Innere Sicherheit:Herrmann will mehr Hilfssheriffs in Bayern

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  • Bis 2020 sollen es insgesamt 1500 Freiwillige sein, die in der Sicherheitswacht die Arbeit der Polizei unterstützen.
  • Sie sollen vor allem den Bürgern ein Gefühl der Sicherheit geben.
  • Die Mitglieder erhalten ein Funkgerät und Pfefferspray zum Selbstschutz.

Von Maximilian Gerl, Matthias Köpf und Olaf Przybilla, München

Vor einiger Zeit hat es im oberbayerischen Laufen eine regelrechte Einbruchsserie gegeben, sagt Bürgermeister Hans Feil (CSU). Vielleicht lasse sich in Zukunft die eine oder andere Tat und auch manche nächtliche Ruhestörung verhindern, wenn jemand mit offenen Augen und Ohren durch die Stadt streife. Und vielleicht lasse sich sogar die Person ertappen, die immer wieder säckeweise gebrauchte Windeln am städtischen Grüngürtel entsorgt.

Die Lösung: Eine Sicherheitswacht soll her. So hat es der Stadtrat auf Anregung der örtlichen Polizeiinspektion beschlossen. Die kleine Grenzstadt mit ihren 6900 Einwohnern liegt damit genau auf der Linie der Staatsregierung.

Denn seit den Anschlägen von Würzburg und Ansbach sowie dem Amoklauf von München steht das Thema Sicherheit in Bayern wieder ganz oben auf der Agenda. Das Kabinett hat in seiner Klausur in St. Quirin ein neues Sicherheitskonzept beschlossen, es sieht unter anderem 2000 zusätzliche Stellen bei der Polizei vor. Und, sozusagen als bayerische Geheimwaffe, soll die Sicherheitswacht aufgestockt werden.

Wie die Freiwilligen in Bayern eingesetzt werden sollen

Die Sicherheitswacht ist keine richtige Polizei, sondern besteht aus Freiwilligen, die in ihrer Freizeit auf Streife gehen und Vorfälle an die zuständige Inspektion melden sollen. Manche sprechen von Hilfssherriffs, Innenminister Joachim Herrmann nennt es lieber: "Bürger schützen Bürger." Derzeit laufen 780 Ehrenamtliche als Sicherheitswachtler durch Bayern, der Großteil von ihnen Männer.

Bis 2020 sollen es insgesamt 1500 Freiwillige sein. "Das hat nichts mit Bürgerwehren oder anderen g'spinnerten Ideen zu tun", sagt Herrmann: Die Sicherheitswachten seien an die Polizeiinspektionen angebunden. Die Freiwilligen sollen nur nach Bedarf zum Einsatz kommen, den Zeitpunkt und die Route der Streifengänge gebe dabei die Inspektion vor.

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Das Wort Hilfssheriffs und die anderen Gegenargumente hat auch Robert Maurer oft gehört. Er hat viele Jahre bei der Polizei in Rosenheim die Sicherheitswacht betreut und berät nun auch die Laufener Kollegen. Die Sicherheitswacht werde niemals die Polizei oder auch nur eine einzige Planstelle ersetzen, sagt Maurer. Mit echten Straftaten sei sie auch in der 60 000-Einwohner-Stadt Rosenheim sehr selten konfrontiert - und wenn, dann höchstens als Zeuge und nicht als Ermittler.

Die Sicherheitswachtler sollen in erster Linie den Menschen ein sicheres Gefühl geben. Entsprechend spartanisch sind sie ausgerüstet: Auf der Wache erhalten sie ein Funkgerät, zum Selbstschutz haben sie ein Pfefferspray dabei. Auf Streife geht es dann zu Fuß oder mit dem Radl. Sie haben auch kaum mehr Befugnisse als ein normaler Bürger. Das "Jedermannsrecht" sieht vor, dass jeder Bürger einen Straftäter bis zum Eintreffen der Polizei festhalten darf, sofern er ihn auf frischer Tat ertappt.

Sicherheitswachtler können zudem Personen anhalten und befragen, ihre Personalien feststellen, notfalls einen Platzverweis ausstellen. Wenn es brenzlig wird, sollen sie über Funk die Polizei anfordern. Zur Terrorabwehr sind die Freiwilligen nicht geeignet.

Die Gewerkschaft der Polizei Bayern sieht den Ausbau der Sicherheitswacht mit gemischten Gefühlen. Einerseits habe der Bürger voll ausgebildete Beamte und keine "Billigpolizei" verdient; auch seien manche Freiwilligen übermotiviert und zeigten Bagatellen an, wo eine Ermahnung genügte. Für die zuständige Dienststelle bedeute das in der Regel mehr Papierkram und Ärger. Andererseits gibt es derzeit einfach zu wenig Polizeibeamte.

Deren Ausbildung dauert drei Jahre, bis Verstärkung nachkommt, dauert es also immer ein bisschen. Der bayerische Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft, Peter Schall, sagt daher: "Mancher Dienststellenleiter ist froh, wenn er zusätzliches Personal hat, das er auf Streifen schicken kann", gerade jetzt während der Volksfestzeit. Die Bürger fühlten sich dadurch beruhigt und sicherer. Im Ernstfall seien die Möglichkeiten der Sicherheitswacht aber begrenzt, die Leute hätten ja weniger Rechte als ein Polizist und "sollen auch nicht den Helden spielen", so Schall. "Wir sagen scherzhaft: Das sind wandelnde Notrufsäulen."

Die Ausbildung zum freiwilligen Polizisten umfasst in Bayern 40 Stunden, die abends oder am Wochenende absolviert werden. Auf dem Lehrplan stehen unter anderem Deeskalationstrainings und die rechtlichen Grundlagen. Die Abbrecherquote ist laut Gewerkschaftler Schall recht hoch: eine geringe Aufwandsentschädigung von acht Euro die Stunde, dazu keine Polizeibefugnisse, "mancher verliert da schnell die Lust."

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Edgar Kast, 68, hingegen macht das gerne, er ist Pensionär und seit acht Jahren dabei. Klar, die unterfränkische Kurstadt Bad Kissingen ist nicht gerade als krimineller Hotspot in Bayern berüchtigt. Aber um Verbrechensbekämpfung gehe es auch gar nicht, sagt Kast. Sondern darum, Präsenz zu zeigen und ansprechbar zu sein. Mehrmals pro Woche läuft er Wacht, immer zwei Stunden, kann auch mal mehr sein. Morgens trägt er sich in der Inspektion in die Liste ein, dann zieht er die gelbe Weste über und geht los.

Ihm sei es noch nie passiert, dass ihn mal einer gefragt hätte, welche Kompetenzen er habe, welchen Auftrag. Kast hebt einfach die Stimme, wenn er zum Beispiel jemanden beim Radeln in der Fußgängerzone erwischt, und dann steigen die ab. Einen Radler hat er mal richtig anhalten müssen, sonst reicht der Hinweis. Sein Funkgerät hat er immer dabei, das Pfefferspray auch.

Letzteres hat er aber noch nie gebraucht. In Würzburg haben sich kürzlich ein paar Wichtigtuer selbst zu Sheriffs erklärt, die nachts für öffentliche Sicherheit sorgen wollten. Wohlgemerkt aber nicht unter dem Dach der Polizei, sondern selbstberufen, in eigener Sache. "Was für ein Krampf", sagt Kast. Mit solchen Typen habe ihn glücklicherweise noch nie einer verwechselt.

© SZ vom 17.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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