Ausbau der Windkraft:Deutschland verfehlt seine Windkraft-Ziele

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Questin bei Grevesmühlen in Mecklenburg-Vorpommern im April: Hier wird eine neue Windkraftanlage mit einer Gesamthöhe von 238 Metern und einer Leistung von 5,7 Megawatt montiert. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Mehr Windräder werden gebaut, mehr genehmigt - nur reicht all das nicht, zeigen neue Daten. Woran es liegt und was Lösungen sein könnten.

Von Thomas Hummel

Der Ausbau der Windkraft nimmt an Fahrt auf. Doch längst nicht so dynamisch, wie es nötig wäre, um die Ziele der Bundesregierung bis 2030 zu erreichen. Das zeigen Daten zum ersten Halbjahr dieses Jahres, die der Energieberater Deutsche Windguard am Dienstag vorstellte. Obwohl vor allem die Europäische Union und die Bundesregierung zuletzt eine ganze Reihe an Gesetzen verabschiedet hatten, damit schneller neue Windräder entstehen können, sehen Industrieverbände weiterhin etliche Hemmnisse.

Seit Januar wurden in Deutschland demnach 331 Anlagen mit einer installierten Leistung von 1565 Megawatt gebaut. Gleichzeitig wurden 198 ältere Windräder abgebaut, der Netto-Zuwachs lag bei 1325 Megawatt. Das bestätigt den Trend des sogenannten Repowerings, wonach kleinere Anlagen durch größere, leistungsstärkere ersetzt werden. Und damit ist bereits 65 Prozent des gesamten Leistungszubaus von 2022 erreicht, Tendenz weiter steigend.

Dabei gibt es regional große Unterschiede: Mehr als ein Drittel der Neubauten entfällt auf Schleswig-Holstein (38 Prozent), gefolgt von Niedersachsen (17 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (13 Prozent). Diese drei Bundesländer schultern aktuell den Großteil der Energiewende durch Windanlagen. Anderswo tut sich wenig. Bayern hat 2023 nur fünf neue Windräder aufgestellt, in Baden-Württemberg, Thüringen oder im Saarland sieht es ähnlich aus. In Sachsen gab es sogar einen Netto-Rückbau. "Der Süden muss endlich handeln", forderte Bärbel Heidebroek, Präsidentin des Bundesverbands Windenergie (BWE).

Insgesamt stehen in der Bundesrepublik aktuell 28 517 Windräder mit einer installierten Leistung von mehr als 59 000 Megawatt, oder 59 Gigawatt. Ziel der Bundesregierung sind 69 Gigawatt bis Ende 2025 und 115 Gigawatt bis 2030. Damit soll die Stromproduktion aus Kohle, Öl und Gas schrittweise ersetzt werden, was erstens die Erderwärmung bremsen und zweitens die Abhängigkeit von fossilen Importen etwa aus Russland verringern soll.

Mehr als zwei Jahre für eine Genehmigung

Das 2025er-Ziel "wird verfehlt", erklärte indes Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer der Fachabteilung Power Systems im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Das ergebe sich aus den Zahlen genehmigter aber noch nicht gebauter Windräder. Von Genehmigung bis Fertigstellung vergehen meist zwei bis drei Jahre. Zwar gehen auch hier die Zahlen nach oben, aber eben nicht stark genug für die hohen Ambitionen der Ampelkoalition.

Die Verbände fordern deshalb mehr Tempo. Und zwar in vielen Bereichen. So sollen die Bundesländer schneller Flächen für neue Windräder ausweisen. Laut Bundesregierung sollen zwei Prozent der Landesfläche zur Verfügung gestellt werden, bislang sind es etwa 0,8 Prozent. Umsetzen müssen das die Länder, die teils bis 2032 dafür Zeit haben. Diese Frist solle vorgezogen werden, sagte Heidebroek bei einer Pressekonferenz am Dienstag, die Ausweisung sei bis 2025 möglich. Einige Länder wie Baden-Württemberg oder Sachsen gehen hier voran.

Solange es nicht genügend Flächen gibt, müssten alte Anlagen durch leistungsstärkere ersetzt werden. Bis 2028 fallen laut Heidebroek 14 000 Anlagen aus der Förderung des Bundes heraus, weil sie älter als 20 Jahre alt werden. Würde man dafür überall neue, leistungsstärkere Anlagen bauen, könnten allein dadurch 54 Gigawatt Stromleistung hinzukommen. Allerdings würden Bundesländer die Möglichkeit, Repowering schneller zu genehmigen, oft nicht nutzen.

Die Verbände nahmen das Bundeswirtschaftsministerium von Minister Robert Habeck (Grüne) weitgehend von Kritik aus. Hingegen brauche es "intensive Anstrengungen anderer Ressorts, wie des Bundesverkehrsministeriums, der beteiligten Landesministerien und der Behörden vor Ort", wie es in einer Mitteilung hieß. Problematisch sei etwa der Transport der riesigen Anlagen, vor allem der Rotorblätter. So dauere es zwölf Wochen, bis ein Schwertransport genehmigt werde, berichtete Rendschmidt, in den Niederlanden etwa gehe das in vier, fünf Tagen.

Überhaupt Planung und Genehmigung: Wie die Fachagentur Windenergie an Land feststellt, dauere es aktuell durchschnittlich 24,5 Monate, bis eine lokale Behörde ein Windrad genehmige. So lange wie noch nie. In einem Fall soll es sogar 94 Monate gedauert haben. Heidebroek fordert mehr Digitalisierung, mehr Personal in den Behörden und "verbindliche Fristen", damit die Unternehmen planen könnten. Für die Verbandspräsidentin seien viele neue Regelungen aus Brüssel und Berlin "unten noch nicht angekommen". In Landkreisen und Kommunen sei es jahrelang vor allem darum gegangen, Windräder zu verhindern. Dort brauche es nun "ein neues Mindset", eine neue Haltung, um die Windkraft auszubauen.

Für VDMA-Mann Rendschmidt hängt an der Frage der Windkraft mehr. "Wärmepumpen, Elektromobilität und grüner Wasserstoff können nur zur Erreichung der Klimaziele beitragen, wenn insbesondere Onshore-Wind den Ausbaupfad erreicht und somit ausreichend grüner Strom zur Verfügung steht", sagte er. Der Windbranche sind in den vergangenen Jahren zudem mächtige Konkurrenten erwachsen, vor allem in China. Dort werden 2023 mehr als 60 Prozent aller weltweit neuen Windräder aufgestellt. Und die Unternehmen drängen auf den europäischen Markt. Rendschmidt appellierte an die Politik, die Bedingungen gerade für europäische Hersteller zu verbessern, denn es habe auch einen strategischen Wert, Produktion und Lieferketten zu halten.

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