von Sargnagel, die er laut dem Artikel einmal als sprechenden Rollmops bezeichnet hatte. In Österreich sind Zumpferl und Zumpf gängige Ausdrücke für den Penis. Der Wiener Journalist Robert Sedlaczek hat dazu eine Anekdote notiert: Die Kabarettistin Dolores Schmidinger verwendete Zumpferl in einer Laudatio einige Male. Als der Applaus verhallt war, betrat der deutsche Verleger die Bühne. Er bedankte sich unter anderem dafür, dass er nun ein neues Wort kennengelernt habe, das ihn erheitere und das er von nun an verwenden werde: Zupferl. Der fehlende Buchstabe m erheiterte nun auch das Wiener Publikum und ließ außerdem Anklänge an das Wort zupfen wach werden, was etymologisch gar nicht einmal so falsch sei, meint Sedlaczek. Aus seiner Sicht zeigt diese Anekdote, dass bei tabuisierten Ausdrücken aus der Sexualsprache das Fremde deshalb interessant klingt, weil es so unbelastet und daher relativ "sauber" ist, während die vertrauten Ausdrücke einen obszönen Klang haben. Aus diesem Grund werde auch das von Otto Waalkes und Hella von Sinnen verbreitete Wort Schniedelwutz im gesamten deutschen Sprachraum verstanden, argumentiert Sedlaczek. Er weist dem Wort Schniedel ein ähnliches Bedeutungsmotiv wie Schniepel zu, also: der Zipfel. In der taz tauchte Zumpferl in einem Nachruf auf den 2016 gestorbenen österreichischen Karikaturisten Manfred Deix auf. "Die besondere Hingabe, mit der er Zumpferl zeichnete, brachten ihm den Ruf ein, er sei genitalfixiert", heißt es dort. Deix hatte aber stets Absicht bestritten. Ihm passierten Zeichnungen, über die er sich manchmal wundere, konterte er.