Statt Wachpolizei:Was die Sicherheitswacht bringt

Statt Wachpolizei: Auf ihrer Streife durch Neuperlach halten die Ehrenamtlichen auch mal falsch fahrende Radler auf.

Auf ihrer Streife durch Neuperlach halten die Ehrenamtlichen auch mal falsch fahrende Radler auf.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • In München gibt es eine Sicherheitswacht. Derzeit gehen 34 Menschen ohne Polizeiausbildung ehrenamtlich auf Streife.
  • Für Innenminister Herrmann ist das Modell ein Erfolg.
  • Kritiker sind der Meinung, dass die Ehrenamtlichen keine Hilfe sind - und sich im schlimmsten Fall zu sehr aufspielen.

Von Martin Bernstein

Kontrolle. "Die Papiere bitte", sagt der Uniformierte. Und: "Was machen Sie nachts hier?" Der Mann in dieser fiktiven Szene sieht etwas anders aus als ein normaler Polizist - und er ist es auch. Er bekommt weniger Geld und er hat nur drei Monate Ausbildung hinter sich statt drei Jahre. Trotzdem darf er mit einer Dienstwaffe hantieren. Mit solchen "Wachpolizisten" will Bundesinnenminister Thomas de Maizière Straßen und Wohngebiete sicherer machen. In Bayern sehen aber Staatsregierung, Polizei und Gewerkschaften dafür keinen Bedarf. Der Freistaat setzt auf ein anderes Modell: die Sicherheitswacht.

In München gehen derzeit 34 Männer und Frauen ohne Polizeiausbildung ehrenamtlich auf Streife. In diesem Jahr werden ein paar weitere hinzukommen - in Neuhausen und Unterhaching. Vom Innenministerium bereits genehmigt ist außerdem eine Sicherheitswacht für Ottobrunn. Seit 1994 gibt es die Bürgerstreifen, die von der Polizei koordiniert werden. 800 Mitglieder hat die Sicherheitswacht bayernweit. Ein Mehr an Sicherheit erwartet trotz des Namens aber niemand von den Freiwilligen - ihr Job ist es, den Münchnern ein besseres Gefühl zu geben. Und Vorbild zu sein.

Doch was passiert, wenn einzelne Sicherheitswacht-Mitarbeiter sich wenig vorbildlich benehmen? Alle Bewerber würden einer "sorgfältigen Zuverlässigkeitsüberprüfung" unterzogen und müssten in einem Vorstellungsgespräch ihre Eignung beweisen, betont die Polizei - erst dann beginne die 40 Stunden umfassende Ausbildung. Und auch der Rauswurf ist möglich.

Viermal musste das Polizeipräsidium sich dem Vernehmen nach bisher von unzuverlässigen Ehrenamtlichen trennen. Auch Kritiker Jürgen Ascherl, Bezirkschef der Deutschen Polizeigewerkschaft im Beamtenbund, befürchtet, dass einzelne Angehörige der Sicherheitswacht sich schon mal zum Hilfspolizisten "aufmandeln".

Die Ehrenamtlichen selbst betonen immer wieder, dass sie mit Augenmaß einschreiten: Deeskalation als Kernkompetenz. Das "subjektive Sicherheitsgefühl" der Bürger werde gestärkt, sagen Befürworter der Sicherheitswacht bei jeder Gelegenheit. Und die ehrenamtlichen Streifengänger könnten vorbildhaft zeigen, wie wichtig es sei, nicht wegzuschauen. Das bayerische Modell habe sich bewährt, sagt Innenmister Joachim Herrmann (CSU): "Die Kolleginnen und Kollegen der Sicherheitswacht sind dabei weder Hilfspolizei noch Bürgerwehr. Wir haben uns auch bewusst gegen das Tragen einer Polizeiuniform und einer Waffe entschieden."

Auch Oskar Schuder, der Bezirksvorsitzende der im DGB organisierten Gewerkschaft der Polizei, hat an der bestehenden Sicherheitswacht wenig auszusetzen. Eine große Unterstützung oder gar Konkurrenz für die Polizei sieht er in ihr aber nicht. Das sehe man schon an deren geringer Zahl im Vergleich zu den rund 6800 Bediensteten, die im Polizeipräsidium München hauptamtlich für Sicherheit sorgen. "Die Sicherheitswacht bringt sehr, sehr wenig", sagt Gewerkschafter Ascherl deutlich.

Die ehrenamtlichen Streifengänger haben grundsätzlich nicht mehr Befugnisse als jeder andere Bürger auch, nämlich das so genannte "Jedermannsrecht": das Festhalten eines auf frischer Tat ertappten Straftäters bis zum Eintreffen der Polizei sowie das Recht auf Notwehr und Nothilfe für andere Bürger. Sie können laut Polizei Personen anhalten, sie befragen und ihre Personalien feststellen, "wenn dies zur Gefahrenabwehr oder zur Beweissicherung notwendig ist".

Außerdem dürfen sie bei Gefahr im Verzug einen Platzverweis erteilen. Der Regelfall sieht jedoch anders aus: Per Funk ruft der Sicherheitswachtler die Polizei, die dann ihrer Arbeit nachgeht. Oder zusätzliche Arbeit bekommt: "Wenn die Sicherheitswacht eine Katze auf dem Baum meldet", so Kritiker Ascherl.

"Polizisten zweiter Klasse", wie von de Maizière gefordert, lehnen Ascherl wie Schuder kategorisch ab. Und im Kampf gegen die vielen Wohnungseinbrüche (1108 im Jahr 2015 in Stadt und Landkreis) setzen Herrmann wie Ascherl eher auf Videoüberwachung. Möglicherweise macht das Polizeipräsidium München da aber längst schon das Richtige: Prävention, Kontrollen und ein Computerprogramm namens Precobs, das die Wahrscheinlichkeit von Delikten in einem Stadtteil vorhersagen kann, haben 2015 die Zahl der Wohnungseinbrüche in München um 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgehen lassen. Ganz ohne bewaffnete Hilfssheriffs.

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