Verkehrsprojekt in der Krise:Im Tunnel gehen die Lichter aus

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In der Hauptröhre des Kramertunnels haben die Arbeiter die Innenschale aus Beton noch vollständig angebracht. (Foto: Staatliches Bauamt Weilheim)

Die Arbeiten am Kramertunnel bei Garmisch-Partenkirchen ruhen seit Wochen, die Juristen streiten über zusätzliche Baukosten. Jetzt hat das Unternehmen den Vertrag ganz gekündigt, die Kalkulation und der Eröffnungstermin sind kaum mehr zu halten.

Von Matthias Köpf, Garmisch-Partenkirchen

Die Bauarbeiten am Kramertunnel bei Garmisch-Partenkirchen, der einmal Bayerns längster Straßentunnel werden soll, verzögern sich auf unbestimmte Zeit. Damit werden auch die zuletzt auf 365 Millionen Euro angestiegenen Baukosten aller Voraussicht nach noch einmal deutlich höher werden. Denn das österreichische Tunnelbauunternehmen BeMo Tunneling, das im Streit über diese Kosten vor zweieinhalb Wochen alle 150 Arbeiter von der Baustelle abgezogen hat, hat den Vertrag am Montag komplett gekündigt. Dem Staatlichen Bauamt in Weilheim und dem Bund als Auftraggeber hilft es daher zunächst auch nicht, dass das Landgericht München I viele Nachforderungen des Unternehmens vorerst als nicht besonders gut begründet ansieht.

Zu dieser vorläufigen Einschätzung war die 24. Zivilkammer des Gerichts in einem Verfahren gelangt, das die Bundesrepublik kurzfristig gegen die "Arbeitsgemeinschaft Kramertunnel" aus der federführenden BeMo und deren Schwesterunternehmen Subterra angestrengt hat. Das Bauamt wollte Nachforderungen in Höhe von 46 Millionen Euro per Einstweiliger Verfügung als ungerechtfertigt erklären lassen. Wie die Vorsitzende Richterin am Dienstag deutlich machte, hätte die Kammer wohl auch in diesem Sinn entschieden.

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Allerdings sei ein vorläufiger Rechtsschutz nicht mehr nötig, da BeMo am Vortag den Vertrag kündigt habe und damit gar keine Abschlagszahlungen mehr verlangen könne. Stattdessen müsse sie eine Schlussrechnung stellen, über die dann vermutlich ebenfalls vor Gericht verhandelt wird. "Dieses Thema wird in einem anderen Rechtsstreit ein Rolle spielen", sagte die Vorsitzende voraus.

Die Tunnelbauer aus Tirol hatten Ende 2019 die Arbeit an der Umfahrung für Garmisch Richtung Zugspitze und Fernpass aufgenommen und seither wie vereinbart monatliche Abschlagszahlungen verlangt. Weil das Bauamt aber nicht alle geforderten Summen beglichen hat, sind bis Juli dieses Jahres Nachforderungen von insgesamt 52 Millionen Euro aufgelaufen. Dies hätte eine Kostensteigerung um mehr als ein Drittel bedeutet, denn die ursprüngliche Auftragssumme allein für den Rohbau des Tunnels und seiner Einfahrten liegt bei 150 Millionen Euro.

Seine Schätzung der Gesamtkosten hat das Bauamt im vergangenen Jahr von 264 auf 365 Millionen Euro angehoben und das mit Effekten der Corona-Pandemie und des Ukrainekriegs begründet. Die gesammelten Nachforderungen der BeMo, bei denen es unter anderem um Mehrkosten durch Corona-Maßnahmen, durch weiteren Zeitverzug auf der Baustelle und durch unerwartete Schwierigkeiten mit lockerem Gestein geht, erachtet das Amt allerdings als "überhöht". Daher hat es laut Behördenleiter Stefan Scheckinger nur sechs der geforderten 52 Millionen Euro bezahlt, es bleibt eine Differenz von 46 Millionen Euro.

Die Lage für den Bauherrn sei "natürlich extrem misslich"

Dass das Unternehmen angesichts des Rechtsstreits den Vertrag nun komplett gekündigt hat, wirft das Projekt Kramertunnel allerdings weit zurück und könnte am Ende sehr viel mehr Zusatzkosten verursachen als jene 46 Millionen. Die zuletzt angekündigte Eröffnung Ende 2025 dürfte angesichts der Kündigung kaum mehr zu halten sein. Ob der Rohbau im kommenden Jahr oder erst 2025 fertig werden würde, war unter den bisherigen Partnern ohnehin ebenfalls Gegenstand der Debatte. Danach muss noch in jedem Fall der Ausbau mit der nötigen Verkehrs- und Sicherheitstechnik folgen.

Wenn sich die bisherigen Vertragspartner nicht doch noch irgendwie einigen, wird das Unternehmen nach den Arbeitern nun aber auch seine Maschinen abziehen. Das Bauamt müsste die restlichen Rohbauarbeiten neu ausschreiben, dafür erst einmal ein Unternehmen finden und dann außerdem damit rechnen, dass sich die verlangten Preise inzwischen noch einmal deutlich nach oben entwickelt haben. Allerdings betrachtet die Behörde die Kündigung des Vertrag als unwirksam und hat sie zurückgewiesen, was ebenfalls Gegenstand eines weiteren Rechtsstreits werden könnte.

Durch die Kündigung ist die Lage "für den Bauherrn natürlich extrem misslich", fasste einer der Anwälte von Bund und Bauamt zusammen. Statt einer Klärung der offenen Forderungen, die man mit dem Gang vor Gericht im Sinn gehabt habe, werde es nun "zu exorbitanten Kosten führen und wohl eine jahrelange Auseinandersetzung geben". Leidtragende könnten neben den Steuerzahlern die Anwohner in Garmisch werden. Denn nach Fertigstellung des Tunnels Farchant im Jahr 2000 und des Tunnels Oberau im vergangenen Jahr haben inzwischen die Vorarbeiten für den Auerbergtunnel beim bisherigen Flaschenhals am Ende der A 95 bei Eschenlohe begonnen. Spätestens mit Eröffnung dieses Tunnels wird der Straßenverkehr durchs Loisachtal weitgehend ungehindert auf Garmisch-Partenkirchen zurollen und sich dort stauen. Für Partenkirchen plant das Bauamt einen Umfahrungstunnel durch den Wank Richtung Mittenwald und Innsbruck.

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