Kultur:Drei Jazz-Festivals in einer Woche

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Heuer wohl der größte Name bei der Jazzwoche Burghausen: die extravagante amerikanische Saxofonistin Lakecia Benjamin. (Foto: Elizabeth Leitzell)

Die Jazzwoche Burghausen stellt sich neu auf und hat Konkurrenz mit den Jazztagen Mindelheim und den "muc\tones" in München. Was gibt es dort zu hören?

Von Oliver Hochkeppel

Mit der reinen Besucherzahl konnten die Veranstalter der "Jazzwoche Burghausen", die IG Jazz, im vergangenen Jahr durchaus zufrieden sein. Ob freilich alle Zuschauer mit ihrem Besuch bei der 51. Ausgabe von Bayerns berühmtestem und Europas ältestem durchgehendem Jazzfestival glücklich waren, war schnell die Frage.

In Scharen waren sie beispielsweise bei Leslie Mandokis Soulmates geflohen, und ganz allgemein war das Unbehagen über den Trend zu Pop und Kokolores zu spüren, mit dem man die für den Ort eigentlich überdimensionierte Wackerhalle gefüllt halten wollte - dem Aussterben der großen Namen im Jazz zum Trotz, auf die man seit der Festivalgründung seit jeher setzte. Auch die Ära des ewigen Festivalleiters Joe Viera fand endgültig ihr Ende, sodass wohl oder übel eine Neuausrichtung fällig war.

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Sieht man sich das Programm der an diesem Dienstag, 21. März, startenden 52. Ausgabe an, dann fällt eine Neubesinnung auf herausragende Jazzkünstler ohne Rücksicht auf deren Popularität auf. So kann man als Headliner einerseits den Gitarrenveteranen Lee Ritenour ausmachen, der nach Solo-Pfaden nun wieder mit Band unterwegs ist und den Konzertreigen in der Wackerhalle eröffnet. Und andererseits die Saxofonistin Lakecia Benjamin, die seit ihrer Coltrane-Hommage und dem Sieg beim Down Beat Critics Poll als Saxofon-Rising-Star 2020 in aller Munde ist. Eher noch zu entdecken ist ein weiterer Amerikaner, der Lapsteel-Spezialist Robert Randolph.

Sonst mit den "Sons of Kemet" und dem "Seed Ensemble" unterwegs kommt der Londoner Tubist Theon jetzt in eigener Sache nach Burghausen. (Foto: Ian Hippolyte)

Der Entwicklung des aktuellen Jazz folgend ist die europäische Szene aber gleichberechtigt vertreten. Unter anderem mit dem Schweizer Bassisten und alten Fahrensmann Heiri Känzig, der mit seinem neuen Projekt "Travelin'" eine Quersumme seiner Karriere vom Vienna Art Orchestra über sein Trio Depart bis zur Sideman-Rolle bei vielen großen Stars aus aller Welt mitbringt.

Als Repräsentant der heißen New-London-Szene ist der Tubist Theon Cross mit von der Partie, den skandinavischen Jazz vertreten die finnische Sängerin Ina Forsman und die norwegische Band Jaga Jazzist, die schon vor drei Jahrzehnten an der Emanzipation des europäischen Jazz beteiligt war. Frankreich darf mal wieder den Party-Beitrag liefern, mit der Afro-Funk-Truppe Supergumbo. Schließlich kommt die alle und alles verbindende Rolle des Jazz als universelle musikalische Weltsprache bei einem "Trumpet Summit" zum Tragen, bei dem der Amerikaner Jon Faddis auf den Australier James Morrison, den Österreicher Thomas Gansch und den Portugiesen Gileno Santana trifft.

Natürlich wirft man in Burghausen die bewährten Traditionen nicht über Bord. So wird das Festival zum 13. Mal mit dem Europäischen Burghauser Nachwuchs-Jazzpreis eröffnet, der sich als spannende Talentshow zu einem sicheren Highlight entwickelt hat. Gesetzt ist am Samstag auch wieder der Blues-Nachmittag, diesmal mit der Sängerin Trudy Lynn und dem Chicago-Blues-Gitarristen Toronzo Cannon, und die Jazz-Night in den Altstadt-Kneipen mit neun Bands, vorwiegend "local heroes" aus Bayern. Ebenso wie die nächtlichen Jam Sessions im Jazzkeller, diesmal mit dem Lafayette Harris jr. Trio als Stammband, und der "Next in Jazz" Sonntag, an dem die jungen Ensembles Wir hatten was mit Björn, Jin Jim und das Landesjugend-Jazzorchester Bayern das Festival beschließen.

Artist in residence beim muc/tones-Festival: Saxofonist und Multiinstrumentalist Thomas Zoller. (Foto: Christian Hoffmann)

Dass die Jazzwoche Burghausen um ihre Bedeutung kämpfen muss - auch wenn diesmal neben dem amerikanischen Generalkonsul mit Markus Söder erstmals ein bayerischer Ministerpräsident zu Besuch kommen wird -, zeigt sich auch daran, dass früher wohl niemand gewagt hätte, parallel dazu ein Festival in München auszurichten. Dem Saxofonisten und langjährigen Leiter des Pirouet-Labels Jason Seizer ist die Konkurrenz aber bei der zweiten Ausgabe seiner "muc\tones" im Heppel & Ettlich herzlich egal (23. bis 25.3.).

