Was den Schutz des am Dienstag zu Ende gegangenen G-7-Gipfels in Elmau betrifft, muss als kleinste Rechengröße wohl die Hundertschaft gelten. Insofern waren es recht wenige Richter, die in dem aus 260 grauen Containern aufgestapelten Justizzentrum im Skisprungstadion in Garmisch-Partenkirchen Schichtdienst schoben - 55 insgesamt, kaum mehr als eine halbe Hundertschaft. Viel anzuordnen gab es für sie offenbar nicht, zumindest war bis Dienstag nur von einer vorübergehenden Ingewahrsamnahme die Rede und von einem Haftbefehl wegen Vermummung auf der Garmischer Großdemonstration vom Sonntag und der folgenden Weigerung, die Personalien anzugeben.
Diese Großdemonstration hätte aus Sicht des Garmischer Landratsamts womöglich eines der größten Demonstrationsgeschehen der vergangenen Jahre in Bayern werden können - so zumindest zitieren Gipfelkritiker aus dem Genehmigungsbescheid. Wirklich demonstriert haben dann wohl nicht einmal 1000 Menschen, begleitet von mindestens ebenso vielen Polizisten. Noch eindrucksvoller war das Betreuungsverhältnis beim Sternmarsch Richtung Elmau am Montag, wo die Aktivisten insgesamt keine Hundertschaft auf den Weg brachten, dafür die Polizei gleich so viele Hundertschaften, dass da wohl eine andere Rechengröße nötig wäre.
Immerhin gab es bei der folgenden, behördlich auf 50 Teilnehmer begrenzten Kleindemonstration in Schlossnähe doch noch Anlass für sechs vorläufige Festnahmen wegen versuchter Nötigung. Ein paar Aktivisten hatten sich auf die Straße gesetzt und wegtragen lassen - darunter eine Klimaschützerin, die vor Wochen "eine Aktion des zivilen Ungehorsams" angekündigt hatte und die Zeit dafür offenbar gekommen sah. Bis dahin hatten sich die auf 150 Gefangene ausgelegten Zellencontainer im Stadion nur kurz mit ein paar Delinquenten gefüllt, die der Polizei großteils als eine Art Beifang aus den laufenden Grenzkontrollen galten. Bei der Gelegenheit unterschrieb ein Richter einen zweiten Haftbefehl wegen eines gefälschten Ausweises.
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Der Diesel soll kurzfristig ausgegangen sein
Dass die spärliche Mobilisierung auf der einen Seite mit der massiven Präsenz auf der anderen Seite zu tun haben könnte, darin sind sich beide Seiten einig. Doch die einen interpretieren das als eine Art Ersticken der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit durch schiere Übermacht, während die anderen darin eine erfolgreiche Sicherheitsstrategie erkennen. Dass sie jedenfalls sicher nicht zu wenige waren, räumen privat auch die meisten Polizisten ein. Den genervten Einheimischen, denen Bundeskanzler Olaf Scholz am Dienstag "für das Verständnis, für die Unterstützung und sicherlich an der einen oder anderen Stelle auch für den Langmut" dankte, fuhren und parkten die Polizeikolonnen dauernd im Weg herum. Zeitweise verursachten all die Autos beim Schutz dieses dem Klimaschutz gewidmeten Gipfels eine veritable Dieselkrise: So wurde in Garmisch zeitweise der Treibstoff knapp, Einheimische erzählen von Tankerlebnissen inmitten einer Schlange gepanzerter Wasserwerfer. Dabei waren viele Polizeieinheiten weit auswärts untergebracht und teils angehalten, besser dort zu tanken. An einer Tankstelle soll der Diesel kurzfristig sogar ganz ausgegangen sein. Da habe das Technische Hilfswerk seine Stromaggregate betankt, heißt es von der Polizei, in deren Dienst diese Aggregate standen.
Die Polizei selbst füllte - zusammen mit den Delegationen und Hundertschaften von Journalisten - zuverlässig alle Unterkünfte in der Region. Der Garmischer Ortsvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands, Daniel Schimmer, sprach am Dienstag von "sehr angenehmen Gästen" und "langfristigen Buchungen mit guten Raten". Doch jetzt in der Urlaubssaison hätten sich die Hotels auch so gefüllt, weshalb Schimmer einen Gipfel im November vorgezogen hätte. Etliche Gastwirte hätten lieber ganz darauf verzichtet, denn all die Hundertschaften wurden meist zentral von Caterern verpflegt. Laut wiederholten Klagen aus dem Einzelhandel kauften sie auch weniger ein als Urlauber. Letzte Straßensperrungen gab es am Dienstag zur Abreise der Gipfelgäste. Jetzt kann die Region wieder Urlaub machen.