Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist nicht da. Wieder nicht. Sein Beitrag zur Debatte kommt via Twitter, am Dienstagmorgen. Dass Bayern "absolute spitze" sei bei den erneuerbaren Energien, schreibt Söder und wiederholt sein Mantra vom "Windturbo mit 1000 neuen Windrädern". Die Opposition? Nimmt das gerne auf. Im ersten Halbjahr 2023 gingen im Freistaat ja nur fünf neue Räder in Betrieb. Ergebnis einer "verantwortungslosen Energiepolitik", bilanziert am frühen Nachmittag der Grünen-Fraktionsvorsitzende Ludwig Hartmann.
Dass die Grünen das Klima auf die Tagesordnung des Landtags heben, hat mit dem jüngsten Klimabericht des Umweltministeriums zu tun. Der Bericht legt nahe, dass die Staatsregierung ihrem Ziel hinterher rennt, die Treibhausemissionen bis 2030 auf 3,5 Tonnen pro Kopf zu reduzieren. Im Jahr 2019 lagen die Emissionen immer noch bei 7,3 Tonnen pro Kopf - und zuletzt ist der CO₂-Ausstoß sogar wieder leicht gestiegen. Nach Berechnungen der Grünen müssten die Einsparungen verzehnfacht werden, um Bayern bis 2040 klimaneutral zu machen. Fünf Jahre früher als der Bund, das ist ja Söders Plan.
Hier die Regierung aus CSU und Freien Wählern, die Bayern immer wieder als Klimaland Nummer eins zeichnet. Dort die Oppositionsparteien Grüne und SPD, die sich einig sind, dass in Söders Klimaland reichlich Luft nach oben ist. Es ist ein Kräftemessen am Dienstag im Maximilianeum, und in zweieinhalb Monaten ist Landtagswahl, also schickt die CSU ihren Generalsekretär in die Debatte. Wasserkraft, Sonnenenergie, Geothermie, bei der installierten Leistung liege der Freistaat hier überall vorn in Deutschland, sagt Martin Huber. Aber die Grünen, klagt er, "verengen die Debatte immer auf die Windräder". Die Grünen rechnen Huber natürlich trotzdem vor, dass in Nordrhein-Westfalen im ersten Halbjahr 2023 deutlich mehr als 100 Windräder genehmigt wurden. Und dass Bayern bei den Erneuerbaren bundesweit im Mittelfeld liegt, wenn man die Zahlen ins Verhältnis zur Landesfläche setzt. Ach was, alles "grüne Miesmacherei", findet CSU-Generalsekretär Huber.
Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) betont, dass die Klimaberichtzahlen aus den Jahren 2019 und 2020 stammen. Seither habe Bayern ein Klimaschutzgesetz und 150 Maßnahmen beschlossen. Frei übersetzt: Der Klimaschutzturbo werde erst noch richtig zünden. Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bleibt der Debatte derweil fern, wie Söder. Auch er liefert seinen Beitrag am Morgen, nach der Sitzung des Kabinetts - und beschwert sich, dass im Bund der "Klimaschutz mittlerweile vor der Wirtschaft rangiert". Er wolle keine Klimapolitik "auf Kosten des Wohlstands", sagt Aiwanger.
"Die Klimakrise ist da und wir müssen jetzt endlich was tun"
"Klimaheuchler", schimpft CSU-General Huber über die Grünen. Ingo Hahn (AfD) nennt die Grünen "Klimasektierer" und wirft ihnen vor, "Angst und Panik vor der Klimaapokalypse" zu schüren. Von der "angeblichen Klimaapokalypse" spricht auch Christoph Skutella (FDP). Umweltminister Glauber nennt die Warnungen der Grünen "Alarmismus".
Alles "recht irritierend", findet Katharina Schulze, Co-Fraktionschefin der Grünen. Ihre Partei habe sich "klar distanziert" von denen, die sich für den Klimaschutz auf den Straßen festkleben. Aber, sagt sie: "Die Klimakrise ist da und wir müssen jetzt endlich was tun." Eva Lettenbauer, Schulzes Parteikollegin, packt Markus Söder bei der Ehre - und stellt dem abwesenden Ministerpräsidenten eine bedeutungsschwere Frage: "Wollen Sie wirklich mal der alte, grantige Großvater sein, der seinen Kindern und Kindeskindern die Zukunft verbaut hat?" Wenn die Staatsregierung den Klimaschutz weiter verzögere, würden "harte Maßnahmen notwendig".
Die CSU sei "allenfalls spitze beim Verbreiten von Falschinformationen", findet Florian von Brunn. Fünf neue Windräder, "wenn sie das als spitze bezeichnen, ist Ihnen nicht mehr zu helfen", sagt der SPD-Fraktionschef in Richtung Martin Huber. Und: "Sie sind verantwortlich, wenn es in Bayern zu höheren Strompreisen kommt." Der CSU-General dagegen sieht in der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP die Preistreiber am Strommarkt. Und hätten die Ampelparteien die Kernkraftwerke am Netz gelassen, würde man "15 Millionen Tonnen CO₂ einsparen", sagt er.
Dass nicht nur Nordrhein-Westfalen, sondern auch Schleswig-Holstein und Niedersachsen anders als Bayern 2023 schon mehrere Dutzend Windräder genehmigt haben? Alles "Empfängerländer", sagt CSU-General Huber. "Weil wir wirtschaftlich so stark sind, brauchen wir mehr Energie" als andere Bundesländer, sagt er. Man könne doch nicht "Äpfel und Birnen vergleichen". Wer Apfel und wer Birne ist, sagt Huber nicht. Dafür zitiert er noch einmal Markus Söder, seinen Parteichef. Huber sagt: "Bayern ist spitze bei den erneuerbaren Energien."