Ende Januar 2020 wagte er erstmals den Versuch, kammermusikalischen, akustischen Jazz auf eine der kleinsten Theaterbühnen Münchens zu bringen. Alle drei Abende des kleinen Festivals waren ausverkauft und umjubelt. Weiterzumachen war also sofort geplant - dann kam die Pandemie. Jetzt gibt es endlich die Fortsetzung mit derselben Grundidee: Jazz im Wohnzimmer . Acht Konzerte an drei Tagen gibt es, der Schwerpunkt liegt auf Formationen aus München, die mit Künstlern aus Dresden, Köln, Berlin und Wien in Dialog treten.

So präsentiert die in Köln lebende, österreichische Jazz-Sängerin Veronika Morscher, bekannt unter anderem von Of Cabbages and Kings, ihr Solo-Projekt "Solitary Bird". Zu zwei jeweils die Kölner und Berliner Szene zusammenbringenden Duos, der Gitarrist Bertram Burkert mit dem Saxofonisten Matthew Halpin und der Saxofonist Christian Weidner mit dem Pianisten Felix Hauptmann, tritt ein unlängst konstituiertes Münchner Duo: Der Jazztrompeter Matthias Lindermayr hat sich mit der eigentlich aus der Klassik kommenden Pianistin Masako Ohta zusammengetan, die mit ihrem Debüt-Album "Mmmmh" für Aufsehen sorgen.

Der Münchner Pianist Claus Raible, ein Bebop-Solitär, präsentiert als Premiere ein Quintett mit seinen Musikhochschul-Schülern, der Weilheimer Star-Saxofonist Johannes Enders sein neues Trio Instant Karma mit dem gerade steil gehenden jungen Bassisten Nils Kugelmann (der in Burghausen im Nachwuchswettbewerb spielt) und dem US-Schlagzeuger Howard Curtis.

Und dann gibt es mit dem Saxofonisten und Multiinstrumentalisten Thomas Zoller noch einen "artist in residence". Bis er 2008 als Kompositionsprofessor nach Dresden berufen wurde, lebte Zoller in München. Jetzt kehrt der Modern-Jazz-Virtuose in die alte Heimat zurück, mit einer Solo-Performance mit C-Melody-Sax, Gongs, Schieferplatten, Percussion und Stimme, sowie zum Abschluss mit einem eigens für das Festival zusammengestellten Quartett mit den Holzbläser-Kollegen Jason Seizer, Daniel Glatzel (auch ein ehemaliger Münchner und Leiter des preisgekrönten Berliner Andromeda Mega Express Orchestra) und dem Bassisten Jakob Jäger.

Mit "Masaa" kommen aktuelle Deutsche Jazzpreisträger zum "Jazz isch"-Festival nach Mindelheim. (Foto: Pavel Ovsik)

Zwischen dem ganz alten und dem ganz jungen Festival dürfen die Mindelheimer Jazztage "Jazz isch" einen runden Geburtstag feiern: Zum 30. Mal geht der Konzertreigen in der Dampfsäg Sontheim - dessen Trägerverein mit Vorstand Peter Schmid der Veranstalter ist - und der Stadthalle Mindelheim über die Bühne. Traditionell auch im März (23.-26.3.) stattfindend, kam man in den vergangenen Jahren meist an Burghausen vorbei, diesmal nun laufen beide Events parallel.

Den Auftakt am Donnerstag bestreitet mit dem klassisch und orientalisch angehauchten Quartett Masaa um den Sänger Rabih Lahoud eine mit unter anderem mit dem Deutschen Jazzpreis dekorierte Band. Eingeleitet wie seit vielen Jahren vom heimischen Posaunenquintett um Markus Kolb, das mit dem "Signature Song" der Jazztage, Chris Hazels Stück "Kraken", den Startschuss gibt.

Die rare Verbindung von Jazz mit Oper folgt tags darauf mit dem Hakon Kornstad Trio aus Norwegen. Mit De.Phazz kommt dann eine der erfolgreichsten deutschen Crossover-Jazz-Bands. Pit Baumgartners Truppe mit den Sängern Pat Appleton und Karl Frierson als Frontleuten feierte gerade mit dem 17. (!) Album "Jelly Banquet" ihr 25-jähriges Bestehen. Ihr Auftritt ist freilich bereits ebenso restlos ausverkauft wie der abschließende der mit vielen internationalen Preise ausgezeichneten Berliner A-Cappella-Formation Onair.

Bei freiem Eintritt noch Platz finden wird man beim auf vielfachen Wunsch wieder am Sonntag in der Dampfsäg angesetzten Jazz-Frühschoppen mit der Jazzkur BigBand der Städtischen Sing- und Musikschule Bad Wörishofen. Wenn man sich nicht doch schon für München oder Burghausen entschieden hat.

52. Internationale Jazzwoche Burghausen, Di. bis So., 21. bis 26. März, www.b-jazz.com ; 30. Mindelheimer Jazztage, Do. bis So., 23. bis 26. März, www.jazz-isch.de ; Muc/Tones Vol. 2, Do. bis Sa., 23. bis 25. März, Heppel & Ettlich, www.muctones.de

